Faire Unikate aus Afrika

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Best Practice

Jochen Baumeister hat mit dem Urban Change Lab ein Start-up gegründet, das Handwerkern aus Kenia, Ghana und anderen afrikanischen Ländern den europäischen Markt öffnet. Die Kunden wiederum können sich über maßgefertigte Einzelstücke freuen. Wie die Geschäftsidee im Detail funktioniert, verrät uns Jochen in dieser Gründerstory.

 

urban change lab 1200 Das Urban Change Lab Team, bestehend aus Sharon Raburu, Jochen Baumeister, Wabaiya Kariuki,  Prisca Noel Waiganjo und Aline Uwase (von links), bringt Kunden aus Europa mit Künstlern und Handwerkern aus Afrika zusammen. (Foto: Urban Change Lab)

GründerDaily: Hallo Jochen, was war deine Absicht, mit der du Urban Change Lab gegründet hast?

Jochen von Urban Change Lab: Bei allen meinen Gründungen habe ich mich davon leiten lassen, auch einen positiven, gesellschaftlichen Beitrag zu leisten. Etwas aufzubauen, das die Welt ein bisschen schöner und besser macht.

Im Fall des Urban Change Lab, den Kunden eine ganz neue Art des fairen und nachhaltigen Einkaufens abseits des billigen und schnellen Wegwerfkonsums zu ermöglichen und damit für die Handwerker in Afrika neue und faire Einkommensmöglichkeiten zu schaffen.

Ich möchte etwas aufbauen, das mein Leben in Kenia und Deutschland verbindet.

Ich bin davon überzeugt, dass wir die Art, wie wir leben und konsumieren, verändern müssen. Wir brauchen mehr Nachhaltigkeit, mehr Langlebigkeit von Produkten, mehr Fairness in der globalen Arbeitsteilung.

GründerDaily: Welches Team steht hinter dem Start-up? Mit wem arbeitest du zusammen?

Jochen von Urban Change Lab: Wir sind aktuell fünf Leute, die ihre ganze Energie in das Urban Change Lab stecken. Auf unserer Plattform sind aktuell über 150 Handwerkerinnen und Handwerker in Kenia, Ruanda und Ghana registriert, die sich um die Herstellung der von unseren Kunden beauftragten Einzelstücke kümmern. Wenn wir Handwerker sagen, meinen wir Schneider, Tischler, Goldschmiede, Künstler, Maler etc.

GründerDaily: Welche Zielgruppe soll durch eure Angebote angesprochen werden und warum?

Jochen von Urban Change Lab: Wir sprechen Menschen an, die Wert auf hohe Qualität und Individualität legen. Unsere Kunden haben in der Regel ein Bewusstsein, dass wir die vorhandenen globalen Ungleichheiten, die auf Ausbeutung beruhen, auflösen müssen.

urban change lap mode 1200 Social Entrepreneurship: Hochwertige Kleidung, Taschen, Schmuck etc. werden unter fairen Bedingungen und angemessenen Preisen für beide Seiten hergestellt. Auf dem Foto zu sehen: Urban Change Lab Brand Ambassador Wabaiya Kariuki. (Foto: Urban Change Lab)

Eigentlich sprechen wir alle Menschen an, weil wir eben auch Bewusstsein schaffen und Einstellungen ändern wollen.

Daneben steht für manche Kunden das Erlebnis im Vordergrund. Also mit einem zunächst Fremden auf einem anderen Kontinent in einen Austausch und letztlich in ein Gespräch über ein Projekt zu kommen und es gemeinsam zu realisieren.

GründerDaily: Bei deinem Start-up verknüpfst du Kreativität mit Handwerk. Warum ist dir das so wichtig?

Jochen von Urban Change Lab: Handwerker sind Künstler. Es geht beim Handwerk darum, mit vorhandenen Materialien etwas zu schaffen. Das setzt in der Regel für jeden Herstellungsprozess einen kreativen Prozess voraus.

Was wir machen, geht nun in der Form darüber hinaus, als dass wir den Kunden mit der Handwerkerin oder dem Handwerker in einen kontinuierlichen Fluss des Ideenaustauschs zusammenbringen.

So wird der Kunde nicht nur Auftraggeber und Empfänger des Produkts, sondern ist involviert und kann dabei eben auch kreativ sein.

GründerDaily: Werden die Handwerker jedes Mal neu ausgesucht oder sind es immer wieder dieselben?

Jochen von Urban Change Lab: Die Handwerkerinnen und Handwerker sind auf unserer Plattform registriert. Wir reden über spezialisierte Handwerker, Schneider, Goldschmiede, Künstler, die jeweils mit unterschiedlichen Materialien und Werkzeugen arbeiten. Jedes Projekt ist bei uns ein bisschen anders.

Wir organisieren in Nairobi und Kigali regelmäßige Treffen für die bei uns registrierten Handwerker, um auch eine Plattform für den gemeinsamen Austausch zu schaffen.

GründerDaily: Ihr habt ein nachhaltiges Geschäftsmodell entwickelt. Was kann man sich darunter vorstellen? Wie integriert ihr Nachhaltigkeit in euren Alltag?

Jochen von Urban Change Lab: Wir versuchen in der Tat, Ökonomie, Ökologie und Soziales in Einklang zu bringen. Bei uns können Endkunden ein individuelles Einzelstück für ein handwerklich gefertigtes Produkt (e.g. Kleidung, Taschen, Kunst, Möbel) direkt bei einem Handwerker in Kenia, Ruanda oder Ghana herstellen lassen.

Sie kommen in einen direkten Austausch mit dem Handwerker und können diesen, sofern gewünscht, sogar anrufen.

Das hat, kombiniert mit unserer transparenten Darstellung aller Preiskomponenten, eine positive soziale Auswirkung auf Handwerker und Kunde.

Aus der Perspektive der Ökologie wirkt sich bei uns vor allem der Produktlebenszyklus positiv aus. Unsere Kunden stecken Herzblut in ihr maßgefertigtes Einzelstück hinein.

Der Energieverbrauch bei der Herstellung eines Handwerksprodukts in einem Land, das sich noch entwickeln will, ist aufgrund der Limitierungen niedriger. Zumal der Energiemix in Kenia und Ruanda mit Stromproduktion im Wesentlichen aus Geothermie und Wasserkraft – neuerdings Solar – deutlich weniger CO2 verursacht als dies in Deutschland mit den immer noch vorhandenen Kohlekraftwerken der Fall ist.

urban change lab portemonnaie Jedes Stück ein Unikat: Alle Produkte aus dem Urban Change Lab sind Maßanfertigungen. (Foto: Urban Change Lab

Der Transport der Waren von Afrika verursacht in der Regel den gleichen CO2-Ausstoß wie ein vergleichbares Produkt von der Stange, was daran liegt. dass diese Produkte entweder aus Asien kommen oder im Fall von lokalen Maßanfertigungen schon ein kurzer Fahrweg mit dem Auto zum Handwerker (ab 5 km Distanz) mehr CO2 verursacht als die Lieferung mit professionellen Logistikern aus Afrika.

Ökonomisch führen die neuen Ideen zu neuen Wachstumspotenzialen bei unseren Handwerkern, die Kunden profitieren von einem einzigartigen Einkaufserlebnis zu einem für beide Seiten fairen Preis und wir verdienen mit unserer 10-Prozent-Marge einen aus unserer Sicht fairen Anteil.

Da wir ein profitorientiertes Unternehmen sind, nehmen uns die lokalen Handwerker auch ernst.

Wir sind so im Unterschied zu Hilfsorganisationen auf Augenhöhe mit unseren Partnern vor Ort unterwegs.

GründerDaily: Wie habt ihr euch anfangs finanziert und wie finanziert ihr euch jetzt?

Jochen von Urban Change Lab: Nach zwei Gründungen mit externem Risikokapital, bei denen den beteiligten Investoren jeweils zu früh die Puste ausgegangen ist, habe ich mich dazu entschlossen, dieses Mal zu bootstrappen und das Lab über Consulting zu finanzieren.

Konkret bedeutet das, dass ich die Hälfte meiner Zeit verkaufe und damit das Team und mich finanziere.

Das gibt genug Spielraum, auch ein herausforderndes Geschäftsmodell, das Zeit zum Wachsen braucht, mit der notwendigen Liebe, Geduld und Spaß aufzubauen. Ich würde allen Gründern übrigens empfehlen, ganz intensiv darüber nachzudenken, ob sie wirklich externes Kapital benötigen.

GründerDaily: Wo glaubst du liegt noch das größte Problem, wenn es um eine faire und nachhaltige Produktion im Ausland geht?

Jochen von Urban Change Lab: Ganz grundsätzlich fehlt weiterhin für faire Produktion im Ausland ein durchgängiges Bewusstsein beim Verbraucher und natürlich fehlen gesetzliche Rahmenbedingungen beim Import, die Regeln für Produktionsbedingungen und Dokumentation derselben vorschreiben.

Es wird beim Import vieles vom Zoll geprüft, aber für den Nachweis vernünftiger Arbeitsbedingungen fehlt das Mandat. Oftmals ließe sich ja bereits am deklarierten Importpreis feststellen, dass in der Wertschöpfungskette irgendjemand in die Röhre schauen muss.

Konkret kann ich hier aber nur über unsere Erfahrungen sprechen, die sich auf die Region Sub-Sahara Afrika beziehen. Hier gibt es für uns unter anderem die Herausforderung, dass die Logistikbranche in der Region noch nicht so weit ausdifferenziert und professionalisiert ist wie in Asien, USA und Europa. Aber daran arbeiten wir.

GründerDaily: Vielen Dank, Jochen. Wir wünschen euch weiterhin viel Erfolg!

Keyfacts über Urban Change Lab:

  • Gegründet im Jahr: 2015
  • Firmensitz in: Berlin
  • Unser aktuelles Team besteht aus: Aline Uwase, Sharon Raburu, Prisca Noel Waiganjo, Wabaiya Kariuki und Jochen Baumeister
  • Die erste Finanzierung erfolgte durch/über: kein externes Kapital gewünscht
  • Besonders geholfen haben mir/uns bisher: alle UrbanChanger, unser Netz aus Freunden und unser Advisory Board
  • Besonders wichtig im Arbeitsalltag sind für mich/ uns folgende:
    • Menschen: das Team und Valerie Baumeister
    • Tools: Gravity
    • Internetseiten: urbanchangelab.com
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