Glutenfrei in Handarbeit: ganz ohne Investor zur eigenen Manufaktur

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Immer mehr Menschen ernähren sich glutenfrei, weil sie das Klebereiweiß im Getreide nicht vertragen. Obwohl das Angebot an glutenfreien Produkten in den letzten Jahren stetig gewachsen ist, ist es vor allem für Zöliakie-Betroffene immer noch schwer, frische Backwaren zu erhalten. Wir sprachen mit Gründer Daniel Vetterkind von Panista über seine Motivation, einen auf glutenfreie Backwaren spezialisierten Handel zu gründen und welche Schwierigkeiten sich in der Frei-von-Food-Branche ergeben.

 

GründerDaily: Hallo Daniel, Panista bietet glutenfreie Backwaren an, die entweder frisch oder als Mehlmischungen zum Selberbacken zu kaufen sind. Wie seid ihr auf die Idee gekommen?

Daniel von Panista: Zum einen durch Menschen in unserem Bekanntenkreis. Wir haben einige Bekannte und Freunde, die an Unverträglichkeiten leiden. Und es tut mir immer leid zu sehen, wie diese ihr weniger appetitlich aussehendes Brot oder Brötchen aus einer Plastiktüte rausholen, während ich mein frisches und saftiges Brot vom Bäcker essen kann. Zum anderen bin ich über einen Freund auf das Thema glutenfrei im Speziellen gestoßen. Er ist Lebensmitteltechnologe und hat mir aus seiner Forschung von leidvollen Erfahrungen mit glutenfreien Backwaren berichtet.

Ich habe mir dann selbst glutenfreie Backwaren aus dem Supermarktregal gekauft. Für meinen Geschmack hatte das nichts mit Brot zu tun. Und satt wurde ich davon auch nicht.

Ich habe dann eine Umfrage unter 400 Menschen gestartet, die an der Autoimmunkrankheit Zöliakie oder an Unverträglichkeiten leiden, um herauszufinden, ob wirklich ein Bedarf da ist. Das Ergebnis dieser Marktforschung hat meinen Verdacht bestätigt – es gibt bei vielen Produkten in Bezug auf die Qualität deutlich Luft nach oben.

GründerDaily: Wer steckt alles hinter Panista? Stelle uns doch kurz euer Team vor.

Daniel von Panista: Wir haben unser Start-up zu zweit gegründet und hatten damit eigentlich die idealen Voraussetzungen. Mein Geschäftspartner ist seit mehr als dreißig Jahren Bäckermeister und er hatte lange eine eigene Bäckerei. Er ist damit unser Experte für Einkauf, Produktentwicklung, Produktion und Logistik. Sein Know-how und seine Erfahrung als Bäckermeister helfen uns extrem.

Ich hingegen bringe das betriebswirtschaftliche Wissen mit. Als Marketing Manager habe ich mehr als zehn Jahre in unterschiedlichen Unternehmen (B2C und B2B) in Marketing und Vertrieb gearbeitet und kann mich damit insbesondere in Vermarktung, Vertrieb und Finanzen einbringen. Ich habe vor allem viel Erfahrung im E-Commerce und kann in dem Bereich viel selbst und ohne Agenturen umsetzen. Das spart uns viel Geld und bringt uns schnell voran.

Zudem werden wir unterstützt durch unser Bäckerteam, was ebenfalls viel Erfahrung mitbringt. In unserer Manufaktur arbeiten noch zwei Bäckerinnen und eine Aushilfe, die unsere Mehl- und Backmischungen herstellt.

Panista Für das glutenfreie Brot nach Vollkornart hat Panista den Free From Food Award 2018 gewonnen. (Foto: Panista)

GründerDaily: Als wir die Panista-Backwaren getestet haben, waren wir wirklich überrascht. Das Brot schmeckte zum Beispiel tatsächlich wie Brot: lecker, frisch, fluffig. Im Bereich der glutenfreien Produkte nicht unbedingt die Regel. Was ist euer Geheimnis?

Daniel von Panista: Ich denke, unser Vorteil liegt darin, dass mein Geschäftspartner Rudolf Pristl lange glutenhaltige Backwaren hergestellt und damit auch den Anspruch hat, dass glutenfreie Backwaren schmecken müssen wie normales Brot oder Brötchen. Letztlich waren zahlreiche Versuche und Experimente notwendig, bis wir zu diesem Ergebnis gekommen sind. Wir versuchen zum Beispiel, auf Geschmacksträger wie Mais zu verzichten. Die meisten anderen glutenfreien Backwaren werden mit Mais oder Weizenstärke hergestellt. Zudem arbeiten wir mit Zutaten, die uns ein gutes Geschmackserlebnis ermöglichen. Hier kommt es auf das richtige Mischverhältnis der Zutaten, die richtige Lagerung und Ruhezeit der Teige sowie die richtige Backzeit an. Hinter alldem steckt viel Erfahrung und Wissen.

