Unter Menschen mit Einfluss wie Politikern und Unternehmern gibt es überdurchschnittlich viele Narzissten. Gehört ihr auch dazu? An diesen Merkmalen erkennt ihr, ob ihr ein Narzisst seid.
Narzissmus ist längst salonfähig: Social Media fördern den Trend der Selbstdarstellung, die Unternehmer bis zu einem gewissen Grad auch brauchen. (Foto: Unsplash)
Unter Narzissmus wird eine stark übersteigerte Ich-Bezogenheit verstanden. Damit einher gehen Eigenschaften wie Egoismus, Arroganz, fehlende Empathie, Geltungsdrang und Größenwahn, aber auch ein hohes Charisma und Ausstrahlung. Narzissten wirken äußerst selbstbewusst, sind in Wahrheit jedoch sehr fragil in ihrem Selbstwertgefühl und brauchen permanente Bestätigung von außen.
Beim pathologischen Narzissmus handelt es sich um eine therapiebedürftige Persönlichkeitsstörung, unter der 0,4 % der deutschen Bevölkerung leiden, wenngleich der durchschnittliche Anteil stark narzisstischer Personen im Leadership-Bereich höher ausfällt, da narzisstische Eigenschaften wie hohe Leistungsbereitschaft, das Streben nach Anerkennung, hohe Durchsetzungsfähigkeit und Rücksichtslosigkeit beim Aufstieg oftmals dienlich sind.
Der Begriff Narzisst wird in den Medien mittlerweile inflationär verwendet. Dabei sind nur wenige Menschen waschechte Narzissten, wohingegen fast jeder Mensch narzisstische Persönlichkeitsanteile hat, die sich zum Beispiel in der Freude an der Selbstdarstellung in sozialen Netzwerken und dem Wunsch nach Anerkennung ausdrücken. Das lässt sich an folgendem Beispiel verdeutlichen:
Auf Instagram zu posten und auf Likes zu hoffen, ist narzisstisch, doch nicht jeder Instagrammer ist deshalb ein Narzisst.
Grundsätzlich kann gesagt werden: Wenn ihr euch ernsthaft die Frage stellt, ob ihr Narzissten seid, lautet die Antwort höchstwahrscheinlich nein. Der Grund ist, dass Narzissten sich selbst und ihr übertriebenes Bild nicht infrage stellen.
Spannend wiederum ist eure Reaktion, wenn ihr gefragt werdet, ob ihr Narzissten seid. US-Psychologen hatten in elf Studien ermittelt, dass dies tatsächlich der einfachste Weg ist, Narzissten zu entlarven. Diese geben ihre Selbstverliebtheit nämlich gern zu, da sie darin keinen Makel oder gar eine Persönlichkeitsstörung, sondern eine tolle Eigenschaft sehen.
Jeder Mensch hat narzisstische Anteile, die ihm im Berufsalltag helfen. Ohne sie wären Pitches, Vorträge, Webinare etc. kaum möglich, denn diese Anteile unserer Persönlichkeit animieren uns dazu, uns zeigen und präsentieren zu wollen. Als Unternehmer sind diese Eigenschaften unerlässlich, so auch ein starkes Selbstbewusstsein.
Bis zu einem gewissen Grad ist Narzissmus also ganz normal und gesund, doch sind die Grenzen zum krankhaften Narzissmus fließend. Bedenklich wird er immer dann, wenn euer Narzissmus für euch oder eure Mitmenschen zum Problem wird.
Ihr wollt wissen, ob ihr selbst narzisstisch führt? Anhand dieser Merkmale könnt ihr es erkennen:
Wohl jeder Unternehmer freut sich über einen guten Ruf und hohes Ansehen in der Gesellschaft, bei den Kunden und dem eigenen Team. Geratet ihr jedoch in Panik, wenn ihr vor dem Zoom-Meeting einen Kaffeefleck auf der Hose bemerkt oder stürzt ihr in eine Selbstwertkrise, wenn ein Mitarbeiter sich kritisch über euer Verhalten äußert, legt ihr wahrscheinlich zu viel Wert auf die Wirkung, die ihr im Außen habt.
Ihr bittet um Feedback, seid aber jedes Mal gekränkt, wenn ihr es tatsächlich erhaltet? Kritik über sich selbst zu hören, ist für die meisten Menschen unangenehm. Sie rüttelt an unserem Selbstbild, das wir lieber durch Komplimente gestärkt sehen.
Wer bei jedweder konstruktiver Kritik jedoch mit Abwehr oder Rechtfertigung reagiert, ist nicht kritikfähig. Hintergrund kann sein, dass Kritik am eigenen Verhalten mit Kritik an der eigenen Person gleichgesetzt wird. Entsprechend hat der Narzisst eine Taktik hierfür parat:
Ein Projekt ist nicht gelaufen wie gewünscht? Ist doch klar, wer "Schuld" hat. Ein Narzisst würde sagen:
Auf jeden Fall nicht ich.
Schuld haben im Weltbild des Narzissten immer die anderen: geizige Kunden, unzuverlässige Geschäftspartner, faule Mitarbeiter. Der Führungskraft geht es dabei nicht um eine Klärung von Verantwortung oder darum, gemeinsam aus Fehlern zu lernen, sondern um einen Sündenbock.
Ertappt ihr euch auch regelmäßig dabei, die Schuld bei anderen Menschen zu suchen? Und fragt ihr euch vergleichsweise selten, wo euer Anteil an einem Misslingen lag? Das ist ein klares Zeichen für Narzissmus.
Ihr habt eure hoch gesteckten Ziele erreicht und freut euch darüber. Doch irgendwie ist diese Freude nur von kurzer Dauer, sie fühlt sich oberflächlich an. Schnell fühlt ihr euch wieder wie so oft: innerlich leer. Das liegt daran, dass der Erfolg von außen die innere Leere, die Narzissten tief in ihrem Inneren verspüren, nicht füllen kann.
Wenn es euch auch oft so geht, dann lohnt sich eine Selbstreflexion, um eine eventuell vorhandene Leere überhaupt als solche einmal wahrzunehmen und innezuhalten.
Rein rational wisst ihr, dass ihr euch um die Belange von Mitarbeitern kümmern müsst. Aber nur aus dem Grund, weil ihr die Kollegen im wahrsten Sinne des Wortes als Human Resource seht, die es auszuschöpfen gilt. Eine persönliche Bindung entsteht dabei nicht und ist auch nicht von euch beabsichtigt.
Wenn es euch kalt lässt, ob die alleinerziehende Mutter im Team überlastet ist oder sich der neue Mitarbeiter nicht willkommen fühlt, könnte das ein Hinweis auf fehlende Empathie und damit auf Narzissmus sein.
Keiner in eurer Umgebung kann eure Gedanken, Pläne und Ideen nachvollziehen, obwohl ihr sie zig mal erklärt habt? Habt ihr daraufhin das Gefühl, dass die Dinge nur dann richtig gemacht werden, wenn ihr sie macht? Anderen nichts zuzutrauen und keine Aufgaben an sie zu delegieren, kann aus dem narzisstischen Gefühl der Allmacht heraus entstehen, selbst alles am besten zu können.
Mitarbeiter betonen regelmäßig, wie toll, großartig und intelligent ihr seid? Dann habt ihr entweder ein Team, das weiß, wie wichtig Wertschätzung ist. Oder die Mitarbeiter haben herausgefunden, dass ihr auf diesem Wege manipulierbar seid.
Wer hört als Führungskraft nicht gern:
Chef, das ist ja wieder mal klasse, wie Sie das gewuppt haben!
Aufhorchen solltet ihr allerdings, wenn nach diesen Komplimenten sofort um etwas gebeten wird. In diesem Beispiel etwa:
Chef, Sie sind ja ein Experte auf diesem Gebiet, Sie beherrschen das viel besser als ich. Könnten Sie diese Aufgabe daher übernehmen? Geht ja dann auch viel schneller, wenn Sie als Profi sich darum kümmern.
Wer so argumentiert, will mehr oder weniger subtil zurückdelegieren. Wer als Chef darauf hereinfällt, wird seine an Mitarbeiter verteilten Aufgaben schnell wieder auf dem eigenen Schreibtisch vorfinden.
In den folgenden Bereichen können narzisstische Züge, sofern sie noch nicht pathologisch sind, hilfreich sein:
Demgegenüber gibt es jedoch auch Situationen, in denen Narzissmus nicht hilfreich ist:
Wir möchten es noch einmal betonen: Wer einige der obigen Anzeichen bei sich erkennt, ist nicht gleich ein Narzisst. Beobachtet ihr aber mehrere starke Tendenzen, lohnt es sich, genauer hinzuschauen. Allerdings fällt es Narzissten sehr schwer, sich den eigenen Narzissmus einzugestehen bzw. diesen überhaupt zu erkennen. Wer kommt schon auf die Idee, an sich zu zweifeln, wenn er sich selbst für großartig hält?
Falls ihr einen Verdacht habt, sucht euch die Unterstützung durch einen Experten zu dem Thema. Ist der Narzissmus besonders stark ausgeprägt, gehört dieser therapeutisch behandelt.
Es gibt fundierte wissenschaftliche Tests, mit denen ihr narzisstische Tendenzen bei euch erkennen könnt. Eine Diagnose stellen diese Tests jedoch nicht dar, die fachliche Einschätzung muss immer von einem entsprechenden Experten vorgenommen werden. Unsere Checkliste hilft euch jedoch dabei, Narzissmus bei euch selbst zu erkennen. Die Checkliste basiert auf dem Narcissistic Personality Inventory, kurz NPI-d, einem international anerkannten Test.
Hier könnt ihr den Narzissmus-Test kostenlos als PDF-Checkliste herunterladen.