Effizient auf dem Feld
Farming revolution hat einen Hackroboter entwickelt. Er jätet Unkraut ohne Einsatz von Pestiziden. Das Baden-Württemberger Start-up ist Bundessieger des KfW Award Gründen 2024.
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Landwirte stehen alle vor der gleichen Herausforderung: Das Unkraut muss entfernt werden, damit die Kulturpflanzen prächtig gedeihen. Herkömmliche Bauern spritzen daher Unmengen an Pestiziden. Bio-Landwirte hacken händisch.
Beides ist aber nicht optimal. Die Chemie verunreinigt die Böden und die Gewässer. Außerdem lässt die Wirkung nach, da die Unkräuter immer resistenter werden. Das händische Beseitigen mit der Hacke wiederum ist sehr zeitintensiv und teuer. Helfer für diese anstrengende Tätigkeit sind kaum zu bekommen.
Mit Kameratechnik an die Wurzel des Übels
Dr. Roland Leidenfrost hat gemeinsam mit vier Mitgründern die farming revolution GmbH gegründet und mit dem Hackroboter Farming GT eine revolutionäre Lösung für die Unkrautbekämpfung entwickelt und auf den Markt gebracht.
Mithilfe modernster KI beseitigt der Roboter eigenständig Unkräuter ohne den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Er zieht die Unkräuter an den Wurzeln heraus, ohne dabei die Nutzpflanzen zu beschädigen. Damit er die Unkräuter von den Nutzpflanzen unterscheiden kann, haben Leidenfrost und sein Team eine multispektrale Kameratechnik eingebaut.
Dank des Einsatzes von maschinellem Lernen ist der Roboter in der Lage, mehr als 100 verschiedene Nutzpflanzen und Unkräuter zu erkennen. „Wir haben dem Roboter Millionen von Bildern gezeigt und ihn so befähigt, eigenständig und zuverlässig alle Pflanzen zu erkennen“, sagt Dr. Roland Leidenfrost.
Die Idee für den umweltfreundlichen Hack-Helfer reifte, als die fünf späteren Gründer bei Bosch angestellt waren. Im Rahmen einer „Start-up-Plattform“ wurde die Frage aufgeworfen, wie man mit Robotik die Landwirtschaft automatisieren könnte.
Das Team aus Landwirten, Ingenieuren und Informatikern sprach daraufhin mit Bauern und erkundigte sich, auf welchem Gebiet sich der Einsatz von Technologie besonders lohnen würde.
Die einhellige Aussage: bei der Unkrautkontrolle. „Für uns war die logische Antwort, dass es doch möglich sein muss, das Hacken zu automatisieren“, sagt Dr. Roland Leidenfrost. Die ersten Schritte in diese Richtung haben die fünf noch bei Bosch unternommen.
Doch als klar war, dass das Unternehmen die Idee nicht umsetzen kann, haben sie Ende 2019 ihr eigenes Unternehmen mit Sitz im Baden-Württembergischen Böhmenkirch gegründet.
Präzision ist wichtiger als Geschwindigkeit
Mit etwas Geld aus den eigenen Taschen haben sie eine Halle angemietet und sich an die Arbeit gemacht. „Die größte Herausforderung war die zuverlässige Pflanzenerkennung sicherzustellen“, sagt der Elektroingenieur Leidenfrost. Mit Künstlicher Intelligenz, genauer machine learning, haben sie diese Schwierigkeit gemeistert.
Aber es mussten viele weitere Fragen geklärt werden. Schließlich stand immer die Vorgabe im Raum, dass die neue Lösung auch wirtschaftlich sein muss. Das Ergebnis sollte außerdem genauso gut sein, wie es dem heutigen Standard beim Einsatz von Pestiziden entspricht.
Daher war auch klar, dass der Roboter präzise arbeiten muss. Er darf keine Nutzpflanzen ausreißen und kein Unkraut übersehen. „Präzision geht aber nicht bei hoher Geschwindigkeit“, sagt Dr. Leidenfrost. Ergo muss der Hackroboter langsam fahren – was wiederum dazu führt, dass die Flächenleistung eher gering ist.
Das Gründer-Quintett hat sich daher für einen autonom fahrenden Roboter entschieden. Dieser ist 24 Stunden am Tag und sieben Tage in der Woche unermüdlich einsatzbereit – und somit effizient. „Wir hatten immer mal wieder Rückschläge oder sind in eine Sackgasse gerannt“, sagt Leidenfrost.
