Start-up rettet Obst und Gemüse

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Inspiration

Aus einem Studienprojekt wurde ein Start-up mit Tiefgang: Um der Lebensmittelverschwendung vorzubeugen, sammeln die drei Gründer von ResteRitter Obst und Gemüse mit Makeln. Daraus werden dann Marmeladen, Chutneys und Fruchtaufstriche hergestellt, die in ganz Schleswig-Holstein vermarktet werden. 

 

GründerDaily: Hallo Moritz, das Wort „Nachhaltigkeit“ wird heute schon fast inflationär gebraucht. Was bedeutet Nachhaltigkeit für dich?

Moritz von ResteRitter: Nachhaltigkeit ist für mich keine Entscheidung für oder gegen etwas, es ist die Basis unseres Zusammenlebens. Und wir haben jetzt die letzte Chance, dieses Zusammenleben zu sichern.

Es gibt viele gute Konzepte zur Nachhaltigkeit, denen ich oft zustimmen kann. Besonders wichtig ist mir dabei, dass wir alle unsere Lebensbereiche und Routinen hinterfragen müssen. Es geht nicht darum, nur zu verzichten. In kleinen Bereichen anzufangen und Alternativen für schädliches Verhalten einführen, ist schon ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Gleichzeitig bedeutet das auch, die Menschen aufzuklären und in Entscheidungsprozessen zu zukunftsfähigem Handeln zu befähigen. Nachhaltigkeit heißt für mich, gemeinsam und nicht gegeneinander zu wirtschaften.

Wir müssen versuchen, die Welt ein bisschen besser zurückzulassen, als wir sie vorgefunden haben.

Die drei Gründer von ResteRitter vermitteln mit ihrem Start-up ein Grundverständnis von Nachhaltigkeit (Foto: Heidi Krautwald).

GründerDaily: Gemeinsam mit Nick Eßwein und Oke Hansen hast du die ResteRitter gegründet. Ihr verarbeitet Obst und Gemüse, das andernfalls entsorgt würde. Wie kam es zu dieser Idee?

Moritz von ResteRitter: Wir drei haben uns während unseres Geographiestudiums in Kiel kennengelernt. Nick und ich hatten schon vor unserem Studium einige Projekte zur Lebensmittelverschwendung durchgeführt. Sei es bei den Pfadfindern oder während dem FÖJ.

Im Rahmen des Studiums hatten wir die Aufgabenstellung,

eine unternehmerische Lösung für soziale und ökologische Probleme zu entwickeln.

Infiziert von dem Problem der Lebensmittelverschwendung, haben wir hier in Kiel über den MachMittag e.V. das Problem des Kinderhungers in Deutschland kennengelernt. Daran angelehnt, haben wir dann im Rahmen des Moduls die Idee der ResteRitter entwickelt. Unsere Prüfungsleistung war gleichzeitig die Projektskizze für den Yooweedoo-Ideenwettbewerb und unser erster Entwurf eines groben Business-Models. Anschließend hatten wir die Möglichkeit, die Idee im Rahmen unseres Studienprojekts ein halbes Jahr zu testen. Wir haben die ersten Produkte gekocht, eine Schnibbelparty durchgeführt und gleichzeitig auch noch ECTS dafür bekommen.

GründerDaily: Ihr habt während des Studiums gegründet. Wie hat euer Umfeld das aufgenommen?

Moritz von ResteRitter: In den ersten Monaten war das Projekt ein großer Teil unseres Studiums und wir haben dafür auch Leistungspunkte bekommen. Dadurch war die erste Phase für unser Umfeld hauptsächlich ein total praxisorientiertes Studium.

Unterstützt, durch die vielen Presseberichte und die Nachhaltigkeitspreise, wurde denen aber fast schneller klar als uns selber, dass aus der Idee etwas Großes werden wird.

Seitdem haben wir aber nur positive Reaktionen erhalten und auch sehr viel tatkräftige Unterstützung erhalten, ohne die wir heute noch lange nicht da wären, wo wir jetzt sind.

