Industrie 4.0: Dieses Start-up will mit den Branchenriesen mithalten

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Automatisierungslösungen für die Industrie 4.0 sind ein attraktiver Zukunftsmarkt. Genau hier positioniert sich das Berliner Start-up R3Coms mit seiner kabellosen Kommunikationstechnologie. Im Interview erzählt uns Gründer Florian Bonanati mehr über ihren Beitrag zu den Smart Factories von morgen und wie man als Start-up in dieser hart umkämpften Branche bestehen kann.

 

Für-Gründer.de: Hallo Florian, ihr seid mit R3 Communications im Bereich IoT und Industrie 4.0 tätig. Was genau verbirgt sich hinter eurer Geschäftsidee bzw. eurem Produkt?

Florian Bonanati von R3Coms: Wir kommerzialisieren neuartige Echtzeit-Funksysteme, die obendrein noch besonders zuverlässig sind. Mit unserer Technologie ermöglichen wir signifikante Effizienzgewinne im Feld der industriellen Automatisierung, die bis heute mit den im Markt befindlichen Produkten nicht realisiert werden können. Die Funkkommunikation ist für „Industrie 4.0" und „Industrial IoT" eine Schlüsseltechnologie, da kabelgebundene Kommunikation einer Flexibilisierung grundsätzlich entgegensteht.

Die heute üblicherweise verwendeten Funktechnologien wie WLAN oder Bluetooth sind nicht für die Kommunikation zwischen Maschinen geeignet, denn hier kommt es vor allem auf eine extrem hohe Zuverlässigkeit bzw. Verfügbarkeit der Kommunikation in Zeitintervallen im Bereich um eine Millisekunde an. Das heißt konkret: Wenn die Kommunikation nicht diesen Parametern entspricht und ausfällt, steht eine Produktionsanlage still, was für wirtschaftliche Verluste sorgt oder gar Menschenleben in Gefahr bringen kann.

Wollen ihr Produkt als Schlüsseltechnologie für die Industrie 4.0 positionieren: die Gründer von R3Coms (Bildquelle: R3Coms).

Unsere Lösung haben wir spezifisch für diese Anforderungen auf der „Grünen Wiese" entwickelt. Dabei haben wir es geschafft, existierende Standard-Funk-Hardware zu verwenden und auf ihnen lediglich das „Betriebssystem" zu optimieren.

Der entscheidende Vorteil ist dabei, dass die typischerweise sehr teure Hardware-Entwicklung entfällt. Damit können wir von Anfang an preislich sehr interessante Produkte anbieten.

Für-Gründer.de: Ihr versprecht mit der von euch erfundenen Software EchoRing „ultra-zuverlässige, kabellose Echtzeitkommunikation". Was kann man sich darunter als Otto Normalverbraucher konkret vorstellen? Wo ist der Mehrwert?

Florian Bonanati von R3Coms: Das ist an sich ganz einfach: wir machen kabellose Kommunikation so latenzarm und zuverlässig wie kabelgebundene Kommunikation. Die EchoRing™-Software ist im Grunde ein „Betriebssystem" für Funk-Hardware, die zum Beispiel auf verschiedenen Standard-WLAN-Funkchips genutzt werden kann. Sie kann aber auch auf anderem Hardwaregeräten ausgeführt werden. Man kann sich dies so vorstellen, wie zum Beispiel Windows als Betriebssystem auf Geräten verschiedener Größe und Leistungsfähigkeit installiert werden kann.

Unser technologischer Vorteil liegt nun darin begründet, dass wir in der Lage sind, die immanenten Nachteile von Funkkommunikation direkt in der Steuerungssoftware dezidiert auszugleichen und kontrollieren zu können. Das ist deshalb wichtig, da im Vergleich zum Kabel eine Funkverbindung stark durch äußere Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel Reflektionen, Überlagerungen und Abschattungen beeinflusst ist. Diese immanenten Eigenschaften stehen einer extrem hoch verfügbaren Übertragung in sehr kurzen Zeitintervallen eigentlich entgegen. Wir haben es nun geschafft, ein Funkkommunikationssystem mit den notwendigen Eigenschaften zu entwickeln, die sich darüber hinaus durch einen reinen softwarebasierten Ansatz auszeichnet.

