Erfolgreicher Gründer und Digitaler Nomade: Arbeiten, wo andere Urlaub machen

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Für viele ist es der große Traum. Als Digitaler Nomade durch die Welt reisen, an den schönsten Plätzen auf der Welt arbeiten und dabei noch erfolgreicher Chef seines eigenen Internet-Start-ups sein. Gerhard Oellinger, Gründer und Geschäftsführer von Mamiweb.de, macht das jetzt seit mehreren Jahren. In unserer Gründerstory erzählt er uns, wie er das geschafft hat, warum viel Gründerkapital nicht immer ein Segen ist und was aktuell seine Projekte sind.

 

Für-Gründer.de: Hallo Gerhard. Wenn Männer eine Special Interest Community für Schwangere und junge Mütter aufbauen, dann wundert das eventuell den ein oder anderen Leser. Du aber machst das mit Mamiweb.de nun schon ungefähr acht Jahre. Wie bist du damals auf diese Idee gekommen und wie sind seitdem deine Erfahrungen?

Gerhard Oellinger von Mamiweb: Die Idee entstand seinerzeit aus einem Gespräch mit einer befreundeten jungen Mutter, die mir damals erzählte, dass sie ihr altes Leben mit Partys, Ausgehen, und so weiter nicht mehr gut findet. Stattdessen würde sie gerne ein anders Leben führen und suchte ein neues soziales Umfeld. Sie wollte andere Mütter in ihrer näheren Umgebung kennenlernen, mit denen sie gemeinsam auf den Spielplatz gehen und andere Dinge mit den Kids unternehmen kann.

Zu der Zeit, also im Frühjahr 2006, betrieb ich bereits ein kleines Internet-Unternehmen – eine Online-Singlebörse in Österreich. Ich war also schon einige Jahre im Online Business aktiv. Als ich zuhörte, entstand bei mir die Idee, dass man analog zu einer Partnerbörse auch hier Gleichgesinnte zusammenbringen kann. Die technische Infrastruktur ist im Prinzip ähnlich. Da es so etwas wie eine Mütter-Community zum damaligen Zeitpunkt im Web noch nicht gab und mich der Gründergeist packte, fing ich an die Idee eines Online-Netzwerks für Mütter zu verfolgen.

Mit Kindern ändert sich der Alltag schlagartig – Gleichgesinnte zu finden ist dann ein Segen. (Quelle: Mamiweb) Mit Kindern ändert sich der Alltag schlagartig – Gleichgesinnte zu finden ist dann ein Segen. (Quelle: Mamiweb.de)

Für-Gründer.de: Es ist nachzulesen, dass ihr damals über zwei Finanzierungsrunden Business Angels bei Mamiweb ins Boot geholt habt. Wie sind deine Erfahrungen mit Investoren im eigenen Unternehmen, was würdest du unseren Lesern empfehlen?

Gerhard Oellinger von Mamiweb: Kapital gibt einem die Möglichkeit, schneller zu wachsen und gewisse Entwicklungsschritte im Leben eines Unternehmens teilweise deutlich schneller durchlaufen zu können.

Zu viel Kapital zur Verfügung zu haben ist aber nicht immer ein Segen.

Nicht selten verleitet es dazu, Geld ineffizient einzusetzen, die Personalstruktur zu schnell mit den falschen Leuten aufzublähen, zu viel zu riskieren und so weiter – es muss ja alles schnell gehen. Investoren erhalten für ihr Investment Unternehmensanteile als Gegenleistung. Der Nachteil liegt damit auf der Hand. Man wird dadurch abhängig und gibt zahlreiche Kontroll- und Steuerungsrechte im Unternehmen ab. Nebenbei hat man regelmäßige Reporting-Pflichten und verbringt -  je nach Investor - mehr oder weniger Zeit damit, Dinge zu diskutieren.

Im Allgemeinen kann man sagen, je mehr Investoren involviert sind, desto komplizierter und politischer wird es bei Entscheidungsfindungen – das Negativ-Beispiel sind dann letztlich Großkonzerne.

