EcoToiletten: das Geschäft mit dem großen Geschäft

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Mit einem Sanitärprojekt in Indien vor drei Jahren hat alles begonnen. Dort stellten die Gründer des Social Start-ups EcoToiletten fest, dass ein großer Teil der Bevölkerung keinen ausreichenden Zugang zu Sanitäranlagen hat. Um an dieser Situation langfristig etwas zu verändern, machte sich das Gründerteam daran, erstmal hierzulande etwas zu ändern, nämlich den nachhaltigeren Umgang mit der Notdurft auf Festivals und Straßenfesten.

 

Für-Gründer.de: Hallo Thomas, wir kennen ziemlich viele Geschäftsideen – Festivaltoiletten gehören dabei zu den ausgefalleneren Konzepten. Wie seid ihr auf diese Idee gekommen

Thomas Jakel, EcoToiletten: Die Idee entstand, nachdem wir 2012 mit dem Fahrrad von Berlin nach Indien gefahren waren, um Geld für ein Trockentoilettenprojekt in Indien zu sammeln. In Indien haben über 600 Millionen Menschen keine Toilette und der fehlende Zugang zu Sanitäreinrichtungen ist einer der Hauptgründe für das Erkranken und den Tod von Kindern. Nachdem wir die Toiletten gemeinsam mit unseren Partnern gebaut hatten, haben wir überlegt, ob man ein Social Business Modell entwickeln kann, um auch in Zukunft humanitäre Projekte im Sanitärbereich unterstützen zu können.

Ich erinnere mich noch, wie wir in einem kleinen Hotelzimmer in Pune, Maharashtra zusammensaßen und alle möglichen Ideen durchgegangen sind. Unser Blick hat sich dann nach Deutschland gewandt, weil wir alle in Deutschland lebten und uns aufgefallen ist, dass die Toilettensituation auf Festivals für die Festivalbesucher oft ein Graus ist. Also haben wir gesagt:

Gut, wenn wir die Sanitärversorgung auf Festivals angenehmer und ökologisch nachhaltiger machen und dazu noch Sanitärprojekte im Ausland unterstützen können, dann werden wir das ausprobieren und schauen, wohin die Reise geht.

So sieht eine EcoToilette von innen aus. So sieht eine EcoToilette von innen aus (Foto: EcoToiletten)

Für-Gründer.de: Was genau zeichnet die EcoToilette aus, beispielsweise im Vergleich zum Dixi-Klo?

Thomas Jakel, EcoToiletten: Also einerseits arbeiten wir ohne Chemie und man kann die verwendeten Materialien nach dem Festival kompostieren. Unser Einstreu, das man nach jedem Toilettengang in die Toilette wirft, hilft dabei, dass es keine Geruchsbildung in der Toilette gibt. Außerdem vermieten wir die Toiletten aktuell ausschließlich mit einem beständigen Reinigungsservice. Das heißt, wenn man unsere Toilette benutzt, kann man sich sicher sein, dass die Kabine auch sauber ist.

Natürlich heben wir uns auch im Design ab. Statt einer Plastikkabine finden die Benutzer unserer Toiletten einen Holzlook vor. Man kann sich nach dem Toilettengang die Hände desinfizieren. Wir geben uns auf jeden Fall größte Mühe den Toilettengang so angenehm wie möglich für die Festivalbenutzer zu machen, ohne dass der Preis für die Veranstalter dadurch explodiert.

Für-Gründer.de: Wo kommen eure Toiletten zum Einsatz?

Thomas Jakel, EcoToiletten: Bisher konzentrierten wir uns vor allem auf Berlin, auch wenn wir einige Veranstaltungen in Hamburg, Leipzig, Thüringen und selbst in Polen hatten. In diesem Jahr werden wir auch Toiletten in NRW, Baden Württemberg, Bayern und in Österreich vermieten.

Die meisten Kunden sind kleine und mittlere Festivals. Es gibt aber auch Tagesveranstaltungen, die bei uns anfragen und selbst öffentliche Auftraggeber. So haben wir auch eine öffentliche Toilette in Berlin installiert.

