Dieses Start-up möchte den Fachkräftemangel durch die Flüchtlingskrise verringern

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Die deutsche Wirtschaft wächst und die Arbeitslosenquote ist auf dem niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung. Das Wirtschaftswachstum könnte noch höher ausfallen, würde es den Fachkräftemangel nicht geben. Der demographische Wandel stellt Deutschland vor ein Problem – ebenso wie der Zustrom von Flüchtlingen. An dieser Stelle setzt das Start-up JobKraftwerk an. Die Online-Plattform hilft bei der Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt, während Unternehmen gleichzeitig Zugang zu potenziellen Fachkräften erhalten.

 

Für-Gründer.de: Hallo Tom, ihr habt mit JobKraftwerk.com eine Plattform gegründet, die einerseits Flüchtlingen bei der Integration in den Arbeitsmarkt helfen soll, auf der anderen Seite sollen Unternehmen Zugang zu potenziellen Arbeitskräften bekommen. Wie kamt ihr auf diese Idee und was ist eure Motivation?

Tom Lawson von JobKraftwerk: Ich saß an einem Herbstabend 2015 vor dem Fernseher und schaute Nachrichten. Ich weiß noch, dass es draußen regnete und stürmte. Die Nachrichtenfolge war in etwa so: Die Arbeitslosenquote ist auf dem niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung. - In Deutschland gibt es einen Fachkräftemangel und unbesetzte Ausbildungsplätze. - Die Wirtschaft in Deutschland soll in den nächsten Jahren weiter wachsen. -  Eine Million Flüchtlinge kommen nach Deutschland, größtenteils im erwerbsfähigen Alter.

Die Ankunft der Flüchtlinge bietet somit eine große Chance für Deutschland, um eine strukturelle und demographische Herausforderung zu lösen, die mittelfristig die deutsche Wirtschaftskraft limitiert. Warum funktioniert die Arbeitsmarktintegration nicht besser und schneller?

Kritische Erfolgsfaktoren sind die Kompetenzerfassung und der einfache Zugang von Unternehmen und Flüchtlingen zueinander. Ich rief an diesem Abend noch meinen Freund Oliver an und er hatte dieselben Nachrichten gesehen und die gleiche Idee wie ich: diese Probleme mit einer Online-Plattform speziell für Flüchtlinge zu lösen – skalierbar, effizient und in hoher Qualität. Die Idee für JobKraftwerk war geboren.

Für-Gründer.de: Gestatte uns einen Blick hinter die Kulissen: Wer steht genau hinter JobKraftwerk.com?

Tom Lawson von JobKraftwerk: Oliver und ich haben im Frühjahr die Idee gemeinsam zu einem Konzept geformt und bei der Entwicklung des Prototypen Benedikt kennengelernt. Wir haben gleich gemerkt, dass wir ähnlich ticken und er uns gut ergänzt. Oliver und ich bringen zusammen dreißig Jahre Führungserfahrung in Konzernen, Personalmanagement und Beratungs-Know-how mit. Benedikt hat schon bei mehreren Start-ups die technologische Leitung übernommen und ist der perfekte CTO. Gemeinsam bilden wir die Geschäftsführung von JobKraftwerk.

Das Team von JobKraftwerk bringt jede Menge Führungserfahrung und löst zwei Probleme gleichzeitig. (Quelle: JobKraftwerk) Das Team von JobKraftwerk bringt jede Menge Führungserfahrung mit und löst zwei Probleme gleichzeitig. (Quelle: JobKraftwerk)

Für-Gründer.de: Handelt es sich bei JobKraftwerk.com in erster Linie um eine Jobbörse für Flüchtlinge, oder wollt ihr damit noch mehr erreichen? Also ganz konkret: Was kann JobKraftwerk.com genau und wie lassen sich damit Probleme von Flüchtlingen bewältigen?

Tom Lawson von JobKraftwerk: JobKraftwerk ist in erster Linie keine Jobbörse, sondern möchte die Beschäftigungfähigkeit von Flüchtlingen erhöhen. Konkret bedeutet dies, dass Flüchtlinge ihre Kompetenzen, Erfahrungen und Qualifikationen auf JobKraftwerk in ihrer Muttersprache erfassen können und dann einen standardisierten Lebenslauf in Deutsch erhalten. Darüber hinaus bieten wir auch Tests von arbeitsmarktrelevanten Stärken an, um eine objektive Standortbestimmung der Bewerber zu ermöglichen.

Außerdem erhalten sie auch Tipps und Trainings zum Bewerbungsprozess in Deutschland. Unternehmen haben dann die Möglichkeit, passende Profile von potenziellen Bewerbern in ihrer Region zu finden und direkt zum Bewerbungsgespräch einzuladen. Damit machen wir Flüchtlinge fit für den deutschen Arbeitsmarkt und geben Unternehmen Zugang zu potenziellen Arbeitskräften. Die Erstellung des Lebenslaufs wird ab 2017 deutschlandweit verfügbar und für alle Nutzer offen sein, also auch für nicht-Flüchtlinge.

Für-Gründer.de: Neben der guten Tat wollt ihr mit JobKraftwerk.com sicher auch Geld verdienen. Wie ist euer Geschäftsmodell, um langfristig Erfolg zu haben?

