Erfolgreiche Gründerin - als Quereinsteigerin und dreifache Mutter

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"Die Suche nach Freiheit hat mein ganzes Leben bestimmt", sagt Anna Yona, die das Start-up Wildling Shoes gemeinsam mit ihrem Mann Ran gründete. Wie die dreifache Mutter Familie und Job erfolgreich verbindet, was Freiheit für sie bedeutet und wie sie diese auch ihren MitarbeiterInnen ermöglicht, erfahrt ihr in dieser Gründerstory.

 

GründerDaily: Hallo Anna, stelle uns doch bitte euch und Wildling kurz vor.

Anna von Wildling: Wildling hat es sich zur Aufgabe gemacht, ein Stück Freiheit in ein Paar Schuhe zu packen. Dabei geht es um mehr als Mode und einen Gebrauchsgegenstand - es geht um ein Lebensgefühl, um Bewegungsfreude und den direkten Kontakt zur Natur.

Wildling Partner bei der Gründung und im Leben: Gründerehepaar Anna und Ran Yona verbinden Familie und Beruf - und helfen ihren Mitarbeiter, das ebenfalls zu tun. (Foto: Wildling)

Mein Mann Ran und ich haben Wildling 2015 gegründet, um bessere Schuhe für unsere eigenen Kinder zu entwickeln. Zuvor haben wir 12 Jahre in Israel gelebt. Aufgrund des intensiven Lebens dort im 'Hier und Jetzt' haben wir gelernt, 'einfach mal zu machen', was uns Schritt für Schritt über die erste Zielgerade gebracht hat. Aus der ursprünglichen Kindermarke ist dann schnell ein Schuh für die ganze Familie entstanden.

GründerDaily: Ihr seid als Quereinsteiger ins Schuh-Business eingestiegen. Was waren eure größten Herausforderungen?

Anna von Wildling: Die größte Herausforderung für uns war tatsächlich als Quereinsteiger und ohne Fachwissen einen Schuh zu entwickeln, der anders ist, als die existierenden Produkte auf dem Markt.

Gleichzeitig war es unsere große Chance - nur als Laie kann man Dinge wirklich unvoreingenommen neu denken.

Wir haben lange gebraucht, um die richtigen Fachleute zu finden, die uns einerseits mit ihrer Kompetenz unterstützt haben und andererseits offen genug für 'wilde Ideen' waren. Ein wenig Beharrlichkeit war notwendig, aber zum Schluss haben wir die richtigen Partner gefunden - einen deutschen Leistenbauer, einen italienischen Designer und einen portugiesischen Hersteller - um unseren ersten Prototyp zu entwickeln.

GründerDaily: Finanziert habt ihr euch über eine sehr erfolgreiche Kickstarter-Kampagne und eine folgende Finanzierungsrunde zwei Jahre später. Welche Tipps habt ihr für andere Gründer?

Anna von Wildling: Als der Startschuss für die Crowdfunding-Kampagne fiel, hatten wir bereits ein Jahr Community-Aufbau hinter uns. Die lange Entwicklungszeit für unseren Prototyp haben wir genutzt, um auf Social Media Geschichten zu erzählen. So haben wir zum Start der Crowdfunding-Kampagne nicht in den leeren Wald gerufen, sondern hatten bereits begeisterte Follower, die uns von der ersten Stunde an unterstützt und mitgefiebert haben. Hochwertige Fotos und Videos waren für uns essentiell wichtig, um eine starke Marke aufzubauen und Vertrauen zu schaffen.

Neben einem Gründungskredit (KfW-Startgeld) haben wir zwei Jahre später ein Förderdarlehen (EIF) aufgenommen, um unser Wachstum zu finanzieren. Ich bin sehr froh, dass wir uns damals dafür und nicht für eine Finanzierung durch Investoren entschieden haben. Das bietet uns heute die Freiheit, alle unternehmerischen Entscheidungen nach unseren Werten und Prinzipien und nicht nach rein wirtschaftlichen Kriterien zu fällen.