Die EcoToiletten beim Karneval. Die EcoToiletten beim Karneval der Kulturen in Berlin (Foto: EcoToiletten)

Für-Gründer.de: Wie groß schätzt ihr den Markt für die EcoToiletten?

Thomas Jakel, EcoToiletten: Aktuell konzentrieren wir uns vor allem auf den Veranstaltungsmarkt. Geht man darüber hinaus und spricht über mobile Sanitärversorgung in Deutschland oder Europa im Allgemeinen, ist der Markt ein paar hundert Millionen Euro groß.

Für-Gründer.de: Wie habt ihr euch bisher finanziert? 

Thomas Jakel, EcoToiletten: Wir haben die ersten zwei Jahre vor allem gebootstrappt und mit den Einnahmen die Toiletten abbezahlt, für die wir längere Zahlungsziele ausgehandelt hatten. Des Weiteren haben wir Veranstaltern einen Skonto gegeben, wenn sie uns vorab bezahlt haben. So konnten wir unseren Markttest ganz gut finanzieren, unsere Annahmen überprüfen und besser werden. So waren wir gleichzeitig gezwungen, das schön schlank zu starten.

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Für-Gründer.de: Eine nicht geglückte Crowdfunding-Kampagne im vergangenen Jahr war für euch kein Grund, aufzugeben. Welche Erfahrungen habt ihr daraus mitgenommen? 

Thomas Jakel, EcoToiletten: Wir haben uns das noch mal angeschaut und haben gemerkt, dass wir uns vor allem auf den Vertrieb und das Produkt konzentrieren sollten und wir nicht die personellen Ressourcen hatten, um parallel dazu noch eine erfolgreiche Crowdfunding-Kampagne durchzuführen.

Was haben wir daraus gelernt? Etwas, das wir eigentlich schon wussten: Crowdfunding braucht Fokus und läuft in der Regel nicht einfach nebenbei, außer man hat schon massiv Kanäle aufgebaut, die einem helfen, die Kampagne explodieren zu lassen.

Dennoch haben wir von der Kampagne profitiert. Letztendlich haben wir uns dank dessen mal dazu aufgerafft, ein paar Videos zu machen, die unsere Produkt im Einsatz zeigen und der Reichweite hat es auch geholfen.

Für-Gründer.de: Ein Teil eurer Einnahmen fließt in ein Projekt, das Trockentoiletten in Indien unterstützt. Stell doch kurz das Projekt vor und erzähl uns, wie es zu dieser Zusammenarbeit kam.

Thomas Jakel, EcoToiletten: In den letzten Jahren haben wir den Bau von Toiletten an einer Schule in Indien unterstützt. Zu dem Projekt kam es durch Kontakte, die wir noch von unserer Fahrradtour nach Indien hatten.

Damals waren wir auch an der Schule und haben gesehen, dass die 400 Kids, die an der Schule leben, nicht alle Zugang zu Toiletten haben und die Toiletten, die es gab, oft nicht funktionierten, insbesondere, wenn es kein Wasser zum Spülen gab. Die Toiletten an der Schule werden gerade gebaut. Leider hat es sich mit dem Bau etwas länger hingezogen, als ursprünglich erwartet.

In Zukunft möchten wir verschiedene Organisationen und Projekte unterstützen. Zu diesem Zweck sprechen wir unter anderem gerade mit der German Toilet Organization und Ingenieure ohne Grenzen, um zu schauen, welche spezifischen Projekte wir unterstützen können.

Thomas Jakel in einem indischen Dorf. Thomas Jakel in einem indischen Dorf (Foto: EcoToiletten)

Für-Gründer.de: Gab es Hürden in eurem Gründungsprozess? Wenn ja, welche?

Thomas Jakel, EcoToiletten: Nicht wirklich. Vielleicht noch am ehesten, dass wir am Anfang sehr blauäugig gestartet sind. Einer meiner Mitgründer hat noch in Dänemark studiert. Der andere in Greifswald.

Als wir die ersten Toiletten geliefert bekommen haben, brachten wir die noch in Einzelteilen bei der Mutter eines Mitgründers in der Garage untergebracht.

Wir hatten da noch kein richtiges Lager. Eine Woche später hatten wir dann eines und konnten die Toiletten umziehen. Wir haben vieles einfach auf dem Weg organisiert und haben uns so Stück für Stück professionalisiert.

Für-Gründer.de: Festivaltoiletten werden hauptsächlich im Sommer benötigt. Was passiert bei euch zur Winterzeit?

Thomas Jakel, EcoToiletten: Bisher haben wir da einfach etwas runtergefahren, in die Produktentwicklung investiert und all unsere Learnings verarbeitet. Aber letztendlich gibt es auch im Winter ein paar Aufträge. Langzeitmieten, Weihnachtsmärkte, dann den Karneval und Weiteres.

Für-Gründer.de: Wo wollt ihr in den nächsten zwölf Monaten mit EcoToiletten hin? 

Thomas Jakel, EcoToiletten: Also erstmal vermieten wir in diesem Jahr auch in NRW und in BW, Bayern und Österreich. Dafür müssen natürlich ein paar Strukturen aufgebaut werden. Außerdem trauen wir uns auch langsam an ein paar größere Events heran.

Daneben möchten wir unser Produkt natürlich noch besser machen und unseren sozialen Nutzen erhöhen, unsere Arbeit in Deutschland also noch besser mit den humanitären Projekten im Ausland verknüpfen.

Außerdem definieren wir gerade, wo wir mit unserer Unternehmenskultur hin wollen. Unter anderem lassen wir gerade gewaltfreie Kommunikation in unsere Trainings einfließen und beschäftigen uns mit Organisationsstrukturen, die die größtmögliche Freiheit und Entwicklung aller Teammitglieder erlauben.

Junggründer Thomas Jakel. Thomas Jakel von EcoToiletten (Foto: EcoToiletten)

Für-Gründer.de: Was sind deine drei Tipps, die du anderen Gründern mit auf den Weg geben kannst?

Thomas Jakel, EcoToiletten:

  1. Das Unternehmen, das man aufbaut, ist Ausdruck der eigenen Persönlichkeit und des eigenen Bewusstseinsstandes. Daher würde ich an erster Stelle raten in die eigene Entwicklung zu investieren. Zu lesen, sich coachen zu lassen, von Vorbildern zu lernen und mit Menschen zu sprechen, die den Weg vor Dir gegangen sind.
  2. Ich würde mir überlegen, wo ich hin will und welchen Wert ich stiften möchte. Wie ich leben möchte. Mit wem ich arbeiten möchte. Wem ich mit meinem Unternehmen helfen möchte. Und wenn ich das weiß, wenn ich mir überlegt habe, wie ich gerne leben möchte, würde ich mir Geschäftsmodelle und Ideen suchen, die meinen idealen Lebensstil und das was ich im Leben machen möchte, meinen „idealen Lebensstil", unterstützen. Und dann würde ich handeln und ausprobieren. Aufhören (nur) zu reden und beginnen zu machen.
  3. Ich würde relativ schnell ein Experiment starten, ein Angebot aufsetzen, bootstrappen, einen Prototypen bauen oder auch einfach direkt vorverkaufen, um meine Idee zu validieren. Wenn ich so schlank und so schnell starte, dann kann ich am schnellsten praktisch lernen und mit potenziellen Kunden sprechen. Das ist aus meiner Sicht am Anfang das Wichtigste. Schnell Feedback zu bekommen, schnell die ersten Kunden an Bord zu holen, und dann erst das Produkt zu entwickeln. Sobald ich Kunden habe, denen ich etwas vorverkauft habe, bin ich auch wirklich unter Druck die Leistung zu erbringen. Das fokussiert mich ungemein und führt dazu, dass ich wirklich etwas schaffe, was Kunden haben wollen. Also kurz und knapp: So schnell zum Proof of Concept kommen, wie möglich und dann mit dem Geld aus den Verkäufen das Geschäft aufbauen. Wenn ich dann Geld brauche, um wirklich zu expandieren, kann ich das immer noch an Bord holen.

Für-Gründer.de: Vielen Dank für das Interview.

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