Tom Lawson von JobKraftwerk: In erster Linie ist JobKraftwerk ein Social-Start-up. Uns geht es darum, einen Beitrag zu leisten, die gesellschaftliche Herausforderung der Integration zu meistern.

Die Flüchtlinge zahlen für die Nutzung der Plattform nichts.

Natürlich haben wir viel Geld in die Entwicklung investiert und müssen den Betrieb finanzieren. Dazu sind wir auf Sponsoring von Unternehmen, Verbänden und Kommunen angewiesen.

Für-Gründer.de: Bei einigen Kritikern wird „Social" und „Entrepreneurship" in Kombination als Widerspruch gesehen. Dann lautet das Credo: „Wie kann man mit den Problemen anderer Geld verdienen? Das ist nicht sozial." Wie begegnet ihr solcher Kritik?

Tom Lawson von JobKraftwerk: Sozial ist laut Duden „dem Gemeinwohl dienend, die menschlichen Beziehungen in der Gemeinschaft fördernd und den wirtschaftlich Schwächeren schützend“. Dabei können, wie im Falle von JobKraftwerk, Aufwände entstehen, die finanziert werden müssen. Aber das Ziel von JobKraftwerk ist den Social Impact zu maximieren. Im Übrigen wäre es mir lieber, wenn Unternehmen Geld damit verdienen, Gutes zu tun. Solange die gesellschaftlichen Probleme damit gelöst werden, ist das in Ordnung - im Gegensatz zu Unternehmen, die sich den sozialen Problemen gar nicht erst widmen.

Für-Gründer.de: Wie finanziert ihr eigentlich euer Projekt: Habt ihr Investoren an Bord oder läuft alles per Bootstrapping?

Tom Lawson von JobKraftwerk: Zurzeit ist alles gebootstrappt und die Gesellschafter finanzieren das Unternehmen.

Im Rahmen der weiteren regionalen Expansion suchen wir eine erste Finanzierungsrunde.

Für-Gründer.de: Das Thema Flüchtlinge ist auch ein politisches, das in Deutschland sehr polarisiert. Wie geht ihr damit um und was sind eure persönlichen Erfahrungen mit Flüchtlingen?

Tom Lawson von JobKraftwerk: Meine persönlichen Erfahrungen mit Flüchtlingen sind sehr positiv. Flüchtlinge auf JobKraftwerk wollen wirklich arbeiten und sind auch zu Zugeständnissen bereit, zum Beispiel unterhalb ihres Qualifikationsniveaus zu arbeiten, um im deutschen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Eine große Herausforderung stellt der Spracherwerb dar. Hier ist aus meiner Sicht die Politik gefragt, noch mehr Unterstützung zu bieten.

JobKraftwerk verbindet Unternehmer mit Arbeitssuchenden Flüchtlingen und löst so das Integrationsproblem. (Quelle: JobKraftwerk) JobKraftwerk verbindet Unternehmer mit arbeitssuchenden Flüchtlingen und löst so das Integrationsproblem. (Quelle: JobKraftwerk)

Für-Gründer.de: Im Rahmen eurer Tätigkeit habt ihr sicher auch viel mit Behörden, Ämtern oder dem BAMF zu tun. Wie sind hier eure Erfahrungen: Werdet ihr als junges Start-up mit offenen Armen oder eher mit Skepsis empfangen?

Tom Lawson von JobKraftwerk: Wir haben viel Kontakt zu Ämtern und Behörden wie dem Ausländeramt und der Agentur für Arbeit. Unsere Erfahrungen sind durchweg positiv und wir erfahren viel Unterstützung von Seiten der Ämter. Natürlich ist das auch immer vom jeweiligen Sachbearbeiter abhängig und manchmal dauert es, bis man den richtigen Ansprechpartner gefunden hat. Aber bisher hatten wir immer Glück!

Für-Gründer.de: Ihr habt beim Businessplan-Wettbewerb Berlin-Brandenburg dieses Jahr den ersten Platz in der Kategorie Business Model Canvas belegt. Erklärt doch bitte kurz, was das Model kann und wie es euch konkret bei der Umsetzung eures Vorhabens geholfen hat.

Tom Lawson von JobKraftwerk:  Business Model Canvas ist ein wirklich nützliches Werkzeug, um eine Business Idee auf einer Seite zusammenzufassen. Das zwingt, die einzelnen Punkte sehr präzise zu formulieren und ermöglicht die schnelle Vergleichbarkeit verschiedener Ideen.

Uns hat das Format sehr geholfen, um die erste Idee in ein detaillierteres Konzept zu überführen. Einen Businessplan kann das Tool aber nicht ersetzen.

Für-Gründer.de: Was sind eure nächsten Schritte bei JobKraftwerk.com und wo wollt ihr in einem Jahr stehen?

Tom Lawson von JobKraftwerk: Wir arbeiten gerade die in den letzten Monaten gesammelten Erfahrungen in unseren nächsten Entwicklungssprint ein. Im Januar 2017 starten wir dann bundesweit mit der Kompetenzerfassung von Flüchtlingen und bieten die Lebenslauferstellung für Jedermann an. Im Laufe des Jahres 2017 planen wir, international zu expandieren und unser Leistungsangebot weiter auszubauen.

Für-Gründer.de: Tom, weiterhin viel Erfolg und vielen Dank für das Gespräch.

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