Ohne Investoren hätten wir Mamiweb – zur damaligen Zeit – vermutlich nicht in der Form und so schnell aufbauen können. Prinzipiell sehe ich Business Angels und Investoren positiv, wir hatten für die damaligen Verhältnisse in Deutschland ziemlich professionelle Investoren. Leider hatten wir unsere Expansionsphase aber genau zu Beginn der Finanzkrise 2008, was mit Sicherheit nicht der beste Zeitpunkt war.

Meine Tipps:

  • Jeder sollte sich überlegen, ob er zum aktuellen Zeitpunkt wirklich Investoren braucht. Benötigt man kleinere Summen, überwiegen oftmals die Nachteile und man ist besser beraten, Förderungen, Kredite oder gegebenenfalls auch Crowdfunding-Möglichkeiten zu nutzen.
  • Es ist wichtig, sich von Anfang an zu überlegen, welche Investoren man mit ins Boot holt. Man heiratet ja auch nicht die erstbeste Frau, die man in der Bar kennenlernt. Wie in einer Ehe, kann es auch bei einem Investorenverhältnis langfristig krachen – mit entsprechenden Folgen für das gesamte Unternehmen und alle Beteiligten.
  • Investoren sollte man sich erst dann ins Unternehmen holen, wenn das Geschäft bereits läuft und gute Perspektiven bietet. Ansonsten findet man ohnehin nur schwer Kapitalgeber. Und wenn, muss man bereits von Anfang an eine Menge Anteile am Unternehmen abgeben. Diese Anteile fehlen später, wenn weitere Investorenrunden notwendig sind, man aber eigentlich die Kontrolle über das Unternehmen behalten möchte. Das gleiche gilt bei zu vielen Investoren: das Sprichwort "zu viele Köche verderben den Brei" hat sich hierbei oft bewahrheitet.

Ich persönlich würde auch eher in ein junges Unternehmen investieren, in dem die Gründer eine deutliche Mehrheit halten und die Investoren trotzdem signifikante Investitionen tätigen – das heißt, dass es für sie nicht bloß Geld aus der sprichwörtlichen Portokasse ist. Erst dann stehen für mich die Zeichen insgesamt auf Erfolg.

Für-Gründer.de: Würdest du dich wieder für diesen Weg entscheiden oder was würdest du anders machen?

Gerhard Oellinger von Mamiweb: Jede Zeit ist anders. Heute ist die deutsche und europäische Investoren-Szene größer und professioneller geworden, als es 2007 der Fall war. Auch gibt es heute zahlreiche Fördermöglichkeiten. Gleichzeitig ist aber auch die Konkurrenz erheblich gewachsen. Online- bzw. Mobile-Business ist zum Mainstream geworden.

Ich würde ein neues Unternehmen erstmal aus eigener Kraft aufbauen und versuchen, erst alle eigenen Möglichkeiten auszuschöpfen. Später, in der Expansionsphase, kann es durchaus Sinn machen, sich externe Geldgeber ins Unternehmen zu holen.

Für-Gründer.de: Würdest du uns verraten, wie die aktuelle Struktur bei Mamiweb ist? Sind die Business Angels noch an Bord?

Gerhard Oellinger von Mamiweb: Es gibt auch bei Mamiweb nach wie vor Investoren an Bord. Wir haben ein sehr gutes Verhältnis.

Für-Gründer.de: In den letzten Jahren hat sich der Markt rasant verändert, Big Player wie Facebook, Instagram, Snapchat sind dazu gekommen. Wie hat sich dein Geschäftsmodell geändert und sind Facebook & Co. für dich als Portalbetreiber eher Fluch oder Segen?

Gerhard Oellinger von Mamiweb: Wir nutzen Facebook als Plattform und haben eine große Mamiweb-Fangruppe aufgebaut. Das gesamte Onlinegeschäft, wozu ich auch den Bereich Mobile zähle, verändert sich permanent. Das sollte man wissen und danach agieren.

