Wie man als deutsches Start-up in New York Erfolg hat

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Deutsche Start-ups müssten globaler denken, wenn man Unternehmen wie Google, Facebook & Co. in Deutschland gründen wolle. So hört man es zumindest von einigen Kritikern - und das wahrscheinlich nicht ganz zu unrecht. Das Münchner Start-up Doorboost scheint diese Kritik zu beherzigen. Mit dem German Accelerator sind die Gründer nach New York umgesiedelt. Heute berichten sie in einem exklusiven Gastbeitrag über ihren Gründeralltag in New York City, der Stadt, die niemals schläft.

 

Im März 2015 schnupperten wir bei einem Förderprogramm der Deutsch-Amerikanischen Handelskammer in New York zum erstem mal amerikanische Business-Luft. Bei entspanntem Kaffee und Bagels im 23. Stock im Financial District schauten wir ununterbrochen hinab in das pulsierende Treiben der Häuserschluchten. Hupende Autos, fluchende Fahrradfahrer, ohrenbetäubender Baulärm. Gnadenlos, laut, faszinierend! Dennoch konnte zu diesem Zeitpunkt noch keiner von uns ernsthaft daran gedacht haben, dass wir hier tatsächlich einige Monate später ein Business gründen würden. Als notorisch unterfinanziertes Start-up in die wahre Höhle der Löwen. Aber warum eigentlich nicht?

We are aliens – we’re a German startup in New York

Unsere – vielmehr willkürliche als gezielte - Bewerbung beim German Accelerator brachte den Stein dann jedoch ins Rollen und auf einmal ging alles rasend schnell. Nach den ersten drei Monaten USA, die wir fast ausschließlich mit Vertrieb und der Auswertung von Kundenfeedback verbrachten, war uns klar, dass sich nicht nur der Namen unseres Unternehmens, sondern auch die grundlegende Strategie und Vision ändern musste. Aus der Nightadvisor GmbH mit Firmensitz in München wurde die Doorboost Inc. in New York.

Heute, sieben Monate später, ist Doorboost eine intelligente Software, die es kleinen Unternehmen, Start-ups und Mittelständlern ermöglicht, automatisiert professionelle Online-Werbung zu schalten – ein 19 Milliarden Dollar Markt alleine in den USA. Doorboost besteht mittlerweile aus einem vierköpfigen Team in New York (Johannes, Till, Bobby & Stefan) sowie drei Entwicklern in Deutschland. Entsprechend der Dynamik der Stadt haben wir in kürzester Zeit unseren Firmennamen geändert, eine amerikanische Gesellschaft gegründet und verzeichnen aktuell bereits mehr als 50 % unserer Kunden aus den USA.

New York New York mit einem BIP von 1,5 Billionen US-Dollar zieht Gründer aus aller Welt an

Ein ganz normaler Tag in New York

Wir möchten mit euch dieses (berufliche) Abenteuer teilen und geben euch ungefilterte Einblicke in den Alltag eines deutschen Start-ups, das sich in New York jeden Tag neu beweisen muss.

7:00 AM: Wir sind wach, hellwach! Dank des kontinuierlich steigenden Lärmpegels an Sirenen, Straßengeräuschen und schreienden Bauarbeitern bleibt auch an diesem Morgen der Snooze-Button des iPhone-Weckers ungenutzt.

7:30 AM:  Los geht’s! Wir verlassen unser gemeinsames 40 m2-Apartment in Brooklyn, das vor einigen Monaten noch Teil eines baufälligen Fabrikgebäudes war. So faszinierend wie die Stadt selbst sind auch die Mietpreise (interne Formel: Münchner Wohnungspreise mal drei). In Manhattan verlangen die meisten Immobilienmakler den Nachweis, dass man jährlich das 40-fache der Monatsmiete verdient.

7:45 AM: Immerhin besitzt das Apartment eine eigene Dachterrasse mit Blick auf Manhattan. Mit dem ersten von zahllosen weiteren Kaffees genießen wir den Ausblick und haben unsere erste Teambesprechung: Jeder berichtet fünf Minuten lang über seine anstehenden Aufgaben und Ziele für den Tag. Das ermöglicht es, uns später gezielter in die Arbeit zu stürzen. Durch die Zeitverschiebung telefoniert Johannes bereits seit 6 Uhr mit Kunden aus Deutschland und wir sind gezwungen, spätestens um 8 Uhr zu starten.

Aus diesem Grund ist – im Gegensatz zum Bericht vieler anderer Gründerkollegen – an Frühsport oder ein ausgewogenes Frühstück nicht zu denken.

9:00 AM: Nach 35 Minuten Fahrt in einer vollen Subway kommen wir in unserem Office in SoHo an. Das großflächige Büro liegt im Süden Manhattans und wird nicht nur von uns, sondern auch von anderen Start-ups des NYU-Incubators und German Accelerators genutzt. Um diese Uhrzeit füllt sich der große Coworking Space zunehmend mit Leuten, wobei der durchschnittliche Arbeitstag der meisten amerikanischen Firmen eher um 10 Uhr beginnt. Zumindest unsere Amerikaner sind schon im Büro: Seit einigen Monaten absolvieren ein paar Studenten der New York University ein Praktikum bei uns. Wir sind sehr zufrieden mit ihrer Arbeit und ihren Fähigkeiten. Viele Studenten haben hier ein großes Interesse an Start-ups, sodass uns die Mitarbeitergewinnung leichter gefallen ist als in München.

