So gehen Selbstständige mit der Corona-Krise um

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Corona-Spezial

Selbstständige wie Freiberufler und Kleinunternehmer kämpfen nach Kräften gegen die Corona-Krise. Welchen Hilfen nehmen sie hierfür in Anspruch? Und welche kreativen Wege finden sie, wenn die Kunden vorübergehend wegbleiben? Das haben wir sie im 2. Teil unserer Serie gefragt. (Hier geht es zum 1. Teil)

 

selbststaendige corona krise teil 2 1200 Auch im zweiten Teil unseres Interviews stehen uns die Selbstständigen Rede und Antwort im Umgang mit der Corona-Krise. Hier geht's zu Teil 1 der Reihe. (Foto: Unsplash)

Texterin, Friseurin, Online-Unternehmer: unsere 5 Gesprächspartner

  • Lars Grosskurth ist Geschäftsführer der Landgang Brauerei, sie ist eine der bekanntesten Craft-Bier-Adressen im Norden und in kürzester Zeit zur drittgrößten Brauerei Hamburgs aufgestiegen.
  • Felix Klein ist Gründer und Geschäftsführer der DZE GmbH. Mit Dienstzeitende.de und der Online-Soldatenmesse unterstützt er seit 2009 Unternehmen dabei, neue Mitarbeiter zu gewinnen und eine hochinteressante Personalquelle zu erschließen: ehemalige Soldaten der Bundeswehr.
  • Sabine Hölper, 49 Jahre alt, eine Tochter, 10. Diplom-Betriebswirtin, gelernte Bankkauffrau, seit rund 20 Jahren freie Journalistin mit Schwerpunkt Wirtschaft. Sabine lebt seit fast 15 Jahren in Berlin und kommt aus dem Westerwald.

Selbststaendige Corona Situation GruenderDaily Version

  • Die Fotografin Lydia Rech ist seit fast 12 Jahren selbstständig und eröffnete vor 11 Jahren ihr rech & friends fotostudio in Leipzig. Sie wurde vom bund professioneller portraitfotografen mit einem Stern für ihre hochwertige Fotografie ausgezeichnet und hat sich auf die Portraitfotografie spezialisiert.
  • Natalja Wagner ist 38 Jahre alt und seit 2007 selbstständig, seit dem 16.03.2020 mit ihrem eigenem Friseursalon in der Berger Straße 109 in Frankfurt am Main. Geboren in Moskau, kam sie 1995 mit ihrer Familie nach Deutschland.

Wege aus der Krise, Hilfen und Tipps

GründerDaily: Hallo Felix, was müssen Selbstständige aus deiner Sicht tun, um durch die Krise zu kommen?

Felix: Aus meiner Sicht ist es gerade jetzt wichtig, auch weiter mit seinen Kunden bzw. seiner Zielgruppe intensiv zu kommunizieren und Lebenszeichen zu setzen. Ob dies über die Sozialen Medien passiert, oder auch telefonisch, spielt keine Rolle.

Außerdem sollte sich jedes Unternehmen überlegen, ob es nicht zumindest einen Teil seines Angebotes in irgendeiner Form digitalisieren kann.

Ein gutes Beispiel ist ein Freund von mir, der seit Jahren erfolgreich ein Tattoo Studio betreibt. Er musste seinen Laden jetzt erst einmal schließen, bietet seinen Kunden aber an, auch weiterhin Designs für das eigene Wunschtattoo zu erstellen und ihnen dieses vorab per Mail zukommen zu lassen.  Dies ermöglicht ihm weiterhin Einnahmen, aber auch schon konkrete Termine für die Zeit nach Corona.

GründerDaily: Kommt dadurch denn genug rein, um über die Runden zu kommen?

Felix: Ob dies ausreicht, die laufenden Kosten wie die Miete etc. zu tragen, kann ich an dieser Stelle natürlich nicht sagen. Aber es sorgt dafür, am Ball und weiterhin aktiv zu bleiben und die Bindung zu seinen Kunden zu halten.

Ein weiteres Beispiel habe ich aus meinem privaten Bereich: Wir haben im Freundeskreis eine Online-Kneipe ins Leben gerufen, in der wir uns in Webinarform regelmäßig treffen. Das funktioniert super und kommt auch sehr gut an! Warum sollte das nicht auch eine Gaststätte in der aktuellen Zeit auf die Beine stellen können?

Und was wäre, wenn die Gaststätte den Teilnehmern auch noch anbietet, dass Sie ihnen während der Session entsprechende Gerichte direkt nach Hause liefert?

