Pathologie 4.0: Gründer reduzieren Fehldiagnosen und erhalten Millionen
Fehldiagnosen sind ein Alptraum eines jeden Patienten. Um Krebserkrankungen besser zu diagnostizieren, möchte das Start-up inveox Pathologie-Labore digitalisieren. In dieser Gründerstory sprechen Maria Driesel und Dominik Sievert über ihren Gründungsstart, ihre Ziele und den bevorstehenden Markteintritt.
Hallo Maria, hallo Dominik, herzlichen Glückwunsch, ihr habt bei der Bits & Pretzels auf dem Oktoberfest den Pitch-Contest gewonnen. Was ist seitdem passiert?
Maria von inveox: Seit unserem Erfolg bei Bits & Pretzels hat sich die Welt von inveox ein ganzes Stück weitergedreht. Es sind einige Medienanfragen reingekommen, über die wir uns sehr gefreut haben; diese öffentliche Sichtbarkeit hat uns vor allem bei der Talentsuche geholfen. Wir haben viele großartige Bewerbungen erhalten und auch in unserem Netzwerk hat sich einiges getan.
Dominik von inveox: Es ist so eine große Freude für uns zu erleben, wie sich unser „Baby“ inveox entwickelt. Ich denke, wir sprechen auch für unser gesamtes Team, wenn wir sagen, dass es eine inspirierende und energetisierende Zeit ist. In den letzten Wochen haben wir weiterhin intensive Kundengespräche geführt, Implementierungen vorangetrieben und einige Vorträge im Rahmen von Fachkongressen gehalten.
Für alle, die euch noch nicht kennen: Stellt euch und inveox doch bitte kurz vor.
Maria von inveox: Wir sind beide Alumni der Technischen Universität München (TUM). Ich habe Wirtschaftsingenieurwesen studiert, mein Mit-Gründer Dominik molekulare Biotechnologie und BWL. Im Rahmen des Förderungsprogramms "Manage&More" von UnternehmerTUM, dem Zentrum für Innovation und Gründung, haben wir uns kennengelernt. Die jeweiligen Stärken unserer Fachbereiche gebündelt und potenziert, nahm im Februar 2017 mit der offiziellen Gründung der inveox GmbH und der Einstellung des ersten Mitarbeiters, die Verwirklichung unserer Idee konkrete Formen an.
Bei Pathologie denken viele an Rechtsmediziner aus TV-Krimis. Tatsächlich beschäftigt sich die Pathologie durch und durch mit dem Leben.
Bei der Untersuchung von Gewebeproben wird festgestellt, ob eine Krebserkrankung vorliegt, wie weit sie fortgeschritten ist und mit welcher Therapie man dem Patienten vermutlich am besten helfen kann.
Es sollen ja erschreckend oft Gewebeproben im Labor vertauscht werden. Da wollt ihr mit eurer Technologie ansetzen und Krebsdiagnosen zuverlässiger machen. Wie erreicht ihr euer hohes Ziel?
Dominik von inveox: inveox digitalisiert und automatisiert Pathologie-Labore. Dadurch wird die Sicherheit und Zuverlässigkeit von Krebsdiagnosen erhöht, gleichzeitig die Effizienz und Rentabilität von Laboren gesteigert. Jede gute Therapie beginnt mit einer präzisen und umfassenden Diagnose.
Für uns beginnt die Medizin der Zukunft in der Pathologie.
Ein vollautomatisiertes, vernetztes Pathologie-Labor inklusive Probentracking und der vollständigen Erfassung von Prozessdaten ist unser Ziel. Process Mining sowie ein Algorithmus dienen als Datengrundlage für weitere Erkenntnisse, um zu verstehen, was mit einer Probe auf ihrem langen Weg zwischen Entnahme und Befundung passiert.
Unsere Zukunftsvision, auf die wir perspektivisch hinarbeiten, ist eine Plattform, auf der Informationen zentral zusammenlaufen: Prozessdaten und Diagnose aus der Pathologie und Radiologie. In Verbindung mit Patientenprofilen kann das eines Tages die Grundlage für zuverlässige und ganzheitliche Krebsdiagnosen bilden – und zwar in Echtzeit.