GründerDaily: Welche Schwierigkeiten gibt es denn bei der Herstellung von glutenfreien Backwaren?

Daniel von Panista: Die Schwierigkeit liegt darin, dass kein Gluten enthalten ist. Gluten ist ein Klebereiweiß und ist in vielen der üblichen Getreidesorten wie Weizen, Roggen, Gerste oder Dinkel enthalten. Es sorgt dafür, dass der Teig feucht und weich wird. Glutenfreie Teige werden schnell hart und bröselig. Das bedeutet, man muss Gluten durch andere Zutaten wie unterschiedliche Mehle, Binde- und Verdickungsmittel kompensieren. Und man muss, wie schon gesagt, den Backvorgang komplett umstellen: Mischverhältnis, Ruhe- und Backzeiten, etc. Der komplette Verarbeitungsprozess muss angepasst werden.

GründerDaily: Gerade für Menschen, die an Zöliakie – einer Autoimmunerkrankung, die eine strenge glutenfreie Diät vorschreibt – leiden, sind gute Ersatzprodukte extrem wichtig. Hier sind aber auch viele Vorschriften bezüglich der Kontamination mit glutenhaltigen Backmitteln einzuhalten. Achtet ihr auf die spurenfreie Herstellung der Backwaren? Welche Schwierigkeiten ergaben sich da auch hinsichtlich Zertifizierung?

Daniel von Panista: Das Wichtigste zuerst:

Unsere Backwaren sind AOECS-zertifiziert. Die AOECS (Association of European Coeliac Societies) ist die Dachorganisation, die alle Interessen von zöliakiekranken Menschen in Europa vertritt.

Die AOECS ist Eigentümer und Lizenzgeber des offiziellen Glutenfrei-Symbols, das nur die Hersteller auf ihre Verpackungen drucken dürfen, die ein aufwändiges Zertifizierungsverfahren durchlaufen haben.

Dazu muss jedes Produkt in einem Labor nach einem von der AOECS vorgegebenen Prüfverfahren untersucht werden. Wenn das Labor bestätigt, dass die Produkte glutenfrei sind, erhält man einen Lizenzvertrag und für jedes Produkt eine eigene Lizenznummer und darf diese als glutenfrei bezeichnen. Dieses Prozedere muss jedes Jahr durchgeführt werden.

Darüber hinaus überprüfen wir unsere Lieferanten regelmäßig. Diese müssen anhand ihrer Produktspezifikation ebenfalls nachweisen, dass ihre Produkte garantiert glutenfrei sind. Da wir bei Panista ausschließlich glutenfreie Backwaren herstellen, ist zudem sichergestellt, dass es zu keiner Kontamination kommt. Hygiene-Vorschriften für die Herstellung von Lebensmitteln sorgen dafür, dass auch unsere Mitarbeiter keine Geräte oder Produkte in unserer Produktion kontaminieren.

GründerDaily: Der Anteil an Menschen mit Zöliakie ist in Deutschland eher gering. Dazu kommen aber Menschen mit einer Allergie oder Glutensensitivität. Ist eure Zielgruppe groß genug, um dauerhaft wirtschaftlich zu bleiben?

Daniel von Panista: Neue Studien haben ergeben, dass circa ein bis zwei Prozent von der Autoimmunkrankheit Zöliakie betroffen sind. Somit ernähren sich in Deutschland ca. 800.000 bis 1 Million Menschen glutenfrei. Hinzu kommen Menschen, die sich freiwillig glutenfrei ernähren oder eine Unverträglichkeit haben. Außerdem sind unsere Produkte zum großen Teil vegan und laktosefrei. Damit sprechen wir von einer deutlich größeren Zielgruppe, als man zunächst denkt. Weiterhin haben wir Pläne für die Expansion ins Ausland. Wir setzen nicht alleine auf den deutschen Markt.

Panista Gründer und Geschäftsführer Daniel Vetterkind von Panista (unter der Granny's eFood GmbH). (Foto: Panista)

GründerDaily: Du hast es schon erwähnt: Abgesehen von den Menschen, die gesundheitlich auf Gluten reagieren, gibt es auch immer mehr Leute, die freiwillig auf Gluten verzichten. Profitiert ihr von dem Gesundheitstrend und was ist, wenn der irgendwann abebbt?

Daniel von Panista: Mit Sicherheit kaufen bei uns auch Menschen ihre Produkte, die sich nicht glutenfrei ernähren müssten. Aber das ist nicht unsere Kernzielgruppe. Wir haben unser Unternehmen nicht gegründet, weil es gerade einen Trend gibt. Dann hätten wir bereits vor zwei bis drei Jahren auf dem Markt sein müssen. Da hatte dieser Trend seinen Höhepunkt erreicht. Somit mache ich mir keine Sorgen, dass uns irgendwann die Käufer wegbrechen.

In anderen Ländern ist der Anteil der Menschen mit Zöliakie und Glutensensivität zudem deutlich größer als in Deutschland. In Skandinavien sprechen wir hier von zwei bis drei Prozent. Auch in Großbritannien, in Italien und in den USA ist die Zielgruppe deutlich größer.

GründerDaily: Wo erhält man die Panista-Backwaren und stehen weitere Vertriebsmöglichkeiten in Aussicht?

Daniel von Panista: Derzeit kann man unsere Produkte über unseren Online-Shop bestellen. Außerdem erhält man sie bei den großen Frei-von-Online-Shops wie zum Beispiel foodoase.de, glutenfreigeniessen.de oder querfood.de – dem größten Player der Branche. Außerdem wird es unsere Produkte demnächst im Handel zu kaufen geben. Mehr können wir jedoch heute noch nicht verraten.

Ich rechne aber fest damit, dass ihr unsere Produkte ab dem vierten Quartal 2018 auch bei einigen bekannten Geschäften entdecken könnt.

GründerDaily: Ein Brot kostet bei euch zwischen 4,50 Euro und 7,50 Euro - nicht gerade günstig. Dann kommen noch die Versandkosten oben drauf. Wie rechtfertigt sich der hohe Preis?

Daniel von Panista: Die Herstellung glutenfreier Backwaren ist teurer und aufwändiger. Bereits Zutaten wie Reismehl oder Teffmehl sind teurer als Weizenmehl. Wir haben zudem längere Rüstzeiten und brauchen auch bei unseren Mitarbeitern ein besonderes Know-how und viel Erfahrung. Ein Bäcker, der mit Weizenmehl backen kann, beherrscht noch lange nicht das Backen von glutenfreien Produkten. Aber geht mal zu einem guten Handwerksbäcker bei euch in der Stadt. Da werdet ihr sehen, dass wir preislich bei manchen Brotsorten nicht so weit auseinanderliegen. Bei einem unserer größten Filialbäcker in Stuttgart kosten 500g Dinkelvollkornbrot 4,50 Euro.

GründerDaily: Apropos Geld, wie habt ihr euch finanziert?

Daniel von Panista: Wir haben uns ausschließlich selbst sowie mit einem Kredit unserer Hausbank finanziert. Zudem habe ich privat einen Kredit aufgenommen, um die Gründungsinvestitionen stemmen zu können. Wir möchten, wenn es möglich ist, keine Investoren an Bord haben. Es sei denn, wir finden ein Unternehmen oder einen Business Angel, der von unserem Thema Ahnung hat und uns auch mit Know-how und Erfahrung unterstützen kann. Das ist nicht einfach. Bei vielen mangelt es schon am Verständnis unseres Produktes und unserer Zielgruppe. Ein Business Angel sagte mal zu uns:

Ihr habt ja keine Ahnung vom Lebensmittelmarkt. Wenn die Gesundheitsfreaks morgen auf einen anderen Trend aufspringen, seid ihr pleite.

Bei einer solchen Aussage ist jede weitere Diskussion sinnlos.

GründerDaily: Danke für das Gespräch!

Keyfacts über Granny's eFood GmbH/Panista:

  • Gegründet im Jahr: 2017
  • Firmensitz in: Verwaltung in Stuttgart, Produktion bei Ludwigsburg
  • Unser aktuelles Team besteht aus:
    • Rudolf, Bäckermeister und Gesellschafter
    • Kerstin, Bäckerin
    • Heike, Bäckerin
    • Inka, Mehl- und Backmischungen
    • Marie, unser Corporate Blog
    • Daniel, Gründer und geschäftsführender Gesellschafter
  • Die erste Finanzierung erfolgte durch/über: Eigenkapital und Fremdkapital
  • Besonders geholfen haben mir/uns bisher: Unsere Freunde und unser Team
  • Besonders wichtig im Arbeitsalltag sind für mich/uns folgende:
    • Menschen: unsere Freunde, Familien und unser Team, die an uns glauben und uns mit allem unterstützen, was in ihren Möglichkeiten liegt
    • Tools: Office 365, activecollab, lexoffice, unser Shopware Backend, Businessplan-Tools von fuer-gruender.de
    • Internetseiten: fuer-gruender.de, ngin-food.com, flyeralarm.com, amazon.de
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