Investor Readiness: Das erwarten Investoren von der Seed-Phase bis zum IPO

Wer beim Aufbau seines Start-ups nicht auf Bootstrapping und das Wachstum aus dem Cashflow setzen will, benötigt externes Kapital. Als mögliche Kapitalgeber kommen Banken und Investoren infrage. Banken bewerten die Geschäftsmodelle von Start-ups dabei wesentlich skeptischer als Investoren. Risikoreiche Finanzierungen über mehrere Phasen werden daher in der Regel nur von Investoren mitgetragen.

Wer also kräftig wachsen will, wird häufig Investoren in verschiedenen Finanzierungsrunden ins Boot holen müssen. Um diese von einer Investition zu überzeugen, müssen Gründer und Start-ups „Investor ready" sein. Wir erklären, was das in den verschiedenen Finanzierungsphasen bedeutet.

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Chefredakteur: René Klein
Für-Gründer.de Redaktion

René Klein verantwortet als Chefredakteur seit über 10 Jahren die Inhalte auf dem Portal und aller Publikationen von Für-Gründer.de. Er ist regelmäßig Gesprächspartner in anderen Medien und verfasst zahlreiche externe Fachbeiträge zu Gründungsthemen. Vor seiner Zeit als Chefredakteur und Mitgründer von Für-Gründer.de hat er börsennotierte Unternehmen im Bereich Finanzmarktkommunikation beraten.

Was ist für den Investor wichtig?

Während in der Frühphase einer Unternehmensgründung meist Business Angels in eine Idee und ein Gründerteam investieren, steigen in späteren Finanzierungsrunden häufig Venture Capitalists (VCs) oder Private Equity-Gesellschaften in bereits am Markt etablierte Geschäftsmodelle ein. Der Königsweg eines erfolgreichen Start-ups ist ein erfolgreicher IPO, bei dem das Unternehmen an die Börse gebracht wird.

Eines haben alle Investitionsphasen gemeinsam: Damit Investoren bereit sind, ihr Geld zu investieren und ins Risiko zu gehen, müssen gewisse Grundvoraussetzungen erfüllt sein - sprich das Start-up muss „Investor ready" sein. Dabei sind es je nach Phase unterschiedliche Bedürfnisse und Anforderungen der jeweiligen Investorengruppen. Bevor wir auf die Besonderheiten der jeweiligen Phasen eingehen, gibt es aus unserer Sicht einige Grundvoraussetzungen, die jeder Investor gerne unter dem Stichwort Investor Readiness erfüllt sehen möchte. 

  • Klare Wachstumsstrategie
  • realistische Unternehmensbewertung
  • vollumfängliche Transparenz
  • rechtlich saubere Verträge
  • ein plausibles Exitszenario

Klare Wachstumsstrategie

Was soll mit dem frischen Kapital gemacht werden? Auf diese Frage sollten Unternehmen eine sowohl plausible als auch fundierte Antwort geben. Wachstum steht dabei meist im Fokus der Investoren, schließlich soll das eingesetzte Kapital möglichst vermehrt werden. Ein anderer Mitteleinsatz wie die neuen hübschen Firmenwagen oder ein unverhältnismäßiger Sprung der Gehälter für die Geschäftsführer dürften hingegen eher Skepsis hervorrufen und die Chancen auf Investment senken.

Realistische Unternehmensbewertung

Gerade zu Beginn basiert die Unternehmensbewertung nur auf den Planzahlen und einer Menge Fantasie. Diese sollte aber mit den Gründern zu keiner Zeit durchgehen. Eine unrealistische Unternehmensbewertung schreckt Investoren sofort ab. Schließlich denken diese auch bereits mehrere Finanzierungsrunden weiter und stellen sich vor, wie ihr Anteil wie Schnee in der Sonne dahinschmilzt.

Vollumfängliche Transparenz

Bereits von Anfang an sollten die Gründer Wert auf größtmögliche Transparenz legen. Nur so ist ein langfristiges und vertrauensvolles Verhältnis zwischen Investoren und Gründern möglich.

Rechtlich saubere Verträge

Grundsätzlich sollte das Vertragswerk zwischen den Parteien in allen Phasen so aufgesetzt sein, dass mit Blick auf Folgefinanzierungen der Einstieg weiterer Investoren nicht unnötig erschwert wird. Gleichzeitig sollte beim Vertragswerk zu keinem Zeitpunkt eine der beiden Seiten überdurchschnittlich benachteiligt werden.

Plausibles Exitszenario

Heute schon an übermorgen denken. In den meisten Fällen wird die vom Investor angestrebte Rendite über einen Exit realisiert. Selten bleibt ein professioneller Investor auf Dauer beteiligt, um an den laufenden Einnahmen des Unternehmens zu partizipieren. Dementsprechend wichtig ist es, bereits frühzeitig mögliche Exitszenarien für den Investor zu skizzieren. Wir haben in einem gesonderten Kapitel mehr zum Thema Exit und zu den unterschiedlichen Exit-Strategien zusammengestellt.
 