GründerDaily: Ihr seid von Kunden regelrecht überrannt worden und konntet gar nicht so schnell produzieren. Aus welchen Fehlern habt ihr gelernt?

Anna von Wildling: Unser allererstes Produkt, das wir mithilfe der Crowdfunding-Kampagne produziert haben, war fehlerhaft. Wir hatten ein Material einnähen lassen, das bei anhaltender Nässe mit dem umweltfreundlichen Klebstoff reagiert und dann massiv abgefärbt hat. Unsere ersten Kunden hatten alle blaue Füße!

Eine sehr offene und transparente Kommunikation hat uns damals geholfen, gemeinsam mit unseren Kunden Lösungen zu finden und so das spektakuläre Fuck-Up zu überleben.

Wir haben uns diese ehrliche und direkte Kundenkommunikation bis heute erhalten - ich glaube, das ist eins der Dinge, die Wildling auszeichnen. Außerdem haben wir längere Vorlauf- und Testphasen für unsere Produkte eingeführt. Zu viel Testen steht allerdings auch steter Innovation im Wege, deshalb haben Optimismus und Kreativität immer noch Vorrang.

GründerDaily: Trotzdem habt ihr bereits im ersten Jahr eine halbe Million Umsatz gemacht. Wie habt ihr das schnelle Wachstum gemeistert und das nötige Personal gefunden?

Anna von Wildling: Unser Erfolg hat uns vollkommen überrascht - das hatte mein sorgsam geschriebener Businessplan so nicht vorgesehen. Die ersten beiden Jahre haben wir immer nur versucht, auf die Nachfrage zu reagieren und die operativen Aufgaben - Produktion, Logistik und Kundenservice - irgendwie zu meistern. Das war meist ein Gefühl, wie zu versuchen, sich auf der fahrenden Achterbahn in hübschen Zweierreihen zu sortieren. Mittlerweile haben wir mehr Strukturen geschaffen, ein tolles Team aufgebaut und vor allem drei Jahre Erfahrung - da fällt einiges leichter.

Neue KollegInnen zu finden war bisher immer leicht. Die meisten MitarbeiterInnen haben einen persönlichen Bezug zu Wildling - sind entweder Familie, Freunde, Freunde von Freunden oder häufig auch KundInnen.

GründerDaily: Du bist dreifache Mutter, ihr habt über 70 Mitarbeiter, die in verschiedenen Zeitzonen arbeiten, und anfangs 70 Stunden die Woche gearbeitet. Wie schaffst Du den Spagat zwischen Mutter- und Unternehmerin-Sein?

Anna von Wildling: Arbeit und Familie gehen bei uns recht nahtlos ineinander über. Wir haben als Paar gegründet und das Produkt für unsere Kinder entworfen. Unsere älteste Tochter hat mit ihren Füßen Modell gestanden für den ersten Prototyp und war auch die erste, die die Schuhe testen durfte. Bei Fotoshootings stehen die drei immer noch begeistert vor der Kamera und wenn eine neue Kollektion entworfen wird, dürfen sie mit abstimmen, welche Farben das Rennen machen.

Wildling Arbeit und Freizeit zu trennen, fällt manchmal schwer. Um sich sowohl der Familie als auch dem Unternehmen widmen zu können, setzt Gründerin Anna auf Home Office. (Foto: Wildling)

Meine Arbeit ist den Kindern nicht fremd und Wildling ist sehr präsent in ihrem Leben. Trotzdem ist natürlich gerade das auch eine Herausforderung. Wie oft nimmt man die Arbeit mit an den Küchentisch? Liest doch schnell nochmal eine Mail oder chattet mit dem Team, während man eigentlich gemeinsam Hausaufgaben machen, ein Spiel spielen oder Abendessen möchte? Meine Arbeit macht mir sehr viel Spaß, aber gerade deshalb muss ich mich disziplinieren, auch “Wildling-freie” Zonen und Zeiten zu schaffen. Das gelingt mir nicht immer, aber ich werde besser.

