Vom Gründer zum Manager und zurück

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Best Practice

Wolfgang Westermeier hat das Start-up Braufässchen gegründet und mit seinem Team aufgebaut. Warum der Ausstieg trotz des Erfolges sinnvoll war und wie er sein Know-how nun für FarmInsect nutzt, erzählt er im Interview.

 

team-farminsect 1200 Ein professionelles Gründerteam von Anfang an: Das war für den Erfolg von FarmInsect wichtig. Nach diesem Grundsatz hat Wolfgang Westermeier (links im Bild) seine Co-Founder gesucht. (Foto: FarmInsect)

GründerDaily: Hallo Wolfgang, du bevorzugst die kreative Anfangsphase eines Start-ups und hast nach erfolgreicher Gründung und Aufbau von Braufässchen nun FarmInsect mitgegründet. Was reizt dich an dem Neustart und wie kam es zu dieser Idee?

Wolfgang von FarmInsect: Mir gefallen bei einem Neuanfang zum einen die vielfältigen Aufgaben und Herausforderungen. Zum anderen ist die Anfangsphase meist extrem dynamisch und man kann in kurzer Zeit zu beeindruckenden Ergebnissen kommen. Während der Anfangsphase hat man den seltenen Luxus, dass man sich ausschließlich auf wertschöpfende Tätigkeiten konzentrieren kann und die operativen Tätigkeiten noch nicht ins Gewicht fallen.

Bei der Gründung von FarmInsect war uns wichtig, dass wir mit unserer Arbeit auch einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung leisten. Wir hatten uns dazu innovative Konzepte in der Landwirtschaft angeschaut. An Insekten hat uns fasziniert, dass diese Kreislaufwirtschaft ermöglichen. Davon ausgehend haben wir analysiert, wo in der Wertschöpfungskette Insekten den größten Mehrwert bieten können. Dazu haben wir mit vielen Landwirten gesprochen und so Schritt für Schritt das Geschäftsmodell erarbeitet.

GründerDaily: Welche Erfahrungen haben dir aus deinen früheren Unternehmen besonders geholfen und gibt es etwas, was du von Anfang an anders gemacht hast?

Wolfgang von FarmInsect: Mir war von Anfang an wichtig, ein gutes Gründungsteam zu haben. Bei FarmInsect stand auch das Team schon fest, bevor die Idee überhaupt ganz klar war. Ohne ein hervorragendes Team hätte ich nicht noch einmal gegründet.

Die Erfahrung mit verschiedenen Geschäftsmodellen und ein kundenzentrierter Ansatz habe ich diesmal viel früher mit einfließen lassen. Daher haben wir auch in einer sehr frühen Phase den Kontakt zu potenziellen Kunden gesucht und anhand deren Bedürfnissen das Geschäftsmodell aufgebaut. Bei jeder größeren Verbesserung sind wir dann wieder in die Revision gegangen und haben die neuen Ideen mit potenziellen Kunden abgeglichen.

GründerDaily: Bei Braufässchen fing alles mit dem Brauen in der WG-Küche und der Erfindung eines Brausets für Zuhause an, und es wurde schnell ein aufsteigendes Start-up. Was bedeutete für dich dieser Aufstieg?

Wolfgang von FarmInsect: Dass ich diesmal Fliegenlarven in meiner Küche gezüchtet habe. 😉

Spaß beiseite.

Aufstieg ist eher die Beschreibung aus der externen Perspektive. Für mich selbst war es wie eine Achterbahnfahrt.

Mit vielen Höhepunkten aber auch mit vielen Rückschlägen und Herausforderungen. Die Zeit bei Braufässchen war eine sehr intensive Zeit mit tollen Menschen und unglaublichen, gemeinsamen Erfolgen. Für mich persönlich sind neben den Freundschaften auch die persönliche Weiterentwicklung und die gesammelten Erfahrungen das Wertvollste aus dieser Zeit.

GründerDaily: Was waren eure Wachstumsherausforderungen, vor allem, nachdem ihr 2012 nach der Fernsehsendung Galileo innerhalb von zwei Wochen eure Jahresproduktion verkauft hattet und später noch die Nominierung zum Deutschen Gründerpreis kam?

Wolfgang von FarmInsect: Wachstum ist immer mit vielen, vor allem operativen Herausforderungen verbunden. Was mich z. B. persönlich am meisten beschäftigt hat, waren der Aufbau und die kontinuierliche Weiterentwicklung der Produktion. Bei kontinuierlichem Wachstum heißt das auch kontinuierliche Weiterentwicklung. Ein anderes großes Thema war die Akquise von guten Mitarbeitern. Das war in den letzten Jahren nicht immer einfach.

Ich denke, im Nachhinein betrachtet war jedoch die größte Herausforderung, eine nachhaltige Wachstumsstrategie zu finden. Wir haben hier viel ausprobiert und auch viel Geld verbrannt, bis wir die richtige Mischung gefunden haben.