Was war euer Schlüsselerlebnis für eure Gründungsidee?
Maria von inveox: Die Idee ist auf zwei Kontinenten entstanden: 2015 war ich in den USA, als ich in einem Café per Zufall mit einem Pathologen ins Gespräch kam. Obwohl es meine erste Begegnung mit dem Fachgebiet war, erkannte ich anhand der Erzählungen aus dem Arbeitsalltag sofort, dass die Prozesse immenses Optimierungspotential in sich bergen. Etwa zur gleichen Zeit wohnte Dominik in München im Rahmen eines Praxisseminars der TUM einer Operation bei, bei der eine Prostatabiopsie versehentlich beinahe vertauscht worden war.
Einige Zeit später sprachen wir – ohne uns zu kennen – mit unseren jeweiligen Studienberatern bei Manage&More über unsere Beobachtungen und Ideen und staunten nicht schlecht, als wir erstmals voneinander hörten und uns schließlich auch persönlich kennenlernten.
Dominik von inveox: Der Rest ist Geschichte: Maria schloss ihr Studium ab und nahm eine Vollzeitstelle bei einem Münchner Konzern an, ich war in den letzten Zügen meines Masters und arbeitete studienbegleitend an verschiedenen Automatisierungsprojekten im MedTech-Konzernumfeld mit.
Stets im Hinterkopf der Wunsch, selbst ein Unternehmen zu gründen und unsere – nunmehr gemeinsame – Vision eines sicheren, effizienten Probeneingangs im Labor zu verwirklichen.
Was braucht man für einen erfolgreichen Start?
Maria von inveox: Vor, in und nach der Gründungsphase ist neben absoluter Überzeugung und Commitment auch das typisches „Start-up-Skillset“ erforderlich: Tage- und nächtelanges Planen, Verwerfen, Neu-Anfangen. Entwickeln, Verbessern, Hinterfragen, Challengen, Feedbacken, Testen und Weitermachen. Lösungen suchen und finden. Abkürzungen widerstehen und es „richtig machen“ wollen.
Businesspläne, Investorenverträge, Recruiting-Messen und Prototypen – und dazwischen immer wieder die Frage „Haben wir an alles gedacht?“. Man braucht neben der Idee selbst, einer großen Portion Optimismus und einem inneren Drive auch jede Menge Ausdauer, Resilienz und zwischendurch auch ein gewisses Maß an Frustrationstoleranz.
Welcher Mix an Investoren, Beratern und Gründerwettbewerben ist ratsam?
Dominik von inveox: Wie bei allen wirklich wichtigen Dingen im Leben, kommt es auch hierbei nicht auf die Quantität, sondern auf Qualität an – oder vielmehr auf eine gute Passung. Im Zusammenspiel mit Investoren, aber auch mit Beratern oder Förderprogrammen geht es letztlich um das wechselseitige Wohl und den gemeinsamen Gewinn. So zum Beispiel nehmen wir Wettbewerbe vor allem als Chancen für Feedback von Experten wahr und als willkommene Gelegenheit, unser Netzwerk um interessante Kontakte zu erweitern. Ein zusätzlicher, sehr positiver Effekt der Gründerwettbewerbe ist die öffentliche Aufmerksamkeit, die unsere Sichtbarkeit bei Bewerbern für unsere Teams sowie auch bei potenziellen Kunden steigert.
Maria von inveox: Bezüglich unserer Investoren war es uns wichtig, gerade in der unglaublich prägenden Startphase unserer Firma vom Erfahrungsschatz erfolgreicher Unternehmerpersönlichkeiten profitieren zu können. Unsere Hoffnungen wurden weit übertroffen – neben strategischem Rat und viel Rückenwind, den wir in allen Bereichen erhalten haben, sind wir dankbar für die vertrauensvollen und tragfähigen Beziehungen auf menschlicher und persönlicher Ebene, die sich entwickelt haben.
