Zielgruppen auch in Krisenzeiten erreichen

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Best Practice

Auch in unseren modernen Zeiten haben Kinder aus nicht-akademischen Familien einen schwierigen Einstieg in ein Studium. Woran das liegt, wie das Social Start-up ArbeiterKind.de dem entgegenwirkt und welche Hürden sich dabei auftun, erklärt Gründerin und Geschäftsführerin Katja Urbatsch.

 

ArbeiterKind 1200 Kindern aus Nicht-Akademikerfamilien den Zugang zum Studium erleichtern: Katja Urbatsch hat ArbeiterKind.de mit diesem Ziel gegründet. (Foto: ArbeiterKind.de)

GründerDaily: Hallo Katja, was war die größte Herausforderung bei ArbeiterKind.de?

Katja von ArbeiterKind.de: Ich habe ArbeiterKind.de mit 29 Jahren gegründet. Eigentlich wollte ich mich nur ehrenamtlich für Studierende der ersten Generation engagieren. Aber dann war die Webseite, auf der ich alle Infos zum Studium für Menschen aus nicht-akademischen Familien zur Verfügung stellen und bündeln wollte, ein Riesenüberraschungserfolg.

Plötzlich ging es darum, eine gemeinnützige Organisation mit Ehrenamtlichen von null aufzubauen.

Das war eine große Herausforderung. Dazu zählte natürlich gerade zu Beginn auch, zu lernen, Projektmittel einzuwerben, um unsere Arbeit und die ersten hauptamtlichen Stellen zu finanzieren. Gemeinsam mit unseren Ehrenamtlichen und vielen begeisterten Unterstützern und Fürsprechern haben wir dies erfolgreich gemeistert.

GründerDaily: Welche momentanen Herausforderungen erlebt ihr?

Katja von ArbeiterKind.de: Die größte Herausforderung unserer Arbeit ist die derzeit eingeschränkte Erreichbarkeit der Zielgruppe (Schüler, Studieninteressierte, Studierende) sowie potenzieller Engagierter, da Präsenzveranstaltungen in Schulen, Hochschulen und anderen Bildungsinstitutionen sowie Messen aufgrund der Corona-Einschränkungen wegfallen. Nicht alle Schüler können sich zu Hause in Ruhe mit den vorgesehenen technischen Hilfsmitteln über ein Studium informieren. Nicht allen Studierenden steht entsprechende Technik zur Verfügung, um den Studienalltag online zu meistern.

Bereits vorhandene Informationslücken, Zweifel und Unsicherheiten werden weiter vergrößert und führen ggf. zu nachhaltigen negativen Folgen. Daher ist es uns gerade jetzt besonders wichtig, mit unseren Zielgruppen im engen Kontakt zu sein.

Unsere Ehrenamtlichen vor Ort haben schnell auf die neue Lage reagiert und bieten mittlerweile fast flächendeckend virtuelle offene Treffen und telefonische Sprechstunden an. Webinare ersetzen Workshops, zum Beispiel zum Thema „Studienzweifel in Zeiten von Corona“.

Auch für die Schulbesuche entwickeln wir ein digitales Angebot.

Unser Infotelefon ist wie gewohnt montags bis donnerstags geschaltet, und über das Netzwerk ist die Community immer erreichbar.

GründerDaily: Warum ist es nach wie vor schwer für Kinder aus Nicht-Akademikerfamilien, den Weg zur Hochschule einzuschlagen?

Katja von ArbeiterKind.de: Oftmals fehlt es Kindern aus nicht-akademischen Familien an konkreten Vorstellungen vom Studieren und an Vorbildern im näheren Umfeld. Der Eintritt in eine Hochschule/Universität ist der Eintritt in eine neue und mitunter auch unbekannte Welt. Gerade in Familien, in denen bisher kaum oder niemand studiert hat, werden oft Gründe gegen ein Studium genannt.

Viele Eltern sind verständlicherweise verunsichert angesichts dieser ihnen unbekannten akademischen Welt und versuchen daher, ihren Kindern den vermeintlich sicheren Weg der Ausbildung nahe zu legen.

Wenn sich diese Kinder dann doch für ein Studium entscheiden, haben einige auch das Gefühl, sich gegen ihre Eltern bzw. ihre Herkunft zu entscheiden. Sie haben Angst, sich zu entfremden. Hinzu kommt die große Sorge um die Finanzierung des Studiums. Auch hier fehlt es an Ansprechpersonen und an Informationen. Zwar gibt es BAföG, aber viele wissen nicht, wie es genau funktioniert, und möchten sich nicht verschulden. Es gibt auch die Möglichkeit, sich um Stipendien zu bewerben, aber auch dies wissen viele nicht oder denken, das ist nur etwas für Einserkandidaten.

GründerDaily: Was empfehlt ihr anderen Social Entrepreneurs?

Katja von ArbeiterKind.de: Macht mit bei Wettbewerben, wie z. B. startsocial. Kümmert euch um eure Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Denkt die Digitalisierung mit. Sprecht offen über aktuelle Herausforderungen, um die passende Unterstützung zu erhalten. Und das Wichtigste: Holt euch insgesamt immer Unterstützung und fragt um Rat.

GründerDaily: Vielen Dank für das Gespräch, