Herausforderungen im Gründerteam – und dann waren’s nur noch 2

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Gary Lewis und Pascal Alich sind Mitgründer von Resourcify. Mit sieben weiteren Teammitgliedern hatten die zwei angefangen, eine App für digitales Recycling zu entwickeln. Doch das Team zerbröckelte nach und nach. Die anfänglichen Schwierigkeiten konnte Resourcify längst überwinden. Wir sprachen mit Gary über die Laufbahn des Start-ups, was im Team schief gelaufen war und worauf ein Gründer bei der Partnersuche achten sollte.

 

GründerDaily: Hallo Gary, am Anfang steht die Idee. Bei dir: eine Recycling-Plattform. Erkläre unseren Lesern doch zunächst kurz, was dahintersteckt.

Gary von Resourcify: Hi, wir sind ein Technologieunternehmen und die Entwickler der "Mein Recycling" App, einer Cloud-Plattform für digitales Recycling. Unser Produkt hilft einerseits Unternehmen, ihre Abfallentsorgung einfach zu managen. Und andererseits Recycling-Unternehmen, sich nahtlos online mit ihren Kunden zu verbinden. Unsere Vision ist es, digitales Recycling dafür zu nutzen, jeden Betrieb dazu zu befähigen, 100 % des eigenen Abfalls zu recyceln und nebenbei noch effizienter zu werden, sodass kostbare Zeit gespart und die Kreislaufwirtschaft angekurbelt wird.

GründerDaily: Mit dieser Geschäftsidee bist du 2015 auf ein Startup Weekend in Hamburg gegangen. Was hattest du dir erhofft?

Gary von Resourcify: Es begann alles mit einer einminütigen Kurzpräsentation auf dem Startup Weekend. Hier wurde die Resourcify-Idee zum ersten Mal einem breiteren Publikum vorgestellt, das bot uns eine wunderbare Gelegenheit, in Erfahrung zu bringen, wie das Konzept bei den Leuten ankam, ob wir überzeugen konnten und ob es finanzierbar war. Das war eine enorme persönliche Herausforderung. Konnte ich eine Gruppe smarter und technologieaffiner junger Menschen davon überzeugen, die attraktiven Block-Chain-Ideen zur Seite zu legen und sich gemeinsam hinter das „Müll“-Thema zu stellen?

GründerDaily: Wie verlief das Startup Weekend und wie sah es dann am Montag danach rund um deine Idee aus?

Gary von Resourcify: Das Startup Weekend war großartig. Mit wenig Schlaf und Unmengen an Koffein gewannen wir den Hauptpreis für das beste Unternehmenskonzept. Alle liebten die Idee. Die Leute waren von dem Thema ergriffen. Die Demo, die das Tech-Team zusammengeschustert hatte, war großartig. Und als uns der Preis überreicht wurde, fühlte sich das wie ein Riesenerfolg an.

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Dann riefen wir alle zusammen und erbaten von allen neun Mitgliedern eine feste Zusage, sich einige Stunden pro Woche dem Projekt zu widmen. Und so legten wir los: ein zusammengewürfelter Haufen an Persönlichkeiten, die sich in spontaner Atmosphäre zusammengefunden hatten, unterschiedlich viel Zeit und Energie aufwenden konnten. Aber alle waren dem Motto des 100-prozentigen Recyclings verschrieben.

GründerDaily: Beim HTGF Family Day sagtest du uns, "man sollte seine Mitgründer gut kennen, bevor man zum Notar geht". Wie ging die Geschichte denn weiter?

Gary von Resourcify: Wir haben das Unternehmen sofort gegründet. Über die folgenden zwölf Monate bauten wir die Firma auf, validierten den Markt und gewannen unsere ersten Kunden und Investoren. Die Arbeit wurde mehr, das Team kleiner. Konflikte, Familie und unvereinbare Ausprägungen von Arbeitsmoral führten dazu, dass wir uns nach und nach von den Leuten trennen mussten, die mit uns angefangen hatten. Die damit verbundenen Verhandlungen waren zeit- und energieraubend und lenkten unseren Fokus vom Kerngeschäft ab, was uns enorm ausbremste.