Die Liste eurer Unterstützer kann sich sehen lassen. Wie kann man eine Jury am besten von sich überzeugen?
Maria von inveox: Am besten durch seine eigene Überzeugung.
Für seine Idee zu brennen und sie packend zu präsentieren, ist jedoch nur die halbe Miete.
Ein gut durchdachter und sauber ausgearbeiteter Businessplan ist die Grundlage einer jeden Bewerbung – wie er auch Voraussetzung für einen späteren Geschäftserfolg ist. Darauf achtet die Jury am meisten. Grundsätzlich geht es bei Wettbewerben weniger um das Gewinnen – viel wichtiger ist das Feedback, das man von der Jury erhält. Das sind meist renommierte Experten und Branchengrößen, mit denen man im Alltag sonst gar nicht ins Gespräch kommen könnte. Und nehmt es nicht als Niederlage wahr, wenn ihr mal eine der „Crossfire-Fragen“ nicht beantworten könnt oder einen Preis nicht gewinnt. Nehmt es vielmehr als Anstoß, um genau an diesem Thema weiter zu arbeiten und besser zu werden.
Gerade habt ihr noch einmal fünf Millionen Euro Finanzierung von euren Business Angels eingesammelt. Nun seid ihr auf den letzten Metern zum Markteintritt im deutschsprachigen Raum sowie zur Serienproduktion eurer smarten Gewebecontainer. Was sind die größten Herausforderungen dabei?
Dominik von inveox: Als Start-up haben wir nur begrenzte Ressourcen zur Verfügung, insbesondere zeitlich und personell. Dennoch wollen wir innerhalb kürzester Zeit so viel wie möglich erreichen, ganz besonders in Hinblick auf unseren bevorstehenden Markteintritt kann dieser eigene Anspruch schnell zur Herausforderung werden.
Neben Alltagsaufgaben, Implementierungsprojekten und operativer Unternehmensentwicklung blicken wir auch auf perspektivische und strategische Themen. Dazu zählen die Jahresplanung 2019 und Evaluation neuer Märkte. Zwischendrin überlegen wir, wie wir zum Beispiel ein Gerät, das eine halbe Tonne wiegt, aus unserer Werkstatt zum Kunden am anderen Ende der Republik bekommen. Sich nahezu täglich auf neue Herausforderungen und oft stündlich auf neue Themen und Aufgaben einlassen und fokussieren zu können, ist im Startup-Alltag sehr wichtig.
Euer Tipp für andere Gründer:
Maria von inveox: Am Wichtigsten ist etwas, das wir „Chancenblick“ nennen: Offenheit, Aufmerksamkeit im Alltag, Neugier und Interesse für Menschen, Situationen, Arbeits- uns Lebensrealitäten um uns herum.
Alle großen Erfindungen lassen sich auf einen von zwei Ursprüngen zurückführen: Painpoints und Träume. Beide sind menschlich und alltäglich - für alle sichtbar, die sie sehen wollen.
Keyfacts über Inveox
- Gegründet im Jahr: 2017
- Firmensitz in: Garching bei München
- Unser aktuelles Team: 27 Vollzeitmitarbeiter und zahlreiche Teilzeitmitarbeiter, Werkstudenten, Praktikanten und Freelancer
- Die erste Finanzierung erfolgte durch: 4 Business Angels
- Besonders geholfen haben uns bisher: unsere großartigen Investoren, das Netzwerk, das wir bereits seit unserer Studienzeit aufgebaut haben und die frühzeitige, intensive Zusammenarbeit mit unseren Kunden
- Besonders wichtig im Arbeitsalltag sind: - Menschen: unser Team und das vertrauensvolle, wertschätzende Miteinander bei der Arbeit - Tools: professionelle und skalierbare Infrastruktur, digitale Kommunikation - Internetseiten: LinkedIn (insbesondere der Talent-Manager), Online-Plattformen und Fachmagazine aus dem Bereich HealthCare, die häufig auch von unseren Kunden gelesen werden