Und außerdem: auf das Timing kommt es an

Es ist egal, ob man alle Punkte auf der Investor Readiness-Skala erfüllt, wenn das Marktumfeld nicht stimmt, die eigene Branche gerade nicht im Trend liegt oder Investor XY gerade ein ähnliches Investment getätigt hat, wird es schwierig mit der angestrebten Finanzierung. Deshalb ist hin und wieder auch eine gute Portion Glück nötig. Und häufig heißt es erst einmal Klinken putzen, bevor der passende Investor gefunden wird.

Gleichzeitig können zu frühe Finanzierungsrunden in der Unternehmensentwicklung aber auch zu Bewertungsabschlägen führen, da Erfolge noch nicht in ausreichendem Maße vorhanden sind. Allerdings sollte man auch nicht zu lange warten. So könnte man gezwungen sein, Verhandlungen schnell und zu eigenen Ungunsten abschließen zu müssen, da andernfalls das Geld ausgeht.
 

Investor Readiness in der Seed-Phase

Der wichtigste Baustein bei der Finanzierungssuche in der Seed-Phase ist ein gut aufgestelltes Gründerteam. Das Gründerteam muss sich in seiner Expertise und seinen Fähigkeiten ergänzen und über eine große Portion Start-up-Mentalität verfügen. Deshalb sind bei vielen Business Angeln Einzelgründer in puncto Investor Readiness fast schon ein Ausschlusskriterium.

Der persönliche Fit zwischen Business Angel und Gründerteam muss ebenfalls gegeben sein, d.h. es sollte eine gewisse Sympathie herrschen. Gerade in dieser frühen Phase ist diese persönliche Komponente wichtig, da der Business Angel häufig sehr stark mit in die Entwicklung des Start-up eingebunden ist. Diese persönliche Komponente verliert in den nächsten Finanzierungsstufen an Relevanz. Außerdem muss die Geschäftsidee zum Investor bzw. dessen Investitionshorizont passen.

Neben der Idee sollten die Gründer bereits eine erste Version ihres Produktes vorweisen können, um die Investor Readiness zu verbessern. Da meist das Kapital für dieses erste Produkt benötigt wird, liegt die Lösung hier in der Entwicklung eines Prototyps oder eines Minimum-Viable-Products (MVP). Die Gründer sollten also in der Lage sein, dem zukünftigen Investor zumindest in der Theorie den späteren Kundennutzen zu demonstrieren. Erste Markttests und Kundenreaktionen, zum Beispiel durch Kundenakzeptanztests mit dem MVP, erhöhen zudem die Erfolgsaussichten beim Business Angel.

Neben Team, Prototyp und ersten Markttests sollten alle wichtigen Dokumente, die die Gründerstory beschreiben und mit allen wichtigen Zahlen und Fakten unterlegen, vorhanden sein. Dazu gehören ein realistischer Businessplan inkl. Finanzplan sowie die Gründungs- und Investmentstory, was meist in einem Pitch Deck für den Investor zusammengefasst wird. Und auch wenn dies zunächst nach einer Menge Formalien klingt, gehört es zum Thema Investor Readiness unbedingt dazu.

Tipp

Wie ein Pitch Deck aufgebaut ist und welche Inhalte nicht fehlen dürfen, haben wir hier zusammengestellt.

Auch wenn die Zahlen zur Unternehmensentwicklung in dieser ersten Phase noch nicht so wichtig sind wie das Gründerteam, sollten diese trotzdem bereits so realistisch und nachvollziehbar wie möglich sein und die zukünftige Wachstumsstory belegen. Kommt es zu einem Investment, sind die Zahlen aus dem Business- und Finanzplan die Basis für das spätere Investorenreporting, d.h. der Erfolg des Gründerteams wird auch an diesen Angaben gemessen.

Die Verträge zwischen dem Start-up und den Investoren sollten in dieser Phase bereits mit Blick auf weitere Finanzierungsrunden gestaltet sein, so dass der Einstieg weiterer Investoren nicht unnötig erschwert wird. Es lohnt sich bereits in dieser frühen Phase, einen Anwalt zu konsultieren, um die Verträge auch für die späteren Finanzierungsrunden Investor ready zu machen.
 

Investor Readiness in Series A-, B- oder C-Runde

Mit dem in der Seed-Phase eingesammelten Kapital konnte idealerweise der Proof-of-Concept des Start-ups erfolgen und das Produkt bzw. die Dienstleistung erfolgreich am Markt platziert werden. In den nun folgenden Finanzierungsphasen verschiebt sich das Gleichgewicht von der bisherigen Fokussierung auf das Gründerteam in Richtung Unternehmensorganisation, Geschäftsmodell, Produkt und Markterfolg. Entscheidend ist, wie schnell das Unternehmen wachsen bzw. skalieren (ein Zauberwort für Investoren) kann. Die Erschließung neuer Märkte oder die Entwicklung neuer Produkte stehen im Fokus. Damit verbunden ist in der Regel auch ein starkes Wachstum der Mitarbeiterzahl. Es kommen zahlreiche neue Faktoren im Hinblick auf die Investor Readiness des Start-ups hinzu, die zu beachten sind, um für Investoren attraktiv zu sein.