9:00 AM bis 1:00 PM: Der Vormittag ist auch an diesem Montag wieder voll mit Meetings. Wir treffen uns persönlich oder per Skype mit unseren Mentoren vom German Accelerator, mit neuen potenziellen Kunden und ferner seit einiger Zeit mit diversen VCs und Angel-Investoren, da wir im Laufe des Jahres eine Series-A-Finanzierung anstreben. Nach zehn Minuten Smalltalk und 30 Minuten angeregter Diskussion mit einem VC über unseren Fortschritt, das Produkt, aber auch über die momentan bedenkliche Lage der gesamten Start-up-Welt wird klar, dass er einmal wieder versucht, die Unternehmensbewertung zu drücken. Wir bleiben stark und die Einladung zu einem Follow-Up in seinem Büro belohnt uns! Auch unser Vertrieb hat gute Neuigkeiten: Wieder haben wir einige neue Kunden für unsere Testphase gewinnen können.

1:00 PM bis 1:30 PM: Kurzer Lunch in einem „Slow Fast Food“-Restaurant um die Ecke, das ironischerweise „Essen“ heißt und einem auf Basis horrender Grammpreise ein Buffet auf Mallorca-Hotelniveau bietet. Definitiv nicht die beste, aber oft die schnellste Wahl. An Tagen mit etwas weniger Zeitdruck (was seltener vorkommt), schaffen wir es dann aber doch, etwas tiefer nach SoHo in Richtung der New York University zum besten Bagel der Stadt (Black Seed Bagels – ein potenzieller Kunde, der uns auch in Naturalien bezahlen dürfte) zu gehen.

2:00 PM bis 3:00 PM: Ab zum Termin mit der City National Bank (CNB). Coole Gegend auf der 48sten West Side – teuer, hoch, viel Security und eben typisch Bank. Eine halbe Stunde wird verhandelt. Wir bleiben in Kontakt und melden uns, sobald wir einen passenden Investor gefunden haben, der auch der Bank gefällt. Mit der Subway zurück ins Büro:

Hier wird uns wieder bewusst, wie effizient es ist, einen riesigen Binnenmarkt mit knapp 8,5 Mio. Menschen innerhalb kürzester Zeit erreichen zu können. Ein echter Wettbewerbsvorteil.

3:00 PM bis 3:30 PM: Ein Start-up (und Kunde) aus dem Incubatorspace fordert uns im Tischtennis heraus. Wir gewinnen gezielt nicht zu hoch und beschließen einstimmig, dass das genug Sport für den Tag war.

3:30 PM bis 9:00 PM: Wir analysieren unsere Outbound-Email-Kampagnen und kämpfen ein bisschen mit der Anbindung an unser CRM. Einige Verträge für potenzielle Kunden müssen zudem noch fertig gemacht werden, während wir auf die notwendigen NDAs aus Berlin warten, um mit einem erfolgreichen deutschen Start-up im „Education“-Bereich einen Testlauf für den New Yorker Markt zu starten. Zu unseren Kunden hier in den USA zählen einige deutsche Unternehmen mit ihren hiesigen Vertriebsgesellschaften – auch ein guter Weg, um sich ins Gespräch für das Headquarter in Europa zu bringen.

9:00 PM bis 11:00 PM: Mit einer Pizza auf dem Tisch werden – in einem sonst gänzlich verlassenen Büro – die restlichen Mails des Tages abgearbeitet. Wir besprechen zudem besondere Vorkommnisse in unseren Kundenkampagnen und verarbeiten eine Menge Kundenfeedback: Wir arbeiten nämlich aktuell an einer Version 1.1 unserer Software, die noch deutlich kundenfreundlicher sein wird und bereits von 50 Kunden getestet wird. Das Feedback wird zu einem Report verarbeitet, den wir unserem CTO in Deutschland schicken. Wir fühlen uns fast ein bisschen weltmännisch und schließen damit für heute den Business-Part ab.

11:00 PM bis 11:30 PM: Der einzige Luxus des Tages ist mal wieder das Uber zurück zur Wohnung. Bald könnten wir uns für die monatlichen Fahrtkosten vielleicht eine Bleibe in Manhattan leisten. Wir behalten die Zahlen im Auge und geloben morgen wieder die Subway zu nehmen.

12:00 AM: Wir sind zu Hause angekommen und haben eine Menge, wenn auch nicht alles, was wir uns vorgenommen hatten, geschafft. Bei einem Feierabendbier mit Blick auf die Skyline Manhattans wird der Tag reflektiert. Die Lichter der Stadt scheinen hell, der Lärm wird ruhiger und der Puls sinkt langsam wieder. New York ist eben einfach etwas ganz Besonderes!

Tagesfazit: sechs Stunden Schlaf, sieben Meetings, zwei Liter Kaffee, drei Mal das Gefühl der Hund bzw. der Baum zu sein.

New York hat 8,5 Millionen Einwohner und ein BIP von 1,5 Billionen US-Dollar. Damit wäre es die zwölftgrößte Volkswirtschaft der Welt. Alle relevanten Unternehmen sind hier nur eine Subwayfahrt entfernt. Die Chancen sind riesig, der Wettbewerb auch. Trotzdem bzw. gerade aus diesem Grund ist für uns New York der beste Standort. Die Stadt lehrt uns jeden Tag hartnäckig zu sein, die Bedürfnisse unserer Kunden zu verstehen und einfach zu loszulegen. If we make it here, we’ll make it anywhere!

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Du gehörst einem Start-up an oder möchtest zeitnah selbst ein Start-up gründen? Dann werden dir folgende Links eine gute Hilfe dabei sein:

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  • Tipp: Wer ebenfalls mit seinem Start-up nach Übersee möchte, kann sich bis zum 21. August für die aktuelle Runde beim German Accelerator bewerben
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