Digitalisierung in der Bäckerei: zwischen Tradition und Moderne

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Handwerksbetriebe wie Bäckereien tun sich mit der Digitalisierung oft noch schwer. Mehr als die Hälfte der Betriebe sehen sie laut Umfragen als Herausforderung an. Sebastian Däuwel, Gründer von Die Brotpuristen, sieht das anders. Er wollte digitale Technologien von Anfang an in seiner Bäckerei nutzen – und erhält dafür viel Zuspruch von seinen Kunden.

 

Auf der Facebook-Seite der Brotpuristen sieht man einen Roggen- und Weizensauerteig in die Höhe steigen. Im Zeitraffer kann man den Prozess, der eigentlich sechs Stunden dauert, in zwölf Sekunden bestaunen. Eine „Auffrischung“ nennt man das, kommentiert Sebastian Däuwel, Gründer der Bäckerei Die Brotpuristen, das Video. Däuwel berichtet über das soziale Netzwerk viel über die Neuigkeiten der Bäckerei, postet Fotos von frisch gebackenen Broten oder wenn mal beim Backen etwas schief gegangen ist. Ein Video, in dem er über aktuelle Geschehnisse im Unternehmen spricht, betitelt er mit dem Hashtag #BrotpuristenTV. „Herzlich Willkommen zu den Tagesthemen“ schreibt er und fügt einen Zwinkersmiley mit an.

Der digitale Bäcker

Däuwel hat vor vier Jahren Die Brotpuristen gegründet. Er wollte es anders machen als die meisten Bäckereien. Denn in erster Linie gründete Sebastian Däuwel aus Frust. „Es gab auf dem Markt einfach kein gutes Brot mehr zu kaufen“, so Däuwel. Aus Frust wurde eine Leidenschaft zum Backen. Erst nur für sich selbst, dann für andere mit seiner Bäckerei Die Brotpuristen. Bei der Entwicklung seines Unternehmenskonzeptes fragte er sich: „Wie würde meine Bäckerei aussehen, die ich mir selbst als Kunde wünsche?“

Digitalisierung Als Sebastian Däuwel seine Bäckerei gründete fragte er sich: Es ist heute völlig normal, alles online zu kaufen. Warum nicht auch Brot? (Foto: Die Brotpuristen)

Für ihn war schnell klar, seine Bäckerei sollte sich den modernen Gegebenheiten anpassen. „Es ist heute völlig normal, dass man einen Flug oder Kleidung online kauft und als Kunde mit Firmen online kommuniziert. Warum geht das nicht beim Bäcker?“, fragt Däuwel. Er wollte die digitalen Möglichkeiten von Anfang an nutzen und sich somit den heutigen Kundenwünschen anpassen.

Die Brotpuristen sind mit ihrem Ansatz einer der wenigen handwerklichen Betriebe, die die Digitalisierung schon für sich nutzen. Nach einer Studie des Zentralverbands des Deutschen Handwerks und Bitkom haben traditionelle Handwerksbetriebe bisher oft noch Schwierigkeiten, ihren Unternehmensalltag digital umzugestalten. 56 Prozent der befragten Handwerksbetriebe sehen die Digitalisierung als Herausforderung an. Fast ein Drittel haben Probleme, die Digitalisierung zu bewältigen. Dabei zeigt das Beispiel von Sebastian Däuwel und seinem Bäckereibetrieb, dass die Digitalisierung auch langsam und in kleinen Schritten Einzug ins Unternehmen halten kann.

Digitalisierung Schritt für Schritt

Angefangen hat Däuwels Digitalisierungsstrategie eigentlich mit einem analogen Mittel. Am ersten Verkaufstag legte er einen Zettel in der Bäckerei aus, auf dem Kunden ihre E-Mail-Adresse eintragen konnten. Der Gründer begann dann, seine Kunden per Newsletter über die Backtage zu informieren. Denn Die Brotpuristen haben nicht wie die meisten Bäcker jeden Tag geöffnet. „Damit hatte ich ein ganz rudimentäres Bestellsystem geschaffen. Die Kunden konnten ihre Bestellungen per E-Mail einreichen und haben die bestellten Backwaren am gewünschten Backtag abgeholt“, erzählt Däuwel.

Einige Zeit später machte der Gründer sich über ein professionelles Bestellsystem Gedanken. Doch alles, was am Markt erhältlich war, kam für ihn nicht in Frage. „Die bekannten Systeme sind auf Produkte wie T-Shirts ausgelegt, die man jederzeit bestellen kann. Nicht aber für Brote, die man für einen bestimmten Tag in der Zukunft vorbestellen möchte.“ So tat er sich mit einem Webentwickler zusammen und entwickelte einen Online Shop ganz nach seinen eigenen Bedürfnissen. Der wurde auf der Website integriert.

Mit dem Online Shop geht jetzt alles noch einfacher. Die Kunden können abends vom Sofa aus schnell und bequem Brot für den nächsten Tag bestellen. Selbst wenn sie dann eine Minute vor Ladenschluss kommen, liegt ihre Backware für sie noch bereit. Die Bäckerei selbst hat so eine erhöhte Planungssicherheit: „Wir müssen nicht ins Blaue hinein planen. Wir wissen viel genauer, wie hoch die Nachfrage für einen bestimmten Tag ist und haben deshalb viel weniger Reste, die wir wegschmeißen müssen.“ Vor allem um die Feiertage herum oder bei Großbestellungen ist diese Planungssicherheit Gold wert.

Digitales Bestellsystem: Ersparnis von Kosten und Zeit

Weitere Vorteile, sagt Däuwel, seien die Zeitersparnis und die geringe Fehleranfälligkeit: „Bestellungen über ein analoges Reservierungsbuch zu machen, ist enorm zeitintensiv. Bei uns sind alle Informationen direkt im System.“ Fehler würden seltener gemacht, denn Zettel könnten nicht verloren gehen und Einträge in ein Reservierungsbuch nicht vergessen werden. Der Bäcker weiß mit einem Blick ins System genau, was er backen muss.

Digitalisierung Wenn für einen Tag besonders viele Bestellungen online eingehen, backt das Team von Die Brotpuristen mehr Brot, um die Nachfrage zu decken. (Foto: Die Brotpuristen)

Heute machen die Vorbestellungen über den Online Shop bei Die Brotpuristen rund ein Drittel des Umsatzes aus. Der Rest geht wie bei den meisten Bäckern per Direktverkauf über die Theke. Laut Däuwel hat sich die Investition in das Bestellsystem längst gerechnet. „Gerade durch die Zeitersparnis fallen unsere Kosten viel geringer aus.“ Zudem kann die Bäckerei schon vorzeitig auf eine erhöhte Nachfrage reagieren, wenn sie merkt, dass an bestimmten Tagen deutlich mehr Bestellungen eingehen. „Dann können wir für den Tag einfach mehr backen und erhöhen unseren Tagesumsatz“, sagt der Gründer.

Auch um seine Kunden zu erreichen und mit ihnen zu kommunizieren, setzt Däuwel vermehrt auf digitale Technologien. Seinen Newsletter verschickt er mittlerweile mit einem professionellen Dienstleister. Ein Mal im Monat berichtet er darin über Geschehnisse im Unternehmen oder auch mal über die neue Ernte. Neben Facebook nutzt er auch Instagram, postet Fotos und Stories. „Überraschenderweise erreicht man damit alle Leute – von jung bis alt. Das hätte ich anfangs auch nicht gedacht“, sagt der Gründer. So sprach ihn einmal eine ältere Dame auf einen Facebook-Post an und erzählte dann, seine Enkelin habe das für sie ausgedruckt.

Zuspruch aus dem In- und Ausland

Wichtig sei ihm bei der Kommunikation, dass sie authentisch sei: "Wenn der Text authentisch ist, dann interessiert es die Leute auch." Manchmal veröffentliche er sehr lange Abhandlungen oder 20-minütige Videos – ein No-Go nach offiziellen Marketingstrategien.

Ist mir egal, was Marketingberater sagen. Es geht da meiner Meinung nach ums Gefühl.

Und es scheint zu funktionieren. Die Kommentarspalte neben den Videos und Fotos strotzt nur so von Lob und Zuspruch. Leute aus ganz Deutschland und sogar aus dem Ausland sind fasziniert von seiner Bäckerei, die ganz ursprünglich und naturbelassen backt. Selbst Menschen aus Kanada haben sich schon bei ihm gemeldet und einen Besuch bei seiner Bäckerei für ihren nächsten Deutschlandurlaub angekündigt.

„Wie schnell und einfach man Kunden über solche Kanäle erreichen kann, ist erstaunlich. Und das sogar weltweit“, sagt Sebastian Däuwel. „Das Spannende daran ist, dass man sogar Leute erreicht, bei denen man vorher gar nicht wusste, dass man sie erreichen wollte. Und dabei kostet es fast nichts.“

Digitalisierung Die Brotpuristen wollen echtes, ursprüngliches Brot wieder publik machen - und setzen für den Verkauf und die Vermarktung auf digitale Technologien. (Foto: Die Brotpuristen)

Weitere digitale Neuerungen geplant

Für die Zukunft plant der Gründer, weitere Aspekte seines Bäckereibetriebs zu digitalisieren. So würde er gern ein digitales Kassensystem und ein System zur Zeiterfassung seines Personals einführen. Bisher habe er aber noch nichts Geeignetes am Markt gefunden. „Die digitalen Kassen- und Personalplanungssysteme sind sehr mächtig. So viele Funktionen brauchen wir gar nicht und sind in der Anwendung viel zu komplex“, sagt Däuwel. Andererseits fehlten ihnen die einfachsten Funktionen. „Wenn ich in einem Kassensystem bei einem Verkauf von 90 Burgerbrötchen 90 Mal auf die Taste für Burgerbrötchen drücken muss, ist das nicht effizient." Beim Verkauf müsse es schnell gehen. Deshalb arbeiten die Mitarbeiter gerade noch mit einer Registerkasse. "Vielleicht habe ich aber auch noch nicht das Richtige gefunden.“

Wenn es um die Produktion geht, ist Sebastian Däuwel noch etwas skeptisch, was die Digitalisierung und Automatisierung von Prozessen angeht. Backprogramme seien zwar im Ofen einprogrammiert und eine Knetmaschine wäre auch im Einsatz. Sonst wird aber noch alles per Hand gemacht.

Das Gefühl des Bäckers am Teig soll nicht verloren gehen.

Die Brotpuristen benutzen keine Zusatzstoffe. Der Teig verhielte sich deshalb jeden Tag ein bisschen anders. Die Bäcker müssen stark am Ofen agieren, die Hitze hoch- oder runterstellen. "Um standardisierte Programme nutzen zu können, braucht es standardisierte Prozesse. Bei uns könnte das vielleicht nicht funktionieren.“ Ganz ausschließen will er die Nutzung von digitalen Helfern in der Backstube aber trotzdem nicht: „Ich lasse mich da gern eines Besseren belehren.“

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