GründerDaily: Wie habt ihr euch für die Zeit danach als Unternehmen aufgestellt?

Wolfgang von FarmInsect: Nachdem wir eine nachhaltige Wachstumsstrategie gefunden und ein gutes Team aufgestellt haben, haben sich die drei Gründer Schritt für Schritt zurückgezogen. Dazu haben wir eine Geschäftsführerin eingearbeitet. Die erste Zeit hat sie uns noch als Business Development Managerin unterstützt und dann nach knapp einem Jahr selbst das Ruder übernommen. Es gibt noch einen regelmäßigen Austausch, dieser läuft aber eher im Sinne von Feedback und gemeinsamem Ideenaustausch. Wir sind sehr zufrieden, wie sie die Geschäfte übernommen hat und selbstständig weiterentwickelt.

GründerDaily: Wie lässt sich Wachstum professionalisieren?

Wolfgang von FarmInsect: Ich kann mir nicht vorstellen, dass es hierfür eine allgemeingültige Regel gibt. Ich denke, jedes Business bringt eigene Herausforderungen mit. Was ich mir für das aktuelle Start-up vorgenommen habe, ist, von Anfang an mutiger zu sein und die Strukturen und Systeme viel früher so aufzusetzen, dass sie auch skalierbar sind.

Ich denke, auch die kontinuierliche Teamentwicklung ist ein wichtiger Aspekt, den man nicht vergessen sollte.

Je dynamischer das Wachstum ist, desto wichtiger ist es, dass alle im Team die gleiche Vision teilen und Reibungen frühzeitig aus dem Weg geräumt werden.

Bei FarmInsect arbeiten wir von Anfang an mit einem Coach zusammen, der das Gründerteam alle zwei Wochen für eine Stunde unterstützt.

GründerDaily: Welche Veränderungen bedeutet Wachstum für Gründer? Wie hatten sich deine Aufgaben und Anforderungen im Vergleich zur Gründungsphase gewandelt?

Wolfgang von FarmInsect: Die Anfangsphase war wie ein Zehnkampf. Ich musste auf vielen Gebieten selbst mit anpacken und Know-how aufbauen. Im Laufe der Zeit wurden dann immer mehr Aufgaben an Mitarbeiter delegiert. Dann hat sich meine Tätigkeit mehr auf den Know-how-Transfer und das Projektmanagement konzentriert.

Dadurch, dass wir auch mit 30 Mitarbeitern noch immer sehr dynamisch unterwegs waren und pro Jahr mehrere neue Produkte oder Märkte ausprobiert haben, war Kommunikation eine meiner Hauptaufgaben, sodass immer alle Mitarbeiter bei Veränderungen mitgenommen werden und Ziele klar kommuniziert werden. Das war eine große Herausforderung.

GründerDaily: Mit welchen Methoden managest Du Aufgaben und deinen Arbeitsalltag?

Wolfgang von FarmInsect: Grundsätzlich versuche ich, meinen Tag in mehrere Blöcke von 1–2 Stunden einzuteilen, in welchen ich konzentriert an einer wichtigen Aufgabe arbeiten kann. Diese Aufgaben priorisiere ich jeden Tag neu. So schaffe ich es, pro Tag 3–4 wichtige Aufgaben zu erledigen. Zusätzlich zu den Fokus-Blöcken gibt es 1–2 Blöcke, wo ich akute Sachen erledige. Also E-Mails beantworten, Telefonate führen, Kleinigkeiten etc.

Ich arbeite am liebsten aus dem Homeoffice mit einer flexiblen Zeiteinteilung. Das heißt, zwischen den Arbeitsblöcken mache ich auch regelmäßig längere Pausen.

In den Pausen mache ich etwas komplett anderes, wie z. B. Kochen oder Sport. So bin ich nach der Pause wieder voll regeneriert und kann wieder wie am frühen Morgen an schwierige Aufgaben rangehen.

Mein „Arbeitstag“ ist so zwar deutlich länger als 8 Stunden, für mich aber wesentlich angenehmer und produktiver als ein gewöhnlicher 8-Stunden-Tag.

GründerDaily: 2018 hast du dich entschieden, bei Braufässchen auszusteigen. Was hat dich dazu bewegt?

Wolfgang von FarmInsect: Zum einen hatte ich schon länger das Gefühl, dass das Unternehmen keine drei Geschäftsführer mehr benötigt. Dafür waren die Strukturen und das Team schon zu professionell geworden. Zusätzlich habe ich bei mir selbst gemerkt, dass ich nicht mehr so motiviert war wie in den Anfangsjahren. Als ich das bemerkt habe, habe ich das Gespräch mit meinen beiden Mitgründern gesucht.

GründerDaily: Wie managt man seinen Ausstieg aus dem Gründerteam?

