Vorvertragliche Aufklärungspflicht: der Franchise-Dauerbrenner

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Jeder Franchisenehmer hat das Recht, sich vor dem Vertragsabschluss bei seinem potenziellen Franchisegeber vollständig und wahrheitsgemäß über die Umstände des Systems bzw. die damit verbundenen Bedingungen Informationen zu einzuholen. In diesem Interview geben zwei Experten der internationalen Wirtschaftskanzlei DWF einen Einblick in das Thema vorvertragliche Aufklärungspflicht: Was beinhaltet diese - und was, wenn der Franchisegeber keine Informationen preisgibt?

 

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Für-Gründer.de: Was bedeutet die vorvertragliche Aufklärung für potenzielle Franchisenehmer?

Dr. Christine von Hauch, DWF: Ganz grundsätzlich bedeutet vorvertragliche Aufklärung, dass sich Franchisegeber und Franchisenehmer vollständig und wahrheitsgemäß über die jeweiligen relevanten Umstände für die Franchisepartnerschaft informieren. Wird diese Pflicht verletzt, sind Schadensersatzansprüche der jeweils anderen Seite denkbar, falls dieser durch die falsche bzw. unvollständige Information ein Schaden entstanden ist. Auf Seiten des Franchisegebers können dies zum Beispiel Kosten durch eine Schulung sein, auf Seiten des Franchisenehmers kann die Rückabwicklung des Vertrags einschließlich der Erstattung bereits geleisteter Franchisegebühren in Betracht kommen.

Die Pflicht zur vorvertraglichen Aufklärung setzt bereits beim Erstkontakt ein, wenn der Franchisegeber dem potenziellen Franchisenehmer bei diesem Anlass Einzelheiten seines Systems darstellt.

vorvertragliche_aufklaerungspflicht Die Pflicht zur vorvertraglichen Aufklärung setzt bereits beim Erstkontakt ein.

Für-Gründer.de: Welche Informationen durch den Franchisegeber sind Pflicht?

Dr. Mathias Reif, DWF: Den Franchisegeber trifft die Pflicht, über all diejenigen Umstände zu informieren, die erkennbar von Wichtigkeit für die Vertragsentscheidung des jeweiligen Interessenten sind - insbesondere darüber, wie das Franchisesystem funktioniert, sowie über die Erfolgsaussichten. Der potenzielle Franchisenehmer ist vom Franchisegeber anhand der mitgeteilten Informationen zudem in die Lage zu versetzen, seine eigene Rentabilitätsberechnung anzustellen.

Zwar wird der Umfang der Aufklärungspflicht im Einzelnen entscheidend vom Vorwissen des potenziellen Franchisenehmers bestimmt (Existenzgründer oder bereits Erfahrungen als Kaufmann?). Gleichwohl gibt es aber Umstände, über die der Franchisegeber immer zwingend informieren muss. Hierzu zählen unter anderem:

  • Angaben zu den Umsatz- und Renditeerwartungen auf Basis der Erfahrung bestehender Systembetriebe – ohne dass dadurch eine Garantie für die tatsächliche Erreichung im Einzelfall abgegeben wird –,
  • die Zahl der gescheiterten Franchisenehmer sowie
  • die Fluktuationsrate des Systems,
  • zu zahlende Franchisegebühren sowie
  • die sonstigen zu erwartenden Kosten eines Systembetriebes,
  • der (Eigen-)Kapitalbedarf des Franchisenehmers und
  • die Marke sowie
  • sonstige gewerbliche Schutzrechte des Franchisegebers.

Darüber hinaus müssen rechtzeitig vor Vertragsabschluss unter anderem die wesentlichen Informationen zur Systemzentrale sowie der Franchisevertrag übermittelt werden. Eine gute Richtlinie über die zur Verfügung zu stellenden Informationen stellt die Aufstellung im Rahmen des (unverbindlichen) Ethik-Kodex' des Deutschen Franchise-Verbands (DFV) dar. Es versteht sich von selbst, dass sämtliche Angaben zutreffend, vollständig und nicht irreführend sein müssen.

Für-Gründer.de: An welchen Stellen halten sich Systeme Ihrer Erfahrung nach eher bedeckt?

Dr. Mathias Reif, DWF:

Die genannten Informationen sind vom Franchisegeber von sich aus – also ohne dass der potenzielle Franchisenehmer nachfragen muss – umfassend und richtig zu erteilen.

Anderenfalls macht sich der Franchisegeber gegebenenfalls schadensersatzpflichtig. Diejenigen Systeme, die Mitglied im DFV sind, nehmen die vorvertragliche Aufklärungspflicht daher zu Recht auch ernst.

Im Übrigen sind verallgemeinernde Aussagen kaum möglich. Allerdings hatten die Gerichte in der Vergangenheit eher Fälle zu entscheiden, in denen der jeweilige Franchisegeber aktiv falsche Informationen übermittelt hatte, gegenüber solchen Fällen, in denen der Franchisegeber trotz bestehender Aufklärungspflichten keine oder keine ausreichende Information erteilte.

Für-Gründer.de: Was ist Ihr Rat an Gründer, wenn ein Franchisegeber nur spärliche Informationen bereitstellt?

Dr. Mathias Reif, DWF: Das könnte ein Indiz für ein unseriöses System sein. Hier empfiehlt es sich dringend, konkreter nachzufragen.

Für-Gründer.de: Wenn alles passt, geht es an den Franchisevertrag. Was sind hierfür Ihre wichtigsten Tipps?

Dr. Christine von Hauch, DWF: Beraten Sie sich frühzeitig mit Experten Ihres Vertrauens, insbesondere in den Bereichen Steuern/Wirtschaftsprüfung, Recht, Finanzierung sowie gegebenenfalls allgemeine Franchiseberatung. Prüfen Sie ferner den Ihnen vorgelegten Franchisevertrag – im Regelfall besteht wenig bis gar kein Verhandlungsspielraum hinsichtlich des Vertrags – bzw. lassen Sie diesen von Experten prüfen.

Anhand der Dokumente zur vorvertraglichen Aufklärung sowie des Franchisevertrags lässt sich schnell erkennen, ob fair gespielt wird und ob es sich um ein seriöses System handelt. Achten Sie zum Beispiel darauf, dass die Höhe der Einstiegsgebühr und die Laufzeit in einem vernünftigen Verhältnis zueinander stehen, dass sich Ihre Investition also amortisieren kann.

Achten Sie ferner darauf, ob der Franchisevertrag alle wesentlichen Regelungen enthält. Dazu gehören unter anderem:

  • Regelungen zu den Rechten und Pflichten der Vertragsparteien,
  • die Darstellung des Franchisesystems einschließlich der Systemprodukte/ -dienstleistungen,
  • Regelungen zu den Franchise- und ggf. Werbegebühren,
  • zu Änderungsvorbehalten in Hinblick auf die Weiterentwicklung des Konzepts sowie
  • Regelungen zur Vertragsdauer und seiner Beendigung.

Über die Interviewpartner

DWF ist eine internationale Wirtschaftskanzlei mit derzeit 16 Büros an bedeutenden Wirtschaftsstandorten, darunter London und Dubai. In Deutschland ist DWF mit Büros in Köln und München vertreten. Die Kanzlei verfügt darüber hinaus über ein umfangreiches internationales Beraternetzwerk. DWF ist von der Financial Times als eine von Europas innovativsten Anwaltskanzleien ausgezeichnet worden. Über das Kölner Büro berät DWF u.a.im nationalen und internationalen Franchising. Die Kanzlei berät Unternehmer, Vertriebsmittler und Verbände jeder Branche umfassend in allen Fragen des nationalen und internationalen Vertriebsrechts, insbesondere des Franchiserechts, Handelsvertreterrechts und Vertragshändlerrechts.

dr-mathias-reif Dr. Mathias Reif ist Partner im Kölner Büro von DWF Germany (Foto: DWF)

  • Dr. Mathias Reif ist Partner im Kölner Büro von DWF Germany. Zugleich verantwortet er als Head of Corporate & M&A Germany die gesellschaftsrechtliche und M&A-Praxis der deutschen Büros. Dr. Reif ist langjähriger Assoziierter Experte des Deutschen Franchise-Verbands.

dr-christine-von-hauch Dr. Christine von Hauch ist Senior Associate im Kölner Büro von DWF Germany (Foto: DWF)

  • Dr. Christine von Hauch ist Senior Associate im Kölner Büro von DWF Germany. Dr. von Hauch berät Mandanten überwiegend im nationalen und internationalen Vertriebsrecht, insbesondere Franchiserecht und Handelsvertreterrecht.
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