GründerDaily: Lars, wie ist deine Einstellung zur aktuellen Situation?

Lars: Folgenden Spruch hab ich im MBA gelernt:

Market Share is vanity, Profit is sanity, Cash is king.

Das gilt finde ich in guten wie in schlechten Zeiten. Jetzt muss man sehen, dass man für die nächsten Monate ausreichend finanziert ist und dann geben wir richtig Gas. Momentan machen wir viele Aktionen für unsere Kunden, aber richtig los geht es, wenn dieser Wahnsinn vorbei ist.

GründerDaily: Und wie lauten deine Tipps für Selbstständige, Natalja?

Natalja: Ich glaube, jetzt müssen wir uns Gedanken darüber machen, wie wir das alles in Ordnung bekommen. Jeder muss sich disziplinieren und zu Hause bleiben. An manchen Orten merkt man nicht, wie ernst die Lage ist.

Ich habe am Wochenende immer noch Leute gesehen, die sich zum Grillen getroffen haben. Jetzt geht es aber darum, durchzuhalten, zu Hause bleiben, alle Schutzmaßnahmen umsetzen und nicht panisch zu werden.

Starke Nerven zu behalten und zu überlegen, wie wir wieder anfangen, wenn es vorbei ist.

Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen bedanken, die in dieser Zeit arbeiten. Als Handwerker kann ich momentan nicht viel arbeiten, auch nicht im Internet. Aber wir können überlegen, wie wir die Termine legen. Wenn der Kunde krank ist, dann verschieben wir lieber.

Ich glaube, wir respektieren den Körper zu wenig. Das ist nun aber wichtiger denn je. Und ich möchte in Zukunft noch mehr als ohnehin schon auf Hygiene in meinem Geschäft achten.

GründerDaily: Was müssen Selbstständige aus eurer Sicht tun, Sabine und Lydia?

Sabine: Jeder muss das für sich selbst beantworten. Man kann staatliche Hilfen in Anspruch nehmen. Man sollte mehr denn je mit guter Arbeit überzeugen. Vielleicht wird der weniger gute Kollege nun ausgesiebt – und die besseren bleiben im Boot? Auf jeden Fall aber, darüber hinaus, sollte man: positiv denken.

Lydia: Ich bin gerade dabei, Gutscheine mit 50 € zusätzlichem Guthaben online zu verkaufen, um etwas Einnahmen zu generieren. Wir müssen uns jetzt etwas einfallen lassen, um online zu verkaufen.

GründerDaily: Auf welche Hilfen des Bundes, der Länder oder von Initiativen greift ihr zurück?

Lars: Also, wir schauen da noch. Ich hoffe, wir kommen ohne Kreditprogramme da durch. Direkthilfen in jedem Fall, aber Kredite nützen uns nichts, sondern belasten ggf. zukünftiges Wachstum.

Felix: Bisher mussten wir noch auf keine Hilfsprogramme zurückgreifen. Als reines Internetunternehmen sind unsere Fixkosten überschaubar und wir denken, dass wir die nächsten Wochen und Monate auch ohne Einnahme überstehen könnten. Aber natürlich beobachten auch wir die Möglichkeiten, die Bund und Länder hier ins Leben rufen, denn keiner kann sagen, wie lange die Krise anhalten wird.

Ich bin aber durchaus skeptisch, ob jedes der Hilfsprogramme auch so unbürokratisch und schnell angestoßen werden kann, wie es angekündigt wird.

GründerDaily: Auf welche Hilfen greifst du zurück, Natalja?

Natalja: Momentan auf keine. Alle Hilfen und Stellen sind überlastet, wie auch deren Webseiten. Aber ich habe meinen Vermieter ganz höflich angeschrieben und ihn darum gebeten, mir die Miete zu kürzen. Er hat mich direkt angerufen und Verständnis gezeigt.

Meine Miete für April wurde also um 50 Prozent reduziert, das ist eine direkte, menschliche Hilfe. Keine, über die noch geredet wird.

Mein Vermieter hat mir auch ein kleines bisschen die Angst genommen, er war sehr freundlich und meinte: „Wir schaffen das!“. Manchmal braucht es eben nicht nur Geld, sondern auch etwas Gutes für die Psyche.

GründerDaily: Und du, Lydia? Nimmst du als sächsische Unternehmerin das Darlehensprogramm der "Soforthilfe Sachsen" in Anspruch?

