Alpine Sicherheit aus Hamburg - diese Gründer wollen Lawinenopfer retten

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Viele Wintersportler, die die Herausforderung suchen, begeben sich in ungesichertes Gelände. Das Risiko für Unfälle steigt und es werden immer wieder Personen unter Lawinen verschüttet. Da die Suche nach Verschütteten sich oft langwierig und schwierig gestaltet, kann es dabei zu schweren Verletzungen und Todesfällen kommen. Konstantin Kollar von Bluebird Mountain, selbst begeisterter Wintersportler, erklärt uns in dieser Gründerstory, wie er und seine Co-Founder mithilfe von Drohnen die Suche nach Verschütteten künftig verbessern und somit Leben retten wollen.

 

GründerDaily: Hallo Konstantin, stelle unseren Leser dich und deine Mitgründer kurz vor. Wie habt ihr euch kennengelernt?

Konstantin von Bluebird Mountain: Wir sind Markus, Mo, Daniel und Konstantin, die vier Gründer von Bluebird Mountain. Kennen gelernt haben wir uns an der Uni, beziehungsweise sind wir in unterschiedlichen Konstellation schon seit der Schulzeit Freunde. Die Gründung wurde vor allem durch zahllose Skiurlaube, die wir gemeinsam verbracht haben, inspiriert.

Bluebird Mountain Konstantin Kollar von Bluebird Mountain (r.) erklärt uns, wie mithilfe von Drohnen Leben gerettet werden können. (Foto: Bluebird Mountain)

GründerDaily: Bluebird Mountain will Leben retten. Wie wollt ihr das anstellen?

Konstantin von Bluebird Mountain: Unsere Drohne PowderBee findet von einer Lawine verschüttete Wintersportler schnell, präzise und automatisch. Dazu suchen wir nach einem speziellem Signal, dem sogenannten Lawinenverschüttetensuchsignal oder LVS. Skifahrer und Snowboarderinnen, die sich in lawinengefährdetem Gebiet bewegen, tragen dazu heute einen LVS-Sender bei sich. Dieser ist durch Schnee zu orten. Unsere Drohne übernimmt dabei die Rolle, die heute manuell von Helfenden ausgeführt wird: sie fliegt das vorgegebene Suchmuster. Der große Vorteil von PowderBee dabei ist, dass sie sich schneller über ein Lawinenfeld bewegt und dank GPS-Position das Suchmuster exakt einhält. PowderBee ist im Ernstfall quasi eine zusätzliche, hochprofessionelle und schnelle Person bei der Verschüttetensuche.

GründerDaily: Welchen technischen Anforderungen musstet ihr bei der Entwicklung gerecht werden. Und welche davon waren besonders schwierig zu erfüllen?

Konstantin von Bluebird Mountain: Da wir ein Sicherheitsprodukt entwickeln, das Leben retten soll, müssen natürlich unsere Qualitäts- und Testansprüche extrem hoch sein. Außerdem ist unsere Drohne für den Einsatz unter widrigen Bedingungen vorgesehen und muss auch nach einem langen Tag am Berg bei Minusgraden noch funktionieren. Die Höhe, der Bergwind und Schnee sind für die Drohnenentwicklung natürlich auch große Herausforderungen. Eine der größten Hürden ist außerdem die Signalverträglichkeit von LVS und diversen Elektronikkomponenten auf der Drohne.

GründerDaily: Wie habt ihr die Entwicklung finanziert?

Konstantin von Bluebird Mountain: Bislang mit viel Eigenkapital und zwei Förderungen: wir hatten das EXIST-Gründerstipendium sowie InnoRampUp vom IFB Innovationsstarter-Fonds. Außerdem haben wir links und rechts ein paar Preisgelder bei diversen Wettbewerben eingeworben, unter anderem "Digitale Innovationen" des BMWi und jüngst den "Campus-Award" von der Innovate! In Osnabrück. Derzeit sind wir auf der Suche nach frischem Kapital für die Vorbereitung des Markteintritts.

