Unnötige Hysterie wegen Klopapier

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Corona-Spezial

Malte Schremmer und sein Team stellen soziales Klopapier her, das zu 100 Prozent aus Altpapier hergestellt ist. Im aktuellen Run auf das Badutensil sieht der selbst ernannte Chief Shit Advisor aber wenig Soziales. Warum gegen die Hysterie ein Klopapier-Online-Rechner hilft und wie Goldeimer mit der enorm hohen Nachfrage nach Toilettenpapier in der Corona-Krise umgeht, verrät Malte im Interview.

 

goldeimer 1200 Goldeimer stellt soziales Klopapier her. Auch in der Corona-Krise spricht sich Chief Shit Advisor Malte (ganz links im Bild) für mehr soziales Miteinander anstelle von Hamsterkäufen aus. (Foto: Goldeimer)

GründerDaily: Hallo Malte, Klopapier ist aktuell das wohl meistgekaufte Produkt der Deutschen in der Corona-Krise. Wie erging es dir bei eurem Goldeimer-Klopapier im Handel und im Onlineshop?

Malte von Goldeimer: Ja, die Klopapierkrise scheint die Menschen derzeit leider mehr zu beschäftigen als das Corona-Virus. Wir sind über unseren Onlineshop innerhalb weniger Tage ausverkauft gewesen, selbst als wir das Angebot auf die Minimum-Bestellmenge reduziert hatten. Die Vorräte für den Lebensmitteleinzelhandel waren eine Woche später ausverkauft. Wie sich die unnötige Hysterie auf Klopapier ausgewirkt hat, werden wir erst in einigen Wochen bewerten können.

GründerDaily: Wie geht ihr mit den Lieferengpässen um und was bedeutet es für dein Start-up, die Kundenanfragen nicht mehr bedienen zu können?

Malte von Goldeimer: Wir verkaufen nur, was auch tatsächlich auf Lager ist, und haben den Onlineshop bis auf Weiteres ausgesetzt. Wer im Anschluss wieder bei uns bestellen möchte, um unsere Sanitär- und Hygieneprojekte zu unterstützen, kann sich in einen Newsletter eintragen. Wir informieren dann, sobald wir wieder lieferfähig sind.

GründerDaily: Ergreift ihr besondere Kommunikationsmaßnahmen?

Malte von Goldeimer: Wir finden den Run auf Klopapier ehrlich gesagt schräg, unverhältnismäßig und maximal unsolidarisch gegenüber dem Rest der Gesellschaft. Wir haben einen durchaus ernst gemeinten Klopapier-Rechner auf unserer Website zur Verfügung gestellt, mit dem der persönliche Bedarf kalkuliert werden kann. So stellt sich schnell raus, dass die Angst vor der leeren Rolle unbegründet ist.

GründerDaily: Was läuft bei dir nun alles im Hintergrund, um schnellstmöglich wieder an Ware zu kommen?

Malte von Goldeimer: Wir haben mit WEPA einen verlässlichen Produzenten, der derzeit alles tut, um die Nachfrage zu bedienen. Da wir selbst nicht produzieren, haben wir da nicht viel in der Hand und drücken unseren Produktionspartnern die Daumen, dass der Wahnsinn bald vorbei ist. Schließlich kann Klopapier nicht bis ins Unermessliche konsumiert werden.

GründerDaily: Ein anderes Standbein ist die Vermietung von 85 Komposttoiletten auf Festivals. Wie geht ihr mit der aktuellen Situation um?

Wir rechnen mit einer Absage der Open Air Events in den kommenden Wochen und stellen uns auf einen Sommer ohne Goldeimer auf Festivals ein. Vermutlich müssen wir einen Teil unserer Crew in Kurzarbeit schicken, um den Sommer zu überbrücken. Stattdessen werden wir uns nun vorrangig um Online-Formate kümmern und kreativ werden wie alle anderen.

GründerDaily: Wie viele seid Ihr im Team und wie arbeitet ihr aktuell während der Corona-Krise?

Malte von Goldeimer: Wir sind 7 Personen in Anstellungsverhältnissen. Für uns ändert sich nicht viel, da wir seit 6 Jahren remote aus mehreren Städten arbeiten und uns grundsätzlich über Onlinetools austauschen. Das wöchentliche Meeting in Hamburg fällt nun leider vorerst aus.

GründerDaily: Was bedeutet die Corona-Krise für eure Projekte, in welche die Gewinne von Klopapier und Festivals einfließen?

Malte von Goldeimer: Das ist momentan nicht absehbar. Unsere Partner von der Welthungerhilfe werden in Kürze Maßnahmen für den Umgang mit dem Virus in den besonders gefährdeten Ländern des Globalen Südens unternehmen. Hier zu unterstützen, zu helfen und Projekte zu finanzieren, wird wichtiger denn je sein. Das Gesundheitssystem in den Ländern ist ohnehin schon überlastet, das Corona-Virus wird verheerende Auswirkungen auf das Leben der Menschen haben. Ich hoffe, dass wir an dieser Stelle die schwachen Teile der Weltbevölkerung nicht vergessen.

GründerDaily: Wie plant ihr für euch das laufende Jahr?

Malte von Goldeimer: Wir strukturieren uns neu, werden neue Formate entwickeln und versuchen, die Krise als Chance zu begreifen. Das kapitalistische, auf maximales Wachstum ausgerichtete System ist in dieser Form nicht aufrechtzuerhalten, wir müssen neu denken und neue Formen der Zusammenarbeit und Solidarität entwickeln. Hier wollen wir unseren Teil beitragen.

GründerDaily: Welchen Tipp kannst Du anderen Gründern in dieser Zeit geben?

Malte von Goldeimer: Jetzt ist die Zeit für Veränderungen, Experimente und Ausprobieren. Als kleine Unternehmen können wir schneller reagieren und umsteuern als andere.

Keyfacts über Goldeimer:

  • Gegründet im Jahr: 2014
  • Firmensitz in: Hamburg
  • Unser aktuelles Team besteht aus: 7 Personen
  • Die erste Finanzierung erfolgte durch / über: Ideenwettbeweb, befreundete Investoren mit Interesse an sozialer Wirkung, nicht Profit
  • Besonders geholfen haben mir/uns bisher: Welthungerhilfe, Viva con Agua, Freunde, ein Team mit 1000 PS und 200 % Herzblut
  • Besonders wichtig im Arbeitsalltag sind für mich/uns folgende:
    • Menschen: meine Kollegen und Flashfreunde für gute Ideen
    • Tools: Trello, GSuite, Messenger, Faxgerät
    • Internetseiten: bin großer Fan vom Katapult-Magazin
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