Lydia: Einen Kredit von der Sächsischen Aufbaubank (SAB) möchte ich nicht in Anspruch nehmen, ich bin kein Mensch der sich „eine Last ans Bein binden“ möchte. Mich schreckt so etwas eher ab und ruft Angst hervor. Des Weiteren darf dieser Kredit meines Wissens nur für die Betriebsausgaben verwendet werden, meine privaten Kosten dürfen damit nicht gedeckt werden. Nun stellt sich mir die Frage: Wenn ich mir kein Gehalt zahlen darf, wovon soll ich denn selbst leben?

Momentan finde ich die „Finanzspritze“ vom Bund für mich am sinnvollsten.

Ich versuche jedoch seit zwei Tagen, mich in dem Online-Portal der SAB einzuloggen, wo man auch den Bundeszuschuss beantragen kann, und es steht dauerhaft auf Wartungsarbeiten auf meinem Bildschirm. Wenn ich mal eingeloggt bin, bekomme ich Fehlermeldungen. Für das Beantragen braucht der Selbstständige sehr viel Geduld.

GründerDaily: Und du, Sabine?

Sabine: Bislang auf keine. Noch bin ich in der glücklichen Lage, dies nicht zu müssen. Ich hoffe, dass es so bleibt.

GründerDaily: Welche Tipps habt ihr für andere Selbstständige in der aktuellen Situation?

Lydia: Versucht, Ausgaben, die pausiert oder kurzfristig gekündigt werden können, zu reduzieren. Dabei natürlich schauen, ob diese notwendig sind oder nicht. Verfolgt die Medien über Unterstützung und kontaktiert euren Steuerberater, der kann euch sicher auch gut beraten und behilflich sein bei Anträgen.

Natalja: Ruhe bewahren, keine Schnellschüsse oder vorschnellen Entscheidung.

In so einer Situation einen kühlen Kopf behalten, vielleicht umstrukturieren, Webinare und Seminare über das Internet nehmen.

Viele in unserer Branche wissen, wie man Haare schneidet und färbt. Aber sie wissen nicht, wie sie ihr Geschäft weiterbringen, wie sie Management machen. Das sind Dinge, die jeder Chef beherrschen muss.

GründerDaily: Du siehst das ähnlich, Felix?

Felix: Ich glaube auch, dass es ist wichtig, einen kühlen Kopf zu behalten und um die Ecke zu denken. Leichter gesagt, als getan.

Für mich persönlich ist es unheimlich wichtig, auch weiterhin zur Arbeit zu gehen, selbst wenn es der Weg ins Homeoffice ist.

Jeder Unternehmer kennt es, es gibt immer Projekte, die man im Alltagsstress vor sich hergeschoben hat.

Vielleicht gibt es ja die eine oder andere Baustelle, für die man jetzt endlich die Zeit findet. Wir schieben z. B. seit Wochen eine Überarbeitung unsere Mediadaten und Teilen unserer Webseiten vor uns her, Projekte die sich perfekt auf digitalem Weg bearbeiten lassen. Wo es die Zeit zulässt, rücken wir diese Themen eben jetzt in den Fokus.

Ein weiterer wichtiger Punkt, wenn es finanziell eng wird, ist es, frühzeitig das Gespräch mit der anderen Partei zu suchen. Egal, ob es sich um die Bank, den Vermieter oder den Lieferanten handelt. Ich glaube, in der aktuellen Zeit sind alle gesprächsbereit, denn auch deren Geschäfte müssen weiterlaufen und jeder weiß, dass es eine Zeit nach Corona geben wird.

GründerDaily: Lars, was empfiehlst du?

Lars: Sich verrückt machen bringt jetzt nichts. Ich glaube, man kann sich jetzt im Detail verlieren, weil in Krisen immer viel zu tun ist, aber das meiste davon hat einen begrenzten Nutzen. Finanzierung sichern, Leute beruhigen, Wiedereinstieg vorbereiten, Attacke!

GründerDaily: Last, but not least: Was ist dein Tipp, Sabine?

Sabine: Alle Hilfsangebote checken. Wenn sie passend sind: das Formular ausfüllen, alle geforderten Unterlagen anhängen und so schnell wie möglich wegschicken.

Ferner: Die Verlage bzw. Auftraggeber, für die man arbeitet, direkt fragen: Braucht ihr mich? Ich bin gerne bereit, Aufgaben zu übernehmen.

Wenn es ganz hart kommt: fachfremd arbeiten. Der Lebensmittelladen ums Eck sucht Aushilfen!

GründerDaily: Herzlichen Dank für eure Offenheit, viel Erfolg und bleibt gesund!

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