Wir hatten ein grundlegendes Problem: Wir kannten uns gegenseitig nicht gut. Und je größer wir wurden, desto offensichtlicher wurde das. Um unsere Vision zu verwirklichen, brauchten wir ein Superstar-Team. Uns von den ursprünglichen Mitgestaltern zu verabschieden, war ein schmerzlicher aber notwendiger Schritt. Er erlaubte es uns, Fahrt aufzunehmen und dorthin zu kommen, wo wir heute sind. Die Lektion, die wir daraus lernten:

Lerne deine Mitgründer kennen, bevor du „mit ihnen ins Bett steigst“. Und sehe in Verträgen Sicherheitsvorkehrungen für den Fall vor, dass man sich doch nicht einig wird.

Drei Jahre später sind wir nun zu einem respektierten und rapide wachsenden Technologieunternehmen mit einem Team von zwölf Leuten herangewachsen – allesamt Experten und bereit, für den Erfolg von Resourcify alles zu geben.

GründerDaily: Zwei Personen sind aber von Anfang bis heute im Team mit dabei. Welche Anpassungen in eurem Konzept habt ihr seither vorgenommen?

Gary von Resourcify: Von den Gründungsmitgliedern sind aktuell nur noch Pascal Alich, CTO, und ich als CEO dabei. Wir hatten dann sehr viel Glück Felix Heinricy zu finden, der als drittes Teammitglied zu uns stieß und wirklich einen enormen Einfluss auf unser Wachstum und Team hatte. Danach haben wir einige wirkungsvolle Einstellungspraktiken implementiert. Die haben dazu geführt, dass unser Team inzwischen unsere wertvollste Ressource ist.

Resourcify Gesucht, gefunden: Co-Founder Gary Lewis (l.), Pascal Alich (m.) und Felix Heinricy (r.). (Foto: Resourcify)

GründerDaily: Was rätst du Gründern, die auf der Suche nach Co-Foundern sind?

Gary von Resourcify: Unternimm irgendetwas, bei dem du mit deinem potenziellen Co-Founder für einen längeren Zeitraum auf engem Raum zusammen bist, damit du seine oder ihre wahre Persönlichkeit und Arbeitsweise kennenlernen kannst. Macht zum Beispiel den Escape-Room-Test, geht in eine Hütte auf dem Land oder in den Bergen.

Falls auch nur kleinste Zweifel daran aufkommen, ob ihr gut zusammenarbeiten könnt, ergreife die Flucht und beginne die Suche von vorn.

Mache hier keine Zugeständnisse. Es gibt da draußen so viele großartige Menschen. Es ist deine Zeit wert, den Richtigen für dich zu finden.

GründerDaily: Und wie kann man möglichst schnell herausfinden, falls es nicht passt?

Gary von Resourcify: Du musst die schwierigen Fragen schon im Vorfeld stellen, um sicherzugehen, dass ihr euch über die grundlegenden „Arbeitsprinzipien“ des Unternehmens einig seid.

Sprecht darüber, wofür du verantwortlich sein wirst. Sprecht auch darüber, wofür du nicht verantwortlich sein wirst. Unterhaltet euch über Geld: wer wie bezahlt wird, wie die Anteile bei der letztendlichen Gründung prozentual aufgeteilt werden und unter welchen Umständen ihr darüber nachdenken würdet, aufzuhören oder das Unternehmen zu verkaufen. Stell dich auf eine schonungslose Konversation ein. So kann man schnell jegliches Konfliktpotenzial erkennen.

GründerDaily: Ein wichtiger Punkt ist auch der gemeinsame Gesellschaftsvertrag: Wo liegen hier Stolpersteine aus deiner Sicht?