Der Mehrwert liegt auf der Hand: Wir können auf bestehender Hardware, die bereits im Markt verwendet und etabliert ist, unser optimiertes Betriebssystem laufen lassen – und machen die Hardware dadurch wesentlich wertvoller. Dieser Ansatz reduziert die Kosten signifikant und ermöglicht auch einen schnelleren „Go-to-Market" für unsere Kunden.

Für-Gründer.de: Habt ihr vielleicht direkt ein oder zwei praktische Anwendungsbeispiele für unsere Leser?

Florian Bonanati von R3Coms:

  • Ganz gut kann man sich den Einsatz vorstellen, wenn zwei mobile Roboter zukünftig zusammen an einem Produkt arbeiten. Neben dem Einsatz von Sensorik ist ein sehr intensiver Austausch von Informationen zwischen den mobilen Robotern notwendig. Zur Verdeutlichung: Roboter arbeiten mit Kommunikationszyklen von weniger als 1 ms. Diese flexiblen und dynamischen Anwendungsszenarien können nicht mehr mit Kabel bedient werden, sondern nur mit einer Funkkommunikation wie unserem EchoRing™.
  • Ein anderes Anwendungsbeispiel ist die fortschreitende Automatisierung auf Baustellen. Bis heute stimmten sich Maschinenführer von Kränen, Baggern oder Transportfahrzeugen direkt ab. Zukünftig werden mehr und mehr Tätigkeiten der verwendeten Maschinen weiter automatisiert. Ähnlich wie im Roboterbeispiel gibt es jedoch viele Tätigkeiten, bei denen mehrere Maschinen eng zusammenarbeiten müssen. Entsprechend gibt es hier auch einen sehr hohen Kommunikationsbedarf, der obendrein noch sehr flexibel ausgelegt sein muss.

Die Software Echoring ermöglicht kabellose Echtzeitkommunikation (Bildquelle: R3Coms).

Für-Gründer.de: Wie seid ihr auf diese Idee gekommen…?

Florian Bonanati von R3Coms: Die Kern-Technologie wurde von meinen beiden Mitgründern James und Christian im Rahmen ihrer Tätigkeiten für die RWTH in Aachen bzw. KTH in Stockholm erforscht und zu einem hohen Reifegrad entwickelt. Für James und Christian war von Anfang klar, dass diese Technologie früher oder später eine hohe Relevanz haben wird. Im Jahr 2015 haben sich unsere Wege, eingeleitet über meinen Geschäftsführer-Kollegen Mathias, gekreuzt und wir haben beschlossen, die Vermarktung gemeinschaftlich anzugehen. Heute – zwei Jahre später – stoßen wir überall auf offene Türen.

Für-Gründer.de: …und woher kennt ihr euch eigentlich und wie setzt sich euer Team zusammen?

Florian Bonanati von R3Coms: James und Mathias kennen sich noch aus der gemeinsamen Promotionszeit an der TU in Berlin. Christian war Doktorand von James in den letzten Jahren. Ich persönlich kenne Mathias über meine Zeit bei BCG. Die restlichen Teammitglieder waren uns fast alle schon vorher bekannt und haben entweder an der TU in Berlin, an der RWTH in Aachen oder an der KTH in Stockholm ihre Ausbildung genossen.

Für-Gründer.de: In welchen Bereichen kommt eure Software zum Einsatz? Welche Zielgruppe sprecht ihr an?

Florian Bonanati von R3Coms: Im Moment fokussieren wir uns auf die industrielle Automatisierung. Hierbei gibt es mehrere Bereiche, in denen wir aktiv sind. Dazu gehören „Human-Machine-Interface", das sind beispielsweise sicherheitsrelevante Handbediengeräte oder Augmented Reality Anwendungen, „Automatic-Guided-Vehicles", also fahrerlose Transportsysteme oder mobile Roboterlösungen. Darüber hinaus sind wir aktiv in den Bereichen, wo eine fest implementierte Kommunikationsinfrastruktur fehlt – wie zum Beispiel in einer Fabrik. Dies gilt besonders in den Bereichen Minen, Baustellen oder Landwirtschaft. Dort steht Automatisierung ebenfalls im Vordergrund und Funkkommunikation kommt somit eine besondere Bedeutung zu.

Für-Gründer.de: Wie erreicht ihr eure Kunden, welche Marketingstrategie verfolgt ihr genau und was sind eure bevorzugten Absatzkanäle?