GründerDaily: Der Umgang mit Drohnen wird gesetzlich immer weiter geregelt. Inwieweit betreffen euch diese Vorschriften?

Konstantin von Bluebird Mountain: Dazu könnte ich jetzt ein seitenlanges Essay schreiben. Zunächst ist unser Ansatz, die Drohne so klein und leicht wie möglich zu bauen. Erstens verlangt das ja unsere Zielgruppe, die jedes Gramm den Berg hochschleppen muss. Zweitens stellen wir damit sicher, möglichst immer in der niedrigsten Kategorie zu bleiben, in der die Auflagen nicht so hoch sind.

Bluebird Mountain Die PowderBee soll künftig bei der Suche nach Verschütteten helfen - wenn denn die Behörden mitspielen. (Foto: Bluebird Mountain)

Problematisch ist im Moment vor allem, dass die Regulierung sich rasant verändert. Alleine in den letzten zwei Jahren hat sich der Prozess der Aufstiegsgenehmigung für gewerbliche Drohnen in Hamburg drei Mal geändert. In Deutschland regeln das die Bundesländer, das heißt auch, dass wir mit unserer Testgenehmigung für Hamburg in den Alpen nicht weit kommen. In Österreich sieht dann auch alles plötzlich wieder ganz anders aus.

Ich wünsche mir hier schnell ein europaweites, verlässliches Regelwerk.

Außerdem finde ich es schwierig, dass derzeit die generellen Flugverbote pauschal gelten und nicht vom Einsatzzweck der Drohne abhängen. Von der Schwierigkeit, eine bezahlbare Versicherung für selbstentwickelte Prototypen, die nämlich der Versicherungspflicht unterliegen, zu finden, fange ich gar nicht erst an.

GründerDaily: Euer Lösungsansatz arbeitet mit einer bestehenden Technologie, LVS. Problematisch an diesen Lawinensicherheitsgeräten ist unter anderem deren beschränkte Reichweite. Außerdem sind Mehrfachverschüttungen sehr problematisch. Was macht eure Lösung hier besser?

Konstantin von Bluebird Mountain: Da PowderBee sich etwa fünfmal so schnell wie ein Mensch über das Lawinenfeld bewegt, haben wir den Vorteil, dass wir engere Suchabstände fliegen können. Damit verpassen wir auch kein Signal bei einer sehr ungünstigen Kopplungslage der Geräte, der Hauptursache für geringe Reichweite. Durch das einprogrammierte Suchmuster ist außerdem sichergestellt, dass keine Stelle im Lawinenfeld durch Fehler in der Suchmethodik ausgelassen werden.

Mehrfachverschüttungen kann unser derzeitiger Prototyp nicht auflösen. Das ist technisch machbar, aber etwas für Produktevolutionen. PowderBee findet das erste Signal und markiert dieses. Mit einer Kombination aus moderner Ausrüstung könnte PowderBee auch heute schon auf dem selben Feld ein weiteres Signal finden, dazu müssen aber elektronische Sonden eingesetzt werden, die das LVS-Gerät der bereits gefundenen verschütteten Person deaktivieren. Dann könnte PowderBee für die Suche nach dem nächsten LVS-Signal eingesetzt werden. Aber da muss dann die gesamte Gruppe dieselbe Lawinensicherheitsausrüstung mitführen und sehr gut trainiert sein. Der zuverlässige Umgang mit Mehrfachverschüttung und Feinsuche heben wir uns für kommende Generationen von PowderBee auf.

GründerDaily: Wie werdet ihr euer Produkt vertreiben?