Es gibt zu jeder Zeit Chancen. Flexibilität und Neugier sind dabei sehr wichtig. Generell bieten neue Plattformen und Big Player immer auch neue Chancen für das eigene Geschäft.

Für-Gründer.de: Für-Gründer.de: Angesichts der veränderten Wettbewerbsbedingungen: Worauf setzt du aktuell in Sachen Online Marketing?

Gerhard Oellinger von Mamiweb: Aktuell betreiben wir bei Mamiweb nur wenig Online Marketing, was aber nicht so bleiben muss. Der deutsche Online- und Mobile-Markt ist mittlerweile sehr stark amerikanisch dominiert von Playern wie Google und Facebook sowie von den Unternehmen, die sie sich einverleibt haben (Instagram, Youtube). Daran führt kein Weg vorbei und bietet aktuell auch das größte Potenzial. Das kann in den kommenden Jahren aber anders aussehen.

digitaler_nomade3 Selbst an den verrücktesten Plätzen ist das Laptop dabei (Quelle: Mamiweb.de)

Für-Gründer.de: Ein weiteres spannendes Thema ist die Monetisierung einer Community-Plattform. Welche Tipps hast du, damit langfristig und nachhaltig Geld verdient werden kann?

Gerhard Oellinger von Mamiweb: Wir monetarisieren Mamiweb über Werbung und werden dabei von Gruner + Jahr vermarktet. Die Zielgruppe Mütter und werdende Mütter ist eine der am stärksten nachgefragten Personengruppen in der Werbewelt.

Mütter sind erstens die größte homogene gesellschaftliche Gruppe, zudem sind Mütter sogenannte Multiplikatoren. Das bedeutet, sie treffen Kaufentscheidungen nicht nur für sich selbst, sondern für die gesamte Familie. Das erklärt auch warum so viele Branding-Kampagnen gezielt für diese Zielgruppe konzipiert werden.

Die Basis beginnt meines Erachtens mit einem guten Produkt. Etwas, das gebraucht wird und eine gewisse Langlebigkeit hat. Zudem sollte das Produkt einem selbst einen gewissen Spaß machen. Bei mir war das damals die Online-Community, also Menschen zusammenzubringen. Das zu finden und dann aufzubauen, dauert oftmals seine Zeit.

Schnelles Geld zu machen ist sicherlich immer möglich, aber meistens nicht nachhaltig.

Hat man dies geschafft, ist es wichtig, eine gewisse Reichweite zu erlangen. Denn nur dann ist man auch relevant für Werbekunden, kann ein Abo-Modell aufsetzen oder von E-Commerce leben. Neben einem guten Produkt und der entsprechenden Reichweite sind allerdings auch noch Faktoren wie Networking, Vertrauen schaffen und so weiter entscheidend. Letztlich braucht man immer auch Partner, um erfolgreich zu sein und zu monetarisieren.

Für-Gründer.de: Wer dir bei Facebook folgt, weiß, dass du inzwischen als Digitaler Nomade dein Geld verdienst. Wie kam es dazu und wie lässt sich das mit deinen Projekten vereinbaren?

Gerhard Oellinger von Mamiweb: Wir steckten in den Jahren 2010 bis 2013 in einem algorithmischen Google-Penalty und die Lage schien aussichtslos. Unser Traffic, den wir von Google erhielten, hatte sich um über 90% reduziert. Im Zuge dessen mussten wir notgedrungen die Kostenbasis auf ein absolutes Minimum reduzieren, da unser Umsatz sukzessive zurückging. Wir waren damals stark abhängig von organischem Suchmaschinen-Traffic.