Florian Bonanati von R3Coms: Wir erreichen unseren Kunden am besten über fachspezifische Veranstaltungen. Zum Beispiel findet Ende Juni der Automatisierungskongress in Baden-Baden statt, an dem alle relevanten Entscheidungsträger aus dem deutschsprachigen Raum teilnehmen werden. Darüber hinaus sind wir vertreten auf einschlägigen Industriemessen, wie zum Beispiel die Hannover Messe, sowie in fachspezifischen Zeitschriften mit Artikeln. Außerdem warten wir natürlich nicht nur, bis uns jemand findet, sondern gehen auch aktive OEMs an, mit denen wir dann gemeinschaftlich eine Produktentwicklung eintreten. Weiterhin arbeiten wir sehr eng mit einem Chip-Hersteller zusammen, auf deren Hardware auch unser erstes Produkt auf dem Markt zu kaufen sein wird. Hier gibt es natürlich intensive Gespräche im Rahmen der internationalen Vertriebsorganisation der Hersteller.

Für-Gründer.de: Wie würdet ihr den Markt einschätzen? Ist in naher Zukunft eine Revolution im Bereich IoT zu erwarten?

Florian Bonanati von R3Coms: Im Moment bewegt sich sehr viel am Markt. Eine Einschätzung ist daher sehr schwierig. Klar ist, dass das Thema „Industrie 4.0" und „Industrial IoT" alle Markteilnehmer auf allen Wertschöpfungsstufen sehr umtreibt.

Das Thema Digitalisierung ist allerdings ein neues Feld, auf dem sich die angedachten Geschäftsmodelle noch erfolgreich etablieren müssen. Viele Marktteilnehmer beobachten die Entwicklungen sehr genau, halten sich aber noch zurück.

Ich selbst gehe davon aus, dass sich die Industrie bereits heute in einem gewaltigen Umwälzungsprozess befindet, auch wenn dies sich noch nicht überall materialisiert hat. Entsprechend erwarte ich tatsächlich eine Revolution, vielleicht am Anfang nicht gleichzeitig in allen Weltregionen, aber bestimmt regional. Diese wird sich dann zeitnah zu einer weltweiten Revolution ausweiten.

Für-Gründer.de: Wer sind eure direkten Konkurrenten auf dem Markt?

Florian Bonanati von R3Coms: In unserem Markt finden wir im Wesentlichen weltweit etablierte Unternehmen. Einerseits im Feld der Automatisierung wie Siemens, ABB oder GE und andererseits im Feld der Chip-Hersteller wie Intel oder Texas Instruments.

Entsprechend ist der Markteinstieg für ein Start-up wie uns nicht unbedingt einfach. Aufgrund unserer weltweit einzigartigen Technologie sowie bestehender IPRs rechnen wir uns aber eine gute Chance aus, im Kampf David gegen Goliath erfolgreich zu bestehen.

Für-Gründer.de: Und zum Abschluss: Welche drei Tipps könnt ihr angehenden Gründern mit auf den Weg geben?

Florian Bonanati von R3Coms:

  • Lernt jeden Tag etwas Neues und habt zu jederzeit Spaß an der Arbeit.
  • Lass euch nicht einschüchtern, andere kochen auch nur mit Wasser.
  • Behaltet stets eure Kreativität, Flexibilität und Dynamik.

Für-Gründer.de: Vielen Dank für das Interview!

Keyfacts zu R3Coms

  • Unser aktuelles Team besteht aus: Zwölf Mitarbeitern
  • Die erste Finanzierung erfolgte durch: Eine Kombination aus Bootstrapping, Fördergelder sowie Business Angels
  • Inzwischen gab es folgende weiteren Finanzierungen: Pre-Series-A-Finanzierung im Januar 2017
  • Unsere Investoren sind: Creathor aus Bad Homburg und IBB Beteiligungsgesellschaft aus Berlin
  • Investoren finden wir gut, weil: …sie zur Beschleunigung der Geschäftsentwicklung und Schärfung der Ausrichtung beitragen
  • Besonders geholfen haben uns bisher: Unsere Mentoren, die wir seit Mai 2016 in einem Beirat organisiert haben 
  • Besonders wichtig in unserem Arbeitsalltag sind für uns folgende drei: Offene Kommunikationskultur, ausgeprägter Teamgeist und familiärer Ausgleich
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