„Anfangs dachten wir zum Beispiel, das Gerät könnte kleiner sein.“ Doch der häufige Austausch mit Landwirten brachte das Team immer wieder in die Spur.Der Hackroboter ist nun in etwa so groß wie ein Traktor, allerdings leichter. „Nur so ist der Hackroboter flexibel auf verschiedenen Böden und etwa auch in Hängen einsetzbar“, sagt Leidenfrost.
Drei-Jahres-Verträge für die Sicherheit
Seit 2020 ist der Robotor auf diversen Feldern im Einsatz. Bereits nachdem farming revolution den ersten Prototypen gebaut hatte, haben sie ihn an interessierte Landwirte ausgeliehen. „Somit konnten wir schon früh Einnahmen generieren“, sagt Leidenfrost.
Diese verstetigten sich, da die Landwirte nach einem ersten Test und positiver Rückmeldung direkt einen Leih-Vertrag fürs nächste Jahr abschlossen. Sogar Drei-Jahres-Verträge wurden unterzeichnet. „Das brachte uns eine enorme Sicherheit“, sagt der farming revolution-Chef.
Und mehr noch: Wegen dieser Strategie war das Start-up zu keinem Zeitpunkt auf Fremdmittel angewiesen. „Wir finanzieren uns durch den Cashflow“, sagt der Gründer. Um schnell Fuß zu fassen, hat das Team allerdings auch einige „Opfer gebracht“.
Im Winter, als die Saison in Deutschland vorbei war, sind sie mit dem Roboter nach Spanien gefahren, wo zu dieser Zeit noch auf dem Feld gearbeitet wird. Dort haben sie ihre Innovation ebenfalls vorgestellt und vermietet. „Wir waren längere Zeit von unseren Familien getrennt“, sagt Dr. Leidenfrost. „Das war nicht so schön, aber eben der Preis für unseren wirtschaftlichen Erfolg.“
Kunden in acht Ländern
Rund fünf Jahre nach Gründung ist die Bilanz besser denn je. Die Nachfrage ist stetig gestiegen.
Somit stellt farming revolution den Hackroboter auch nicht mehr selbst her, sondern lässt die Komponenten fertigen. Nur die Endmontage erfolgt in der Halle – in einer größeren als der ursprünglich angemieteten.
Die Maschinen werden auch nicht mehr hauptsächlich vermietet. Rund 80 Prozent des Geschäfts entfällt auf den Verkauf. Es sei für die Farmer wirtschaftlich sinnvoller, den Roboter zu erwerben, sagt der Geschäftsführer, zumal die Rentenbank den Farming GT mit bis zu 30 Prozent fördert.
Je nach Anbauart amortisiere sich der Kauf in einem Zeitraum von einem bis vier Jahren. Ein Jahr gelte vor allem für die biologische Landwirtschaft. Biobauern sind daher auch die Haupt-Abnehmer des Farming GT.
Die Kunden des Start-ups sitzen vor allem in Deutschland, Österreich, Polen, Niederlande und Spanien. In insgesamt acht Ländern ist der Roboter im Einsatz.
Sharing-Modell für kleine Betriebe
Die Landwirte sind offenbar überzeugt von der umweltfreundlichen Lösung aus Baden-Württemberg, die Unkraut ohne den Einsatz von Chemie bekämpft und somit die Biodiversität fördert.
Die Maschine ist außerdem leicht zu bedienen, per App kann der Bauer überwachen, was auf dem Feld geschieht. Er kann den Roboter einfach mit einem PKW-Anhänger zur Einsatzstelle transportieren.
Einmal dort abgestellt, legt das Gefährt los und erledigt die Arbeit. Es packt das Unkraut ab einer Größe von einem Zentimeter bei der Wurzel und lässt es auf den Acker fallen – wo es vertrocknet. Ist ein Umrüstung nötig, weil eine andere Pflanzenart gehackt werden soll, ist dies in rund 15 Minuten erledigt.
18 Mitarbeiter sind bei farming revolution beschäftigt, neun Festangestellte, neun Studenten. Doch das Unternehmen sucht weitere Mitarbeiter. Denn alle Zeichen stehen auf Expansion.
Es sollen vor allem noch mehr Bauern, die konventionelle Landwirtschaft betreiben, für das Produkt begeistert werden. Damit das gelingt, denkt das Start-up auch über eine Sharing-Lösung nach: Kleinere Betriebe sollen sich einen Hackroboter teilen, um so umweltverträglich ihr Unkraut zu kontrollieren – bei gleichzeitig recht geringen Kosten.
„Wir wollen in den nächsten zwei Jahren deutlich an Fahrt gewinnen“, sagt Dr. Roland Leidenfrost. Er meint damit nicht die Geschwindigkeit des Hackroboters, der mit einem Kilometer pro Stunde übers Feld tuckert. Denn Präzision geht vor Schnelligkeit.
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