Die anfänglich starke Bindung zwischen Business Angel und Gründerteam nimmt in den auf die Seed-Phase folgenden Finanzierungsrunden erheblich ab. Im Zuge erhöhter Berichtspflichten an professionelle Investoren wie VCs oder Private-Equity-Gesellschaften erhöhen sich auch die Transparenzanforderungen an das Start-up, was u.a. in deutlich gewachsenen Reportingpflichten und den entsprechend notwendigen Ressourcen für diese Tätigkeiten resultiert. Auch die Steuerung des Unternehmens erfolgt verstärkt durch Kennzahlen und Key Performance Indicators (KPIs).

Zudem müssen nach der anfänglichen und zum Teil in Start-ups häufig chaotischen Wachstumsphase verstärkt Prozesse etabliert und optimiert werden, um das Start-up auch organisatorisch auf die nächste Ebene zu heben. Nicht selten wird dem Gründerteam im Zuge der neuen Finanzierungsrunden ein professionelles Management zur Seite gestellt bzw. das Gründerteam ganz durch ein solches ersetzt.

Mit der Zahl der Finanzierungsrunden werden auch die Exit-Szenarien für die Investoren zunehmend wichtiger, um eine angemessene Rendite zu erzielen.

Bestehende vertragliche Regelungen zwischen Investoren und Gründern müssen von Runde zu Runde neu und entsprechend der veränderten Rahmenbedingungen angepasst werden. Mit zunehmender Anzahl an Investoren erhöht sich hier auch die Komplexität der Verträge. Wie bereits erwähnt, bilden rechtlich saubere Verträge die Grundlage für die Investor Readiness auch in diesen späteren Entwicklungsphasen eines Start-ups.
 

Investor Readiness vor dem IPO

Ist als Exit-Strategie ein Initial Public Offering (IPO), also der Gang an die Börse, geplant, erhöhen sich die Anforderungen an die Investor Readiness weiter. Denn neben den bisher genannten Aspekten sind nun auch formale Voraussetzungen an ein Börsenlisting sowie gesetzliche Anforderungen zu erfüllen. 

Tipp

Wie ein IPO genau funktioniert, welche Anforderungen erfüllt werden müssen und welche Tipps dazu ein ehemaliger Fondsmanager hat, erfahren Sie hier.

Das betrifft die Voraussetzungen im Vorfeld des IPO zur Zulassung zum Handel an der Börse, wie z.B.: 

  • eine vorgeschriebene Mindest-Marktkapitalisierung des gewählten Börsensegments
  • die Unternehmensgröße und das Mindest-Eigenkapital
  • das Alter der Gesellschaft
  • die Erstellung eines Börsenprospekts
  • die Festlegung der Emissionsbank oder
  • die Ermittlung der Unternehmensbewertung im Rahmen einer Due Diligence.

Nach dem Börsengang müssen hohe Anforderungen an die Bilanzierung, umfassende Transparenzvorschriften, ein regelmäßiges Investoren-Reporting und kontinuierliche Investor Relations erfüllt werden. Dazu ist der Aufbau einer eigenen Investor Relations-Abteilung im Unternehmen meistens erforderlich.

Tipp

Tipp: Das Deutsche Börse Venture Network unterstützt Start-ups und Wachstumsunternehmen bei der Investorensuche. Gleichzeitig werden viele weitere Services geboten, mit denen die Investor Readiness des Unternehmens verbessert wird.

Fazit: Investor Readiness für Start-ups

Während in der Seed-Phase noch das Gründerteam sowie die persönliche Beziehung zwischen Investoren und Gründern im Fokus stehen, verlagert sich der Schwerpunkt in den folgenden Phasen in Richtung Marktauftritt, Produkt, Professionalisierung der Unternehmensprozesse sowie starkes Wachstum.

Die Anforderungen an Transparenz und Berichterstattung nehmen stetig zu, ebenso wie die Reporting- und Berichterstattungspflichten, die bei einem IPO mit der zum Teil quartalsweisen Berichterstattung an Investoren ihr Maximum erreichen.

Ebenfalls ratsam ist die Einbeziehung von Experten bei der Unternehmenswertberechnung sowie den Beteiligungsverträgen, um in späteren Finanzierungsphasen Konflikte zwischen den Parteien zu vermeiden und als Gründer nicht benachteiligt zu werden.

Chefredakteur: René Klein

René Klein verantwortet als Chefredakteur seit über 10 Jahren die Inhalte auf dem Portal und aller Publikationen von Für-Gründer.de. Er ist regelmäßig Gesprächspartner in anderen Medien und verfasst zahlreiche externe Fachbeiträge zu Gründungsthemen. Vor seiner Zeit als Chefredakteur und Mitgründer von Für-Gründer.de hat er börsennotierte Unternehmen im Bereich Finanzmarktkommunikation beraten.