Deutschlands Start-up-Uni: Wie ein Programmierer eine Hochschule gründete

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Obwohl in so gut wie allen Lebensbereichen heutzutage das Stichwort "Digitalisierung" Jubelrufe und Freudentränen hervorzurufen scheint, sehen die Studienmöglichkeiten künftiger Tech-Unternehmer/innen leider oft wenig zukunftsgewandt aus. Ein Studium an der staatlich anerkannten CODE University of Applied Science soll daran etwas ändern. Wir haben uns mit Thomas Bachem, einem der Gründer von CODE, über seine persönliche Gründerstory und die Besonderheiten einer Hochschulgründung unterhalten.

 

Für-Gründer.de: Hallo Thomas, wir porträtieren in unserem GründerDaily seit Jahren Gründer vom Café-Besitzer bis zum IT-Start-up-CEO. Ein Gründer einer eigenen Hochschule war bislang tatsächlich noch nie dabei. Wie kam es zu dieser doch eher seltenen Gründungsidee?

Thomas von CODE: Durch meinen eigenen Lebensweg. Ich programmiere und designe seit meinem zwölften Lebensjahr, konnte mich aber damals nicht für ein Informatik-Studium o.ä. begeistern, weil es mir viel zu theorielastig erschien. Ich habe dann stattdessen an einer kleinen Business School studiert, und mich seitdem gefragt, warum es eigentlich keine privaten “Tech Schools” in Deutschland gibt.

Denn der Bedarf an einer innovativen, praxisnahen Ausbildung digitaler Produktentwickler erschien mir schon damals offensichtlich.

Diesen Gedanken habe ich dann zwölf Jahre mit mir herumgetragen und in dieser Zeit mehrere Start-ups gegründet und verkauft. Ende 2015 habe ich dann zusammen mit meinen Mitgründern den Entschluss gefasst, die CODE endlich Realität werden zu lassen.

Für-Gründer.de: Stelle kurz dein Gründerteam – und deren Background – vor.

Thomas von CODE: Ich habe die CODE zusammen mit Manuel Dolderer und Jonathan Rüth gegründet. Die beiden interessieren sich seit ihrer eigenen Studienerfahrung für innovative Lehre und Didaktik und haben selbst schon mal eine private Hochschule mit aufgebaut. Ich bin seit 13 Jahren Start-up-Unternehmer und habe ein großes Netzwerk unter Gründern, Investoren und Politikern. So ergänzen wir uns perfekt. Vor allem aber einen uns die gemeinsame Vision und dieselben Werte.

CODE Das CODE-Team rund um die Gründer Thomas Bachem, Jonathan Rüth und Manuel Dolderer. (Foto: code.berlin)

Für-Gründer.de: Die Gründung einer Hochschule hat neben typischen Gründungs-Herausforderungen wie Finanzierung, Marketing und Vertrieb sicher auch noch ganz andere Hürden – welche?

Thomas von CODE: Ja, eine Hochschulgründung braucht deutlich mehr Vorbereitung und Vorlauf. Die staatliche Anerkennung durch das Land Berlin und den Wissenschaftsrat hat knapp anderthalb Jahre gebraucht. Das wussten wir aber vorher und waren darauf vorbereitet.

Die Zeit haben wir genutzt, um unseren ersten Jahrgang zu rekrutieren. Dazu habe ich sehr viel Pressearbeit gemacht, denn wir wollten keine Plakate in U-Bahnen aufhängen, sondern uns über gute PR und Word-of-Mouth eine Reputation aufbauen.

Wir haben einen sehr aufwändigen Bewerbungsprozess und über 2.000 Bewerbungen bearbeitet.

Die Mehrheit unserer ersten 88 Studierenden hat sich bei uns eingeschrieben, als noch nicht einmal feststand, dass wir erfolgreich und rechtzeitig staatlich anerkannt werden. Das sind echte Pioniere.

Uns Gründern hat diese Ungewissheit aber natürlich schon einige schlaflose Nächte bereitet.

Dann brauchten wir natürlich einen schönen Campus im Herzen der Berliner Start-up-Szene. Da haben wir mit der Factory am Görlitzer Park einen perfekten Standort gefunden, wo wir tagtäglich mit anderen Gründern, Kreativen und Corporates auf über 14.000 Quadratmetern zusammentreffen. Das ist wirklich einzigartig.

Für-Gründer.de: Dennoch ist das Thema Finanzierung auch für euch natürlich ein wichtiges. Neben den Studiengebühren von rund 27.000 Euro pro Studium (egal, wie lange man studiert) habt ihr rund fünf Millionen Euro von mehr als 20 Business Angels eingesammelt. Darunter bekannte Gründer wie bspw. von Trivago oder ResearchGate sowie Investoren wie Christian Vollmann und Florian Heinemann. Inwiefern haben diese Einfluss auf das Hochschulgeschehen?

Thomas von CODE: Die Gründung der CODE war nicht wirtschaftlich motiviert. Doch als private Hochschule bekommen wir keinerlei finanzielle Unterstützung vom Staat, und die Hochschule muss sich langfristig selbst finanzieren, damit sie unabhängig bleiben kann.

Unsere Studienbeiträge liegen im unteren Mittelfeld privater Hochschulen in Deutschland und sind auch im internationalen Vergleich niedrig. Noch wichtiger ist aber:

Die Mehrheit unserer Studierenden zahlt nicht direkt für ihr Studium, sondern hat sich dazu entschieden, später einen kleinen prozentualen Anteil ihres Einkommens der ersten 10 Berufsjahre nach dem Studium zurückzuzahlen. Das ermöglicht jedem ganz unabhängig vom finanziellen Hintergrund ein Studium bei uns und schafft Chancengerechtigkeit.

Außerdem unterstützen uns Unternehmen wie Facebook, Zalando, XING oder Porsche, mit denen wir auch inhaltlich sehr eng zusammenarbeiten. Unsere Geldgeber haben sich alle privat und ohne Aussicht auf Rendite beteiligt. Uns Gründern gehören mehr als 75% der Hochschule, die Gesellschafter haben auf den Hochschulalltag keinen Einfluss. Es ist aber natürlich toll, ein so starkes Netzwerk an erfolgreichen Internet-Unternehmern hinter uns zu wissen.

Für-Gründer.de: Von anderen Hochschulen unterscheidet euch nicht zuletzt das Modell des „selbstgesteuerten Lernens“. Erzähle uns doch kurz die Idee dahinter.

Thomas von CODE: Wir setzen auf ein konsequent projektbasiertes und kompetenzorientiertes Lernkonzept, bei dem theoretisches Wissen immer im Kontext konkreter Praxisprojekte erlernt wird. So stellen wir eine hohe Lernmotivation sicher und sorgen dafür, dass erlerntes Wissen auch wirklich hängen bleibt. Dabei trainieren wir durch selbstgesteuertes Lernen insbesondere die Selbstlernkompetenz der Studierenden – d.h. die Studierenden müssen bei uns deutlich mehr Eigeninitiative mitbringen als an den meisten anderen Hochschulen. So können wir sie auf eine Welt des ständigen Wandels vorbereiten.

CODE Statt sturem Auswendiglernen wird bei CODE Eigeninitiative und Praxisnähe gefördert. (Foto: code.berlin)

Für-Gründer.de: Zu den Studiengängen Software Engineering, Interaction Design und Product Management – was steckt dahinter und wäre je ein/e Absolvent/in aus jedem der Studiengänge nicht das perfekte Gründerteam?

Thomas von CODE: Das sind genau die drei Rollen, die gemeinsam ein digitales Produktentwicklungsteam bilden. Und sie lernen und arbeiten bei uns die ganze Zeit gemeinsam in interdisziplinären Teams aus Entwicklern, Designern und Produktmanagern. Unsere Studierenden lernen dabei konstant voneinander und miteinander. Sie sind also bestens ausgebildete Teamplayer – natürlich auch als potenzielles Gründungsteam.

Für-Gründer.de: Im Oktober 2017 ist euer erstes Semester gestartet - kurzer Faktencheck?

Thomas von CODE:

  • Über 2.000 Bewerber/innen haben letztes Jahr den ersten Bewerbungsschritt begonnen.
  • Nach Durchlaufen unseres mehrstufigen Prozesses haben dann letztendlich 88 bei uns angefangen.
  • Für September 2018 erwarten wir mehr als 120 neue Studierende.
  • Davon kommt ein Drittel aus dem Ausland – aus über 25 verschiedenen Ländern.

Für-Gründer.de: Unser Tipp ins Blaue: rund 90% eurer Studierenden sind männlich – nur ein Klischee?

Thomas von CODE: Tatsächlich sind es knapp 80% – leider im Verhältnis immer noch zu viel.

Wenn wir Frauen nicht schon im frühen Jugendalter für das Thema begeistern, ist es bei der Studienwahl zu spät. Deshalb haben wir die gemeinnützige Code+Design-Initiative gegründet, mit der wir mehrtägige Hackathons für Jugendliche in ganz Deutschland ausrichten.

Wir hatten schon über 1.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer – fast 40% davon weiblich. Das gibt uns Hoffnung für die Zukunft.

Für-Gründer.de: Planen viele eurer Studierenden die Gründung eigener Start-ups?

Thomas von CODE: Die Mehrheit sogar. Für viele sind wir “Deutschlands Start-up-Uni”, unsere Gründungsgeschichte, unsere Unterstützer und Partner sprechen ja in der Hinsicht für sich selbst. Unser Lernkonzept zieht besonders Menschen an, die eigenverantwortlich und freiheitlich lernen wollen – und das sind natürlich häufig auch Gründerpersönlichkeiten.

Mehrere Studierende haben bereits im ersten Studienjahr GmbHs gegründet und sogar Kapital eingesammelt.

Das werden wir in naher Zukunft durch einen eigenen VC-Fonds noch stärker unterstützen.

Für-Gründer.de: Wie geht’s bei euch weiter? Plant ihr weitere Studiengänge oder passende Masterabschlüsse?

Thomas von CODE: Vieles ist noch offen. Unser Fokus liegt derzeit darauf, das, was wir tun, noch besser zu machen und erstmal auf knapp 500 Studierende anzuwachsen. Master-Programme stehen ganz oben auf der Liste, aber auch Angebote abseits eines ganzen Studiums sind denkbar, z.B. Weiterbildungsprogramme oder Bootcamps. Wir möchten etwas Nachhaltiges aufbauen, sind langfristig motiviert und können als Gründerteam frei entscheiden – das ist wirklich ein tolles Gefühl.

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