Essentiell wichtig für mich, um Arbeit und Familie unter einen Hut zu bekommen, ist dass ich durch unsere Home Office-Struktur von Zuhause arbeiten kann.

GründerDaily: Eine Besonderheit bei euch ist, dass viele MitarbeiterInnen Mütter sind, viele in Teilzeit arbeiten und fast alle im Home Office sitzen. 

Anna von Wildling: Weil für mich Home Office die einzige Möglichkeit war, Arbeit und Familie zu vereinbaren, haben wir von Anfang an auch allen MitarbeiterInnen Home Office angeboten. Daraus hat sich ergeben, dass unser Team heute über ganz Deutschland verteilt sitzt, einige arbeiten sogar aus dem Ausland. Viele arbeiten in Teilzeit - auch in sehr zentraler Funktion.

GründerDaily: Wie hält man das Team zusammen und wie kommuniziert ihr?

Anna von Wildling: Ab einer Teamstärke von rund 20 Personen ist uns aufgefallen, dass es ohne klare Strukturen nicht funktionieren wird. Eine gemeinsame Vision und klar definierte Werte geben dem Team Richtung und Leitplanken vor, an denen man sich orientieren kann. OKRs definieren unsere Ziele für das jeweilige Quartal und schaffen Transparenz und einen engen Feedback-Loop. Wir haben feste Kommunikationszeiten und wöchentliche, virtuelle Meetings eingeführt (Google Hangouts). Die Unternehmenskommunikation läuft über Asana und Slack, alle Dokumente liegen in der Cloud.

Trotz aller technischen Möglichkeiten, kann man den persönlichen Kontakt nicht ersetzen, deshalb treffen wir uns alle 6 Wochen mit dem kompletten Team, um gemeinsam und von Angesicht zu Angesicht zu arbeiten.

 

Wildling Laufen, als wäre man barfüßig: die speziellen Schuhsohlen von Wildling ermöglichen ein natürliches Laufgefühl. (Foto: Wildling)

GründerDaily: Freiheit spielt für euch eine zentrale Rolle: Ob im Kopf, an den Füßen oder beim Arbeiten. Was bedeutet Dir Freiheit persönlich und wie gibst Du diese weiter?

Anna von Wildling: Die Suche nach Freiheit hat mein ganzes Leben bestimmt und war letztlich auch ausschlaggebend für die Entscheidung zur Gründung, statt in die Festanstellung zu gehen.

Im beruflichen Kontext bedeutet Freiheit für mich ortsunabhängig und selbstbestimmt zu arbeiten, mir meine Zeit selbst einzuteilen, eigene Ideen umzusetzen und vor allem einen Sinn in dem zu sehen, was ich tue.

All dies versuchen wir möglichst direkt an unser Team weiterzugeben, indem wir weder Raum noch Zeit für die Arbeit vorgeben, Ziele selbst definieren lassen, Platz für Kreativität, Erfolge und Fehler schaffen und eine gemeinsame Vision verfolgen, die alle im Team motiviert.

GründerDaily: Anna, vielen Dank für diese interessanten Eindrücke. Wir wünschen euch weiterhin viel Erfolg!

Keyfacts über Wildling Shoes GmbH

  • Gegründet im Jahr: 2015
  • Firmensitz in: Gummersbach
  • Unser aktuelles Team besteht aus: 75 MitarbeiterInnen
  • Die erste Finanzierung erfolgte durch / über: KfW-Startgeld / Crowdfunding
  • Besonders geholfen haben mir/uns bisher: Austausch mit anderen GründerInnen
  • Besonders wichtig im Arbeitsalltag sind für mich/uns folgende:
    • Menschen: Sparringpartner Mario Konrad von ryzon.net
    • Tools: Asana, Slack, Prezi
    • Internetseiten: corporate-rebels, brandeins.de (digitales Abo), ted.com
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