Gary von Resourcify: Vesting und Firmenanteile. Die meisten Vertragsklauseln entsprechen dem Standard, aber diese beiden Punkte muss man sich wirklich genau anschauen. Schon über die Aufteilung der Anteile könnten wir uns sehr lange unterhalten. Hierfür gibt es keine magische Formel.

Allgemein gesagt, sollte man dabei Folgendes berücksichtigen: professionelle Erfahrung, Gehaltsunterschied zum bisherigen Einkommen, dein Netzwerk und deine Position im Unternehmen. Das sind die wichtigsten Anhaltspunkte für die Entscheidung, wer wie viel Prozent bekommt.

Das zweite Thema ist Vesting. Das bedeutet, dass im Fall, dass ein Gründungsmitglied kündigt oder entlassen wird, das Unternehmen dessen Anteile zurückbekommen kann. Für alle Gründer sollten standardmäßige Vesting-Konditionen gelten.

GründerDaily: Wechsel im Team, Pivot – kein ganz einfacher Start. Welchen Tipp hast du für Gründer in Sachen Durchhaltevermögen?’

Gary von Resourcify: Ein Unternehmen zu gründen ist schwer – und du solltest immer den Willen und die Kapazitäten haben, diese Art von finanziellem Risiko einzugehen.

Lege dein persönliches finanzielles Limit fest, wie viele „Schulden“ für dich okay sind, und wann du aufhören solltest. Man sollte im Vorfeld festlegen, wann es Zeit ist auszusteigen, bevor das Risiko zu groß wird.

In unserem Fall haben wir nach einer Finanzierung durch Förderprogramme Ausschau gehalten. Inzwischen gibt es für jede einzelne Branche spezialisierte Programme für die Innovationsförderung – von der EU, von Städten oder sogar von Unternehmen. Bewirb dich auf alle, die zu dir passen, und nutze das Geld aus diesen Programmen dafür, dich zu Beginn über Wasser zu halten. Gründer sollten sich selbst so viel bezahlen, dass sie davon leben können. Nicht mehr und auch nicht weniger.

GründerDaily: Der Aufwand hat sich für euch gelohnt. Erst neulich habt ihr durch den High-Tech Gründerfonds eine Finanzierung über eine Million Euro erhalten. Wie geht es nun bei euch weiter?

Gary von Resourcify: Wir sind außerordentlich stolz, Investoren gefunden zu haben, die nicht nur hinter unserem Unternehmen stehen, sondern auch hinter unserer Vision: Betrieben zu helfen, 100 % ihres Abfalls zu recyceln. Und ja! Wir hatten neulich eine Förderrunde nicht nur mit dem HTGF, sondern auch mit der Hamburger Investitionsbank und anderen bekannten Business Angels wie Gunnar Froh und Christian Springub. Wir sind für die Zukunft sehr gut aufgestellt.

Wie es nun weitergeht? Wir haben sehr große Ambitionen. Die Recyclingbranche hat ein enormes Potential, das noch nicht einmal angerührt wurde. Wenn wir diese Gelegenheit ergreifen, werden wir nicht nur ein sehr erfolgreiches Unternehmen sein, sondern auch einen positiven Einfluss auf die Umwelt haben. Das hat unsere Investoren überzeugt. Das hat unser Team überzeugt. Und wir glauben, unsere Kunden auch.

GründerDaily: Vielen Dank für das Interview und für die vielen interessanten Tipps!

Keyfacts über Resourcify

  • Gegründet im Jahr: 2015
  • Firmensitz in: Hamburg
  • Die erste Finanzierung erfolgte durch / über: Angel funding, dann HTGF und IFH Hamburg
  • Besonders geholfen haben mir/uns bisher: Accelerator programmes, Investoren, engagierte Teammitglieder
  • Besonders wichtig im Arbeitsalltag sind für mich/uns folgende:
    • Tools: Slack, Asana, Instagantt, Airtable
    • Internetseiten: airbourne.io
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