Rasanter Aufstieg zum Millionen-Start-up
Das Münchner Start-up air up steht für schnelles Wachstum – und das während der Corona-Krise. Dafür brauchte es Innovation, Investments und eine klare Strategie. Gründerin Lena Jüngst spricht über ihre Erfolgsrezepte.
GründerDaily: Hallo Lena, eure Erfolge von 2020 lesen sich wie ein Wunschzettel vieler Unternehmen: Verzehnfachung des Umsatzes auf 20 Millionen Euro, Investments in Höhe von insgesamt 20 Millionen Euro und starkes Mitarbeiterwachstum. Was hat euch in der Corona-Krise so erfolgreich gemacht?
Lena von air up: Glückliche Zufälle sowie eine gute Strategie, die wir bereits vor der Corona-Krise ausgearbeitet hatten. Unseren Fokus hatten wir auf Online-Sales-Kanäle gelegt und waren daher für einen reinen Online-Verkauf gewappnet. Außerdem haben viele potenzielle Interessenten von Zuhause gearbeitet, saßen nah am Kühlschrank und suchten ein gesundes Produkt, um ungesunden Gewohnheiten entgegenzusteuern.
Das Jahr 2020 lief besser als geplant: Wir haben neue Markteintritte vollzogen, viel gelernt und unser Team aufgebaut.
Zum Glück hatten wir den Markteintritt rein online geplant. Generell starten wir in den jeweiligen Ländern erst mit unserem Webshop und dem jeweils größtem Marktplatz im Land, z.B. Amazon, und gehen dann erst im dritten Schritt in den Handel.
Es muss nicht nur technisch alles reibungslos laufen, sondern auch die kulturellen Unterschiede des jeweiligen Landes berücksichtigt werden. Während in Deutschland die Kampagne "0 Zucker, 0 Kalorien" am besten lief, mussten wir die Kampagne in Frankreich im Nachgang anpassen. Dort haben sie kein Problem mit wenig Zucker, sondern dort geht es eher um die Aromen.
In Belgien und den Niederlanden sind sie sehr innovativ und offen für Geschäftsideen der Start-ups.
GründerDaily: Was konntet ihr mit den ersten Investments von Frank Thelen und Ralf Dümmel umsetzen?
Lena von air up: Wir konnten die Produktion aufbauen und die geplanten 80.000 Startersets vorfinanzieren. Das war der erste Meilenstein. Für Hardwareprodukte ist das die erste große Hürde, da Warenfinanzierung und die Werkzeuge sehr teuer sind.
Bei Investoren ist es uns wichtig, dass wir neben dem Geld vor allem gute Partner an Board haben.
Ralf Dümmel ist Produktexperte und Frank Thelen Experte für den Aufbau des Unternehmens und des Marketings.
Ein gutes Team ist das Wichtigste für den Unternehmensaufbau.
Wir haben geschaut, dass wir die wichtigsten Bereiche rund um das Produkt abdecken. Mit unserem großen Gründerteam von fünf Personen haben wir Produktion und Design, Aromen und Lebensmittelrecht, Finanzierung sowie Sales und Marketing abgedeckt. Dadurch waren wir mit den grundlegenden Expertisen an Board für das Wichtigste gewappnet.
Später muss man sich gut aufteilen: Jeder übernimmt neben seinem Bereich auch weitere, die er noch nicht so gut kann. So kamen bei uns unter anderem Logistik, Markenaufbau und Produktionsaufbau hinzu.
Jeder muss auf die Bedürfnisse des Unternehmens reagieren und viel Neues lernen.
GründerDaily: Binnen eines Jahres ist eure Mitarbeiterzahl von 8 auf 70 gestiegen sein. Wie gelingt ein erfolgreicher Teamaufbau?
Lena von air up: Nachdem wir uns im Gründerteam aufgeteilt hatten, ging es schnell darum, in welchen Bereichen wir Experten brauchen und haben dies priorisiert. Das war die Strategie für den Markteintritt und die Anzahl der Flaschen.
Uns war klar: Wenn der initiale Launch funktioniert, dann müssen wir schnell wachsen und das Team aufbauen.
Unsere erste Mitarbeiterin war daher im HR. Heute ist Kim unsere Head of HR und wir haben sehr strukturiert das Team aufgebaut. Die Herausforderung war, dass einen keiner als Start-up kannte, seinen Job dafür nicht kündigen wollte und es noch keinen Vergleich gab, ob unsere Produkttechnologie funktionieren würde.
Gepunktet haben wir sicherlich mit unseren namhaften Investoren und Softfaktoren, dass sich jeder zu hundert Prozent verwirklichen und von Anfang an bei einem aufregenden Produkt dabei sein kann.
Als Mitarbeiter muss man das Produkt cool finden, um es erfolgreich machen zu wollen.
Zunächst haben viele Leute - ähnlich zu uns - direkt aus dem Studium heraus bei uns angefangen und viel Zeit ins Start-up gesteckt. Jedoch war wenig Berufserfahrung da.
Wir haben festgestellt, dass wir mehr Experten mit Erfahrung einstellen müssen. Wir als Gründerteam haben ja alle mehr oder weniger aus dem Studium heraus gegründet und dementsprechend diese Erfahrungen noch nicht gesammelt.
Für das Wachstum ist es wichtig, dass die Mitarbeiter ihren Bereich schon öfters gemacht haben und Erfahrungen aus anderen Unternehmen mitbringen. Sie bringen dann Ruhe rein.
GründerDaily: Wie arbeitet ihr neue Mitarbeiter sinnvoll ein?
Lena von air up: Wir stecken sehr viel Zeit ins Onboarding. Innerhalb von zwei Wochen sollen die neuen Mitarbeiter die aktuellen Projekte kennen, die Prozesse verstehen und im Team aufgenommen werden. Laut Rückmeldung machen wir das besser als in anderen Firmen.
Teamübergreifend gibt es digitale Coffeedates und für eine neue Mitarbeiterin aus Indien hat das Team eine Stadtführung mit einzelnen Teammitgliedern organisiert - das war sehr persönlich und coronakonform.
Damit sich neue Mitarbeiter und das Team gut verstehen, gibt es bereits einen umfangreichen Recruitingprozess. Bei einer Case Study kann der Bewerber zu einem aktuellen Problem seine Gedanken einbringen. Wir lernen dadurch die Bewerber besser kennen. Sie lernen außerdem Stakeholder kennen und es wird geschaut, ob es einen Teamfit gibt.
GründerDaily: Ihr seid ein fünfköpfiges Gründerteam. Wie behaltet ihr als Führungskräfte beim rasanten Wachstum den Überblick und leitet die Mitarbeiter richtig an?
Lena von air up: Wir haben eine Zwischenebene eingeführt und es gibt verschiedene Heads of Departements. Darüber hinaus ist eine sehr gute Projektmanagementstruktur erforderlich. Mit dem Projektmanagment-Tool Asana haben wir die Projekte klar und übersichtlich vor Augen und sehen, ob das Team die Ziele einhält.
Als Geschäftsführung haben wir die Herausforderung, klare Ziele und Richtungen vorzugeben, die gleichzeitig den Experten den Freiraum lassen, Lösungen für die Strategie zu entwerfen.
Die Kombination macht es aus: Eine gute Strategie, ein Projektmanagement-Tool sowie das Learning, Kontrolle abzugeben. Man muss nicht immer 100 Prozent und jedes Detail kennen.
Bei uns ist in jeder Abteilung ein Gründer vertreten und jede Abteilung hat andere Anforderungen und Meetingstrukturen.
Montags gibt es ein Meeting für alle Mitarbeiter, in der alles geteilt und erzählt werden kann. Es wird immer von einer anderen Person vorbereitet. Das ist besser als eine hierarchische Struktur.
Es gibt einen Rückblick in die vergangene Woche, Sales-Zahlen, Leitlinien, die Motivation der Woche sowie off topic-Themen - was treibt an, was nervt?
GründerDaily: Welche Methoden haben sich in der Corona-Krise bewährt und werdet ihr sie künftig beibehalten?
Lena von air up: In unserem Büro können Mitarbeiter aktuell Schreibtische buchen, sodass jeder coronakonform im Büro arbeiten kann, wenn es ihm gut tut. Alle anderen arbeiten Remote.
Anders als befürchtet waren die Mitarbeiter im Homeoffice teilweise produktiver als vorher, da Zuhause keine Ablenkung war. Jeder soll da arbeiten, wo er will, ob Homeoffice oder Büro.
Wir wollen die maximale Flexibilität ermöglichen und versuchen, die Meetingkultur zu reduzieren: Die einen arbeiten lieber einen klassischen Arbeitstag, andere sind produktiver, wenn sie größere Pausen machen und abends länger sitzen. Mir hilft es auch rauszugehen, wenn ich nachmittags nicht mehr produktiv bin. Joggen und Wäsche machen sind auch mal erlaubt.
Mit dem Tool Officevibe messen wir regelmäßig die Zufriedenheit der Teams.
Die Zufriedenheit unserer Mitarbeiter steigt kontinuierlich, was uns sehr freut.
GründerDaily: Mitspracherecht ist Dir besonders wichtig: Wie sieht dieses bei euren Mitarbeitern aus?
Lena von air up: Ohne Mitarbeiter wären wir nichts und das Team ist am Schluss der Erfolg.
Wir nutzen das Potenzial des Teams, wenn sich jeder zu 100 Prozent einbringen kann.
Als Geschäftsführer müssen wir den Rahmen für die gleiche Richtung setzen. Jeder soll sich darin entfalten können. Das ist das Schwierige in der Wachstumsphase. Am Anfang muss man den Rahmen enger schnallen, da man weniger Zeit und Geld zur Verfügung hat. Später kann man dann einen größeren Rahmen spannen. Da in jedem Team ein Gründer sitzt, kommen Unzufriedenheiten schnell raus, die wir dann klären können.
GründerDaily: Ihr seid auf Expansionskurs und die nächsten Investoren, wie zum Beispiel der Getränkehersteller Pepsico, sind bei air up eingestiegen. Was sind die nächsten Meilensteine?
Lena von air up: Weitere Markteintritte sind geplant. Wir wollen expandieren und die Geschäftsidee groß machen. Dafür benötigt es viel Zeit und Ressourcen. Daneben stehen viele Produktentwicklungen an. Wir arbeiten daran, unsere Basis-Aromen-Palette für die Masse interessant zu machen, entwerfen experimentelle Düfte und machen uns Gedanken über neue Materialien sowie Farben der Flaschen.
Aber die ganz große Frage ist: Was kommt nach der Flasche, wo liegt das Potenzial unserer Technologie?
Es geht nicht nur darum, die Bedürfnisse des Menschen zu befriedigen, sondern auch die Umwelt und Gesundheit zu respektieren. Wir wollen andere motivieren, an äußere Bedingungen zu denken mit der Frage: Was hat das Produkt gesellschaftlich für Auswirkungen.
- Lest jetzt auch die Gründerstory von air up!