Als wir nach langem Herumprobieren - quasi in letzter Minute - wieder begannen, bei Google zu ranken, wuchsen auch unsere Umsätze wieder. Nach und nach stellen sich die damals getroffenen "Radikalmaßnahmen" plötzlich als Segen für Mamiweb dar. Wir waren durch die geringen laufenden Kosten – wir hatten sogar Homeoffice statt der permanenten Anwesenheit im Büro eingeführt – wesentlich profitabler geworden. Einen Großteil der Maßnahmen haben wir bis heute beibehalten, da es gut funktionierte.

Unsere moderne Arbeitsweise gibt mir damit eine gewisse örtliche Freiheit, die ich mittlerweile auch nutze. Ich arbeite einfach besser, wenn mich eine schöne und sonnige Umgebung, gutes Essen und Ähnliches motivieren.

Für-Gründer.de: Welche Tipps kannst du Gründern geben, die ihr Geld ebenfalls als Digitaler Nomade verdienen wollen. Was ist deiner Meinung nach besonders wichtig?

Gerhard Oellinger von Mamiweb: Es gibt immer mehr Möglichkeiten, dies zu tun und es gibt auch immer mehr Digitale Nomaden. Auf meinen Reisen begegne ich Menschen, die von einem Youtube-Kanal, Instagram oder auch einfach nur Affiliate-Marketing leben. Wie das funktioniert, muss sich letztlich jeder selbst aneignen. Wie im Unternehmertum allgemein,  so gehört zu diesem Schritt eine Portion Risiko, ein starker Wille und Durchhaltevermögen dazu.

Die meisten Digitalen Nomaden sind gewissermaßen kleine Unternehmer – meist ziemlich erfolgreiche One-Man oder One-Woman-Shows. In Mexiko beispielsweise lebt eine große internationale Community von Digitalen Nomaden, die einzig vom Online-Poker leben – und das gar nicht schlecht. Neben Mexiko gibt es aber noch eine Reihe anderer Nomaden Hubs, vor allem in Ländern, in denen die Lebenskosten geringer sind. Für den Preis einer Monatsmiete in Frankfurt oder München kann man in vielen Teilen der Welt sehr gut in hochwertigen Hotels leben – Pool, Verpflegung, Sportmöglichkeiten und gute Kontakte inklusive.

Generell halte ich es für sehr wichtig, sich selbst möglichst viele Fähigkeiten in einer gewissen Tiefe anzueignen. Dadurch wird man flexibel und kann viel ausprobieren. Muss man hingegen wegen jeder Kleinigkeit Hilfe suchen, ist das irgendwann frustrierend und man verliert die Lust.

Aber auch ohne eigene Online-Ideen gibt es Möglichkeiten. Mittlerweile bieten immer mehr Unternehmen richtig gute Jobs speziell für Digitale Nomaden an, wie beispielsweise Wordpress das aktuell tut.

Als Digitaler Nomade kann man von überall arbeiten. (Quelle: Mamiweb) Als Digitaler Nomade kann man von überall arbeiten. (Quelle: Mamiweb.de)

Für-Gründer.de: Wie geht es bei dir zukünftig weiter?

Gerhard Oellinger von Mamiweb: Ich bin nach wie vor gut mit Mamiweb beschäftigt und arbeite aktuell an einer verbesserten Software. Es gibt noch viel zu tun und auch viel Potenzial für Mamiweb.

 Für-Gründer.de: Abschließende Frage: Wo bist du gerade und was ist dein nächstes Reise- beziehungsweise Arbeitsziel?

Gerhard Oellinger von Mamiweb.de: Derzeit bin ich in Frankfurt. Wenn es kälter wird, warten aber Ziele wie Fuerteventura, Thailand und andere darauf, angeflogen und in Büros umgewandelt zu werden. Vielleicht probiere ich aber auch mal die Berge Österreichs aus. Dort ist es im Winter zwar kalt, aber die Luft ist hervorragend und oberhalb der Nebelgrenze immer schön sonnig. Gute Luft sorgt abgesehen davon immer für gute Ideen.

Für-Gründer.de: Gerhard, vielen Dank für das Gespräch.

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