4 Milliarden Euro Frankfurter Buchmesse: Warum der Buchhandel trotz Krise mehr verdient

Der stille Abschied vom Lieblingsladen
Ein vertrauter Ort verschwindet: der Buchladen um die Ecke. Zwischen Cafés, Boutiquen und leerstehenden Geschäften hat der Einzelhandel mit Büchern an Boden verloren. Laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) gab es im Jahr 2023 nur noch rund 2.980 Bucheinzelhändler in Deutschland. Fünf Jahre zuvor waren es noch knapp 3.930 Unternehmen, ein Rückgang um 24 %.
Die Meldung erscheint pünktlich zur Frankfurter Buchmesse, die traditionell den Zustand der Branche spiegelt. Doch während die Zahl der Geschäfte sinkt, zeigen die Umsatzzahlen ein ganz anderes Bild: Der Buchhandel erwirtschaftete 2023 rund 4 Milliarden Euro Umsatz, rund 9 % mehr als 2018.
Auch Zahl der Beschäftigten sinkt
Auch die Beschäftigtenzahlen belegen den Rückzug aus der Fläche: 2018 arbeiteten rund 28.000 Personen im deutschen Bucheinzelhandel, 2023 waren es nur noch 22.620, ein Minus von 19 %. Der wachsende Umsatz der Branche erscheint vor diesen Zahlen als Widerspruch. Doch die Ursache ist klar: Eine rasant fortschreitende Marktkonzentration zu Gunsten mächtiger Ketten und Onlineanbieter. Kleine, unabhängige Läden haben nicht nur mit hohen Mieten und Personalkosten zu kämpfen. Sie werden auch zunehmend von Wettbewerbern verdrängt, die Skaleneffekte und Onlinepräsenz nutzen.
Der Onlinehandel wächst unaufhaltsam. Der Internet-Buchhandel verzeichnete 2023 einen Umsatzanstieg von 5,5 %. Sein Anteil am Gesamtmarkt liegt stabil über 40 %. Damit wird deutlich: Viele Verbraucher verlagern ihre Buchkäufe ins Netz, und große Händler profitieren davon besonders stark. Gleichzeitig verlieren stationäre Sortimentsbuchhandlungen deutlich an Bedeutung. Zwischen 2013 und 2023 sank ihr Umsatzanteil von 48,6 % auf 41,8 % des Gesamtbuchhandels. Kleine Läden spüren diesen Trend besonders schmerzhaft: Sie können oft nicht mit den Preis-, Logistik- und Marketingstrukturen großer Ketten konkurrieren.
Thalia: Bücherriese im Aufwind
Ein Beispiel für solch eine Kette ist Thalia: Mit über 340 Filialen in Deutschland und einem Umsatz von etwa 1,9 Milliarden Euro (2023/24) gilt sie als einer der Marktführer. Thalia arbeitet zudem mit Omnichannel-Strategien, Onlineangeboten und Übernahmen wie jenem von Weltbild. Strategien, die kleinen Buchhandlungen oft verwehrt bleiben.
Dieser strukturelle Wandel hat ein klares Gesicht: Die Fläche schrumpft, Arbeitsplätze verschwinden und der Gewinn wandert zu jenen, die in großem Stil operieren. Für viele kleinere Buchhandlungen gibt es kaum mehr Spielraum zwischen Effizienzdruck und Überlebenskampf.
Warum der Buchhandel trotzdem nicht am Ende ist
Wer die Zahlen liest, könnte meinen: Der stationäre Buchhandel hat ausgedient. Doch die Branche zeigt sich erstaunlich anpassungsfähig. Viele Buchhandlungen haben ihr Geschäftsmodell verändert: Sie sind Erlebnisorte geworden. Zwischen Lesecafé, Signierstunde und Schreibwarenabteilung schaffen sie eine Nähe, die Onlineplattformen nicht bieten können. Zugleich nutzen immer mehr Buchläden digitale Kanäle: eigene Online-Shops, Social Media, Newsletter und lokale Zustelldienste.
So profitieren manche stationäre Händler vom Onlineboom bei Büchern. Sie kombinieren den physischen Laden mit digitalen Services. Das Ergebnis: Der Buchhandel ist kleiner geworden, aber nicht schwächer. Er ist digitaler, konzentrierter und anpassungsfähiger als viele vermuten.
Nachwuchs ist weiblich
Während die Unternehmenszahlen sinken, bleibt der Nachwuchs stabil, zumindest langfristig. 2024 starteten laut Destatis knapp 490 Personen eine Ausbildung zum Buchhändler oder zur Buchhändlerin. Das sind etwas weniger als im Jahr zuvor (500), aber etwas mehr als vor zehn Jahren (470 im Jahr 2014).
Auffällig ist vor allem der hohe Frauenanteil: Mit 87 % lag er 2024 auf dem höchsten Niveau der vergangenen Dekade. Der Buchhandel bleibt damit eine der weiblichsten Branchen im deutschen Einzelhandel.
Doch auch hier steht die Zeit nicht still. Digitalisierung, Online-Marketing und Datenkompetenz gewinnen an Bedeutung. Junge Buchhändlerinnen übernehmen heute nicht nur das Schaufenster, sondern auch den Webshop und die Social-Kanäle ihres Unternehmens.
Das Berufsbild wandelt sich vom Verkäufer hin zum Community-Builder: Menschen, die Bücher kuratieren, Geschichten erzählen und Kundenbindung neu denken.
Krise als Katalysator?
Die neue Statistik aus Wiesbaden zeichnet ein klares Bild: Der deutsche Buchhandel ist geschrumpft, aber stärker denn je fokussiert. Aus der Krise ist eine neue Effizienz entstanden. Weniger Läden, weniger Personal, aber stabiler Umsatz.
Was nach Rückgang aussieht, ist in Wahrheit ein Wandel: Der Übergang vom klassischen Einzelhandel zum hybriden Erlebnismarkt, in dem Leidenschaft, Lokalkolorit und digitale Reichweite zusammenfinden. Für viele Branchen gilt dasselbe Prinzip. Nicht der Rückgang ist gefährlich – sondern das Stehenbleiben.
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Quellen:
Börsenblatt: Thalia meldet erneut Umsatzrekord, Die offiziellen Zahlen für den Buchmarkt 2023 sind da, Buchhandlungen
handelsdaten.de: Buchhandel
Statistisches Bundesamt: Zahl der Bucheinzelhändler binnen fünf Jahren um 24 % gesunken