Konstantin von Bluebird Mountain: PowderBee ist ein klassisches Hardware B2C Produkt. Wir setzen auf Direktvertrieb durch Eventmarketing in den Alpen, zum Beispiel bei der Freeride World Tour, und den indirekten Vertrieb über Fachhändler. Unsere Umfragen haben ergeben, dass viele Freerider die persönliche Beratung zum Thema Lawinensicherheit schätzen. Als Multiplikatoren möchten wir weiterhin die Autoritäten im Bereich Lawinensicherheit überzeugen: die Bergrettung, Bergführerinnen, Lawinensicherheits-Trainerinnen und die Verantwortlichen in den Alpenvereinen.

GründerDaily: Ist die PowderBee wiederverwendbar?

Konstantin von Bluebird Mountain: Alle unsere geplanten Produkte sind wiederverwendbar. Wie bei allen Elektronikgeräten muss natürlich der Akku irgendwann getauscht werden, aber die Akkus sind einfach austauschbar. Als Sicherheitsprodukt sollten die Geräte natürlich im Sommer so gelagert werden, wie wir es vorschlagen, um die Funktionalität nicht zu gefährden. Außerdem werden wir regelmäßige Wartungsangebote etablieren. Wir möchten Produkte ausliefern, die robust sind und langfristig der Sicherheit der Wintersportler dienen.

GründerDaily: Welche Meilensteine habt ihr euch für die nächsten Jahre gesetzt?

Konstantin von Bluebird Mountain: Diesen Winter werden wir auf der weltweit größten Wintersportmesse ISPO in München PowderBee vorstellen. 2019 soll außerdem eine Investitionsrunde zustande kommen, die uns den Markteintritt ermöglicht. Anfang 2020 wollen wir die Zertifizierung abschließen, um die Serienfertigung anzustoßen.  In der Wintersaison 2020/21 werden wir die ersten 500 Stück von PowderBee absetzen.

GründerDaily: Welche Tipps kannst du angehenden Gründungsinteressierten mit auf den Weg geben?

Konstantin von Bluebird Mountain: Es wird ein langer Weg, insbesondere bei Hardwareprodukten. Mein wichtigster Tipp ist deshalb: achtet auf euch und euer Team.

Sagt euch frühzeitig, wann ihr Pausen braucht und nehmt euch die und gesteht sie euch gegenseitig zu. Eine Gründung ist ein Marathon und kein Sprint.

Der nächste wichtige Tipp: im Gründungsteam sollte man sich einig sein über die Motivation für eine Gründung. Es gibt viele valide Gründe zu gründen, bei Bluebird Mountain beispielsweise geht es uns vor allem um das selbstbestimmte Leben und Arbeiten. Schaut, dass ihr euch darin einig seid, dann sind alle anderen Konflikte, die im Team auftreten, zu lösen. Und vergesst auch nicht, euch da regelmäßig auf dem Laufenden zu halten, das kann sich verschieben und dann ist es besser frühzeitig eine Lösung zu finden.

GründerDaily: Konstantin, vielen Dank für dieses Gespräch und viel Erfolg beim Markteintritt!

 Keyfacts über Bluebird Mountain GmbH

  • Gegründet im Jahr: 2015 (als GbR), 2017 (GmbH)
  • Firmensitz in: Hamburg
  • Unser aktuelles Team besteht aus: Mo (Informatiker), Markus (Maschinenbauer), Daniel (Volkswirtschaftler), Konstantin (Umwelttechniker)
  • Die erste Finanzierung erfolgte über: Eigenkapital, EXIST
  • Besonders geholfen haben uns bisher: das Startup-Dock der TUHH
  • Besonders wichtig im Arbeitsalltag sind für uns folgende:
    • Menschen: unsere Werkstudenten, die uns weit voran gebracht haben, Familien, Partnerinnen und Freunde, die unsere Passion und wirtschaftlichen Abenteuer stoisch ertragen.
    • Tools: Nextcloud, KiCad, SolidWorks
    • Internetseiten: für unsere Entwicklung viele Foren unterschiedlichster Art
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