Wolfgang von FarmInsect: Wir hatten zu der Zeit ohnehin eine strategische Neuausrichtung für das Unternehmen geplant. In dem Zuge hatten wir über ein gutes halbes Jahr mehrere „Wochenend-Workshops“.

An einem der Termine haben wir auch ganz offen drüber gesprochen, was jeden von uns Gründern gerade bewegt und wo er sich selbst und das Unternehmen in der Zukunft sieht. An dem Zeitpunkt kam das Thema zum ersten Mal zur Sprache.

Als wir dann nochmal alle in Ruhe drüber nachgedacht hatten und es für jeden gepasst hat, haben wir den Ausstieg ganz strukturiert vorbereitet.

Ich habe dann noch einen Nachfolger für meine Aufgaben eingearbeitet und einige Aufgaben an die anderen beiden Gründer übergeben. Nach ca. 6 Monaten hatte ich nichts mehr zu tun und konnte das Unternehmen guten Gewissens verlassen.

GründerDaily: Ihr habt vor Kurzem eure Seed-Finanzierung abgeschlossen und eine GmbH gegründet. Welche Ziele geht ihr als nächstes an?

Wolfgang von FarmInsect: Aktuell arbeiten wir daran, die erste Pilotanlage bei einem der größten Fischzuchtbetriebe in Bayern aufzustellen. Mit der Pilotanlage werden wir mehrere Tonnen Insektenlarven pro Monat produzieren. Der Landwirt kann diese dann direkt zur Fütterung seiner Fische verwenden.

team-farminsect maden 1200 Insektenlarven sind das Geschäftsmodell von FarmInsect. Der Erfolg basiert u. a. auf der jahrelangen Erfahrung des Gründers. (Foto: FarmInsect)

Mit der Pilotanlage wollen wir zeigen, dass unser Konzept in der Praxis funktioniert. Die Pilotanlage wird im September dieses Jahres in Betrieb gehen. Parallel dazu sind wir bereits mit weiteren Landwirten für den Verkauf von Anlagen im Gespräch. Die Serienproduktion wird ab März 2021 loslaufen.

Da wir neben den Anlagen in einem Abo-Modell den Landwirten wöchentlich Junglarven zuschicken, müssen wir ab Anfang 2021 auch eine größere Produktion für die Junglarven aufbauen. Dazu suchen wir bis Ende des Jahres noch eine Finanzierungsrunde.

GründerDaily: Auch dein Mitgründer hat bereits ein IT-Unternehmen gegründet. Worauf kommt es beim Teambuilding und späteren Teamaufbau an?

Wolfgang von FarmInsect: Thomas und ich kannten uns schon seit dem Studium und haben uns natürlich bereits vorher immer regelmäßig über unsere Start-ups ausgetauscht. Insbesondere für Teamfragen waren wir immer gute Sparringspartner. Daher hatte das Thema Team von Anfang an einen großen Fokus bei uns.

In der Anfangsphase haben wir viel darüber gesprochen, was jedem bei einem neuen Start-up wichtig ist.

Unser Ziel ist es nicht, an Konventionen wie z. B. dem 8-Stunden Tag festzuhalten, sondern individuelle Konzepte zu finden, wie wir effizient und effektiv zusammenarbeiten können.

So haben wir uns z. B. bewusst dazu entschieden, FarmInsect als „Remote“ Company aufzusetzen. Das heißt, wir haben komplett darauf verzichtet, uns ein Büro zu mieten, und arbeiten von Beginn an aus dem Homeoffice heraus.

Vielen Dank für das Gespräch, Wolfgang und weiterhin viel Erfolg mit FarmInsect!

Insekten können auch für Menschen schmackhaft sein: Schaut euch diese Future-Food-Ideen genauer an.

Keyfacts über Farminsect

  • Gegründet im Jahr: Gründung der GmbH 2020, Beginn der Ideenphase Anfang 2019
  • Firmensitz in: Offiziell in Bergkirchen, Pilotanlage in Freising und Altötting, Büro dezentral im Homeoffice
  • Unser aktuelles Team besteht aus: Thomas Kühn, Andre Klöckner und Wolfgang Westermeier
  • Die erste Finanzierung erfolgte durch/über: TU-München Startup Booster Grant, Buisness Angels und eine Förderung der EU (EIP-Agri)
  • Besonders geholfen haben mir/uns bisher: Die TU-München hat uns von Anfang an unterstützt. Dort konnten wir kostenlos Räume für unsere ersten Prototypen nutzen. Mittlerweile sind wir auch im LMU EC Accelerator und bei EIT FAN.
  • Besonders wichtig im Arbeitsalltag sind für mich/uns folgende:
    • Menschen: Gründerteam
    • Tools: Unser Projektmanagement Toll (Teamwork) und die Cloud Lösung Nextcloud
    • Internetseiten: farminsect.eu

 

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