GründerDaily: Die Lebensmittel, die ihr weiterverarbeitet, bezieht ihr unter anderem von einem lokalen Großhändler. Wie kam es zu dieser Kooperation?

Moritz von ResteRitter: Unsere ersten Produkte hatten wir im Herbst 2017 aus gerettetem Obst aus Kieler Kleingärten gekocht und angefangen zu verkaufen. Aufgrund des vielen guten Feedbacks und den ersten kleinen Presseartikeln, war uns schnell klar, dass noch viel Potenzial in der Idee steckt.

Aus dem Obst und Gemüse kocht ResteRitter Fruchtaufstriche, Chutneys, und Säfte (Foto: Heidi Krautwald).

Da Nick vor einigen Jahren für die Tierhilfe, beim Obst und Gemüsegroßhändler Brötzmann KG, Lebensmittel abgeholt hatte, sind wir dort vorbeigefahren. Obwohl wir zu diesem Zeitpunkt erst ein paar Wochen dabei waren, standen uns bei dem neuen Geschäftsführer Thorben Stampe sofort alle Türen offen.

Am nächsten Tag konnten wir schon die ersten Kisten Obst und Gemüse abholen, weil sie

aufgrund von kleinen optischen Makeln auch nicht mehr als zweite Wahl verkauft werden konnten.

Darüber hinaus haben wir auch einen wichtigen Geschäftspartner und Unterstützer gefunden. So vertreibt Brötzmann unsere Produkte in ganz Schleswig-Holstein, aber unterstützt uns auch praktisch, indem wir unsere Paletten Gläser lagern oder spontan einen Sprinter ausleihen können. Gemeinsam treten wir auf vielen Veranstaltungen und Messen auf und stellen unseren gemeinsamen Kreislauf und unser Verständnis von Nachhaltigkeit dar.

GründerDaily: Wie und wo vertreibt ihr eure Produkte?

Moritz von ResteRitter: Unsere Produkte vertreiben wir aktuell vor allem bei uns in der Region. In Kiel und Umgebung sind sie in ganz verschiedenen Läden erhältlich, vom Unverpackt-Laden über Marktschwärmer, bis hin zu Souvenir- und Hofläden. Darüber hinaus vertreibt Brötzmann unsere Produkte in ganz Schleswig-Holstein für Gastronomie und Wiederverkäufer. Und natürlich sind unsere Produkte auch bequem über unseren Online-Shop zu bestellen. Die Bereiche Bildungsarbeit und Veranstaltungen sind ein wichtiger Teil der ResteRitter.

Mit Schulklassen veranstalten wir regelmäßig Workshops zum Thema Lebensmittelverschwendung und sind als Referenten mit Vorträgen unterwegs.

Mit der Schnibbelparty, auf der zur Musik nicht nur getanzt, sondern auch mit geretteten Lebensmittel gekocht wird, haben wir ein Event und Bildungsformat geschaffen, mit dem wir ganz unterschwellig, in lockerem Rahmen, das Thema der Lebensmittelverschwendung ganz praktisch mit den Menschen angehen. Sei es auf Großveranstaltungen, wie der Kieler Woche oder als buchbare Firmenfeier – unsere Schnibbelpartys werden immer öfter angeboten.

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Um auf das Thema aufmerksam zu machen, halten die Gründer Vorträge in Schulen und auf Veranstaltungen (Foto: Heidi Krautwald).

GründerDaily: Bislang macht ihr von der Abholung der Lebensmittel bis zur Verarbeitung alles selbst. Wie steht es mit der Skalierbarkeit eurer Geschäftsidee?

Moritz von ResteRitter: Am Anfang der Idee stand die wirtschaftliche Tragfähigkeit und Skalierbarkeit nicht im Fokus, sondern unsere Mission, Lebensmittel zu retten, Kinderhunger zu bekämpfen und gleichzeitig Menschen zum Umdenken anzuregen. Um diese Ziele aber auch langfristig erreichen zu können, wollen wir ein tragfähiges Geschäftsmodell aufbauen, bei dem wir alle beteiligten Personen fair bezahlen können. Unsere Fruchtaufstriche, Chutneys und zukünftigen Produkte sind dabei natürlich auch skalierbar.

Der Bedarf an zu rettenden Lebensmitteln ist noch lange nicht erschöpft.

Wenn wir unsere Produktion auf eine höhere Ebene stellen, sind unsere Produkte auch gut skalierbar. Darüber hinaus sehen wir noch viele weitere Bereiche, in denen wir nachhaltig wachsen können.

GründerDaily: Welche Pläne habt ihr für die nahe Zukunft?

Moritz von ResteRitter: Für die Zukunft haben wir viele Ideen für weitere Produkte, mit denen wir noch viel mehr und auch andere Lebensmittel retten können. In den nächsten Monaten liegt der Fokus besonders darauf, dass wir aus unserer Idee ein funktionierendes Unternehmen aufbauen, uns und unseren Helfern faire Löhne zahlen und organisch wachsen zu können. Aber auch der Abschluss unseres Studiums steht in den nächsten Monaten noch an.

GründerDaily: Euer Engagement wurde bereits mehrfach ausgezeichnet. Welche Bedeutung haben solche Preise für euch?

Moritz von ResteRitter: Die Nachhaltigkeitspreise haben für uns auf vielen Ebenen eine große Bedeutung. Besonders der erste Preis der Stadt Kiel hat uns erst gezeigt, dass die Idee auch von Profis für gut befunden wird. Der Preis hatte einen großen Anteil daran, dass wir auch nach der Projektphase weitergemacht haben. Und auch die kleinen Preisgelder waren wichtige erste Finanzierungsquellen für uns. Durch die Preise haben wir aber auch eine größere Reichweite und Aufmerksamkeit durch die Presse und gleichzeitig mehr Seriosität und Professionalität zugesprochen bekommen.

GründerDaily: Weshalb sollte man gerade in Kiel gründen? Welche Vorteile bietet der Standort?

Moritz von ResteRitter: Wir haben uns nicht bewusst für oder gegen eine Stadt entschieden, sondern leben alle gerade in Kiel und haben hier unsere Idee entwickelt. Dabei haben wir aber immer mehr gemerkt, wie gut wir es hier in Kiel haben. Es ist keine Weltmetropole, aber auch kein kleines Kuhdorf und hat gerade für uns genau die richtige Größe. Der Markt ist für unsere Produkte nicht zu klein und trotzdem kennt man schnell die wichtigen Menschen und Partner persönlich.

Die Menschen mit ihrer norddeutschen, direkten und anpackenden Art finden wir sehr wichtig. Es geht immer um ein "Wir" anstatt um "Ich, Ich, Ich".

In Kiel gibt es eine große und sehr lebendige Nachhaltigkeitsszene und auch die Politik ist sehr an nachhaltigen Themen und Projekten interessiert. Die Start-up-Szene entwickelt sich in Kiel gerade sehr stark (Warum sich Kiel zum Gründen lohnt) und vor allem Start-ups mit Fokus auf nachhaltigen Produkten kommen aus Kiel.

GründerDaily: Moritz, vielen Dank für das Interview und weiterhin viel Erfolg! 

Keyfacts über ResteRitter

  • Gegründet im Jahr: 2017
  • Firmensitz in: Kiel
  • Unser aktuelles Team besteht aus: 3 Gründern und vielen HelferInnen
  • Die erste Finanzierung erfolgte durch/über: YooWeeDoo Ideenwettbewerb und Preisgelder
  • Besonders wichtig im Arbeitsalltag sind für uns folgende:
    • Menschen: Unser tatkräftiges Helferteam
    • Tools: Ehrlichkeit, Vertrauen und ein starkes Netzwerk.
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