Ideen für eine lebenswertere Zukunft

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Inspiration

Ausgezeichnete nachhaltige Geschäftskonzepte: Diese vier KfW Award-Landessieger zeigen, wie man Wärme aus Abwasser gewinnt, gemeinschaftlich Bio-Lebensmittel herstellt, Reststoffe in grünen Strom umwandelt und Solarmodule recycelt.

Copyright: Arthon Meekodong

# 1 revincus: Wärme aus Abwasser

Ob Wohnhäuser oder Industriegebäude: Hier wie dort kann das Weimarer Start-up revincus Wärme aus Abwasser generieren. Das Herzstück ist ein neuartiges Wärmetauscher-System, das dem Abwasser die Wärmeenergie entzieht und sie zum Heizen zur Verfügung stellt.

Auf die Idee kam Felix Drechsel während eines Praktikums in einer finnländischen Installationsfirma. Dort wurde das Potenzial der Nutzung von Abwasser für Wärme diskutiert. Im folgenden Studium „Baumanagement“ in Weimar lernte er Jeremias Polster kennen. Gemeinsam tüftelten sie an der Idee eines Wärmetauschers – und gründeten schließlich revincus.

Sie finanzierten das Unternehmen anfangs mit eigenen Mitteln, konnten später aber auch Investoren, vor allem aus der Umgebung, überzeugen. 1,2 Millionen Euro haben Drechsel und Polster in der ersten Runde eingesammelt. Das Geld war nötig, um die Hardware zu entwickeln, Mitarbeiter einzustellen, Kunden zu akquirieren und Patente anzumelden. „Der erste Kunde ist immens wichtig für ein Start-up“, sagt Drechsel.

Mit einem Wohnblock in Stadtroda mit 144 Wohneinheiten und mehr als 260 Bewohnern konnte dieser gewonnen werden. Ursprünglich wurde das Wohngebäude aus der DDR-Zeit mit Fernwärme beheizt. Im Rahmen der Sanierung des Blocks hat revincus gemeinsam mit dem Unternehmen Ochsner Energietechnik als Lieferant von Wärmepumpen ein Abwasser-Rückgewinnungssystem eingebaut und in die bestehenden Heizzentralen integriert.

„Durch die Nutzung des Abwassers als Quelle für die Hochtemperatur-Wärmepumpen konnten wir eine effiziente und nachhaltige Lösung zur Unterstützung der Warmwasserbereitung realisieren“, sagt Drechsel. „Das Grauwasser wird mit Temperaturen zwischen 25 und 30 Grad genutzt, um wöchentlich zwei Megawattstunden Wärme zu erzeugen.“ Mit dieser Maßnahme konnte der Fernwärmebedarf um rund 20 Prozent reduziert werden.

Mittlerweile stattet revincus ein weiteres Wohnungsbauprojekt in Jena mit seiner Technik aus. Künftig will sich das Start-up aber noch breiter aufstellen. „Wir können uns etwa auch Schwimmbäder vorstellen“, sagt Drechsel.

Das Team von revincus recycelt Solarmodule an zwei Standorten in Weimar. (Copyright: revincus)

#2 Bio24 Social: Kochen gegen die Einsamkeit

Einsamkeit ist weit verbreitet, besonders groß ist sie in Mecklenburg-Vorpommern. Die Brüder Maximilian Voß und Philipp Koeppen haben ein Rezept dagegen erfunden: Sie haben das gemeinnützige Unternehmen Bio24 Social gegründet. In einem umgebauten Schweinestall in der Nähe von Rostock stellen sie nachhaltige Lebensmittel nach alten Rezepten her.

Verantwortlich für die Produktion der Suppen, Saucen, Kuchen, Öle oder Aufstriche sind ein angestellter Koch- und ein Konditormeister. Den Großteil der Arbeit erledigen jedoch Ehrenamtliche, die durch das gemeinsame Kochen und Backen an der Gesellschaft teilhaben.

„Wir haben Bio24 mit der Prämisse gegründet, etwas gegen die Einsamkeit zu tun“, sagt Maximilian Voß. Anfangs hatten die Gründer dabei vor allem an Seniorinnen und Senioren gedacht. Nach zwei Jahren wissen sie, dass auch jüngere Menschen gerne vorbeikommen und anpacken. „Die jüngste Ehrenamtliche ist 14“, sagt er. Und sie wissen, dass ihr Konzept auf Begeisterung stößt: „Es sind Freundschaften entstanden“, sagt Voß. „Zwei Ehrenamtliche aus Rostock, die in der gleichen Straße leben, haben sich hier kennengelernt und angefreundet.“

Die Produkte, von getrockneten Apfelringen über Zwiebelchutney bis Birnenaufstrich, verkaufen die Brüder im eigenen Onlineshop, im eigenen Dorfladen sowie über den regionalen Einzelhandel. Im Laden bieten sie, um alles für den täglichen Bedarf abzudecken, auch Waren von anderen Herstellern aus der Gegend an. Am Wochenende servieren sie die von „Oma und Opa“ gemachten Spezialitäten außerdem in ihrem Café. „Die Gäste lieben das Familiäre“, sagt Voß. Und natürlich die biologisch hergestellten Produkte.

Um noch mehr für das gemeinschaftliche Miteinander zu tun und weitere Einnahmequellen zu generieren, veranstalten die Gründer zudem Koch- und Backkurse sowie Motto-Partys. „Wir haben schon so vielen Menschen geholfen“, resümiert Voß. Sein Wunsch ist, dass Bio24 in den nächsten Jahren noch mehr Gutes tun kann – und eventuell in andere Regionen expandiert oder dort auf Nachahmer stößt.

#3 pyropower: grüner Strom aus Reststoffen

Lucie Töpfer und Steffen Sebastian Kießling haben mit pyropower ein Start-up gegründet, das einen bedeutenden Beitrag zur Dekarbonisierung von Gemeinden und der Industrie leisten will: Sie haben mobile, dezentrale Kraft-Wärme-Kopplungssysteme entwickelt, die biogene Reststoffe wie Holzabfälle oder Grünschnitt sowie industrielle Reststoffe in Pflanzenkohle, grünen Strom und grüne Wärme umwandeln.

„Wir sind der weltweit einzige Hersteller von extern befeuerten Mikrogasturbinen“, sagt Steffen Sebastian Kießling. Selbstverständlich haben sie die Anlage patentieren lassen. Die Gründer sind stolz auf darauf. Noch wichtiger ist ihnen aber der Nutzen ihrer Technologie: „Unsere Kunden haben dadurch energetische Versorgungssicherheit und leisten aktiv einen Beitrag gegen den Klimawandel“, sagt Steffen Sebastian Kießling.

Etwas gegen den Klimawandel und Wetterextreme zu tun, war auch einer der Gründe, warum das Duo vor zwei Jahren pyropower gegründet hat. „Es ging uns nicht nur darum, einen Zukunftsmarkt zu bedienen, sondern vor allem darum, dass wir mit unserer Technologie einen großen Hebel haben, den Umsatz von Kohlenstoff zu reduzieren und somit den Kohlendioxidausstoß zu verringern“, sagt Kießling.

Die beiden Gründer waren früher Arbeitskollegen, sie haben bereits Erfahrungen im Bereich der Pyrolyse. Aus diesem Grund fiel es ihnen nicht allzu schwer, einen ersten Kunden und anschließend weitere Aufträge zu genieren. „Der erste Kunde ist trotz eines gewissen Risikos mitgegangen, weil er vom System überzeugt war“, sagt Kießling. Somit gelang es den Gründern, ohne Fremdmittel zu gründen.

„Wir haben lediglich etwas eigenes Kapital eingebracht“, sagt Kießling. Vor allem aber finanzieren wir uns aus dem cash flow“. Das soll auch in Zukunft so bleiben: Das Unternehmen mit aktuell 25 Mitarbeitern will weiter wachsen und skalieren. Außerdem sollen künftig vermehrt strategische Partnerschaften eingegangen werden.

Die beiden Gründer Lucie Töpfer und Steffen Sebastian Kießling von pyropower entwickelt mit ihrem Team dezentrale Energiesysteme. (Copyright: pyropower)

#4 SOLAR MATERIALS: Solarmodule wiederverwerten

Solarmodule leben nicht ewig. Irgendwann sind die Materialien verschlissen. Rund 20.000 Tonnen Abfall sind es in aktuell pro Jahr. In fünf Jahren beträgt der Schrott rund eine Million Tonnen. Das sagt zumindest Dr. Jan-Philipp Mai, Initiator und einer von drei Gründern von SOLAR MATERIALS in Magdeburg. „Im besten Falle sollten die Module recycelt werden“, sagt Mai weiter.

Genau darauf hat sich das Start-up spezialisiert. Das 2010 gegründete Unternehmen recycelt kristalline Silizium-Solarmodule und gewinnt mit seiner patentierten Technologie 98 Prozent aller enthaltenen Rohstoffe zurück. Somit erhalten die Kunden des jungen Unternehmens, etwa Solarparkbetreiber oder Installationsbetriebe, recycelte Rohstoffe mit geringem CO₂-Fußabdruck und lokal gewonnenen Materialien, wodurch ihre Lieferkette klimafreundlicher und robuster wird.

Jan-Philipp Mai hatte schon 2010 ein Unternehmen in der gleichen Branche gegründet, damals in Braunschweig. Seine Erfahrung aus der Solo-Selbstständigkeit: „Besser ist, man gründet im Team.“ Als der Verfahrenstechniker dann Fridolin Franke und Jan Bargel kennenlernte, haben sie zu dritt SOLAR MATERIALS ins Leben gerufen.

Sie haben eine Pilotanlage gebaut, die mittlerweile voll ausgelastet ist – und deshalb anschließend ein zweites Werk in Magdeburg eröffnet, das im Frühjahr 2025 einsatzfähig sein soll. „Mit dem ersten industriellen Recyclingwerk erhöhen wir unsere jährliche Recyclingkapazität von 3.000 auf mehr als 10.000 Tonnen Solarmodulabfall“, sagt Mai.

Rückgewonnen werden insbesondere Silber, Silizium und hochwertiges Glas. Der Fokus liegt auf dem dünn aufgetragenen Silber, welches laut Mai weniger als ein Prozent des Gewichts eines Solarmoduls ausmacht, aber die Hälfte der Rohstofferträge. „Das ist die Stärke unseres Unternehmens, damit heben wir uns von Mitbewerben, die in erster Linie das Glas der Wiederverwertung zuführen, ab“, erklärt Mai. Er sagt aber auch: „Genau das war eine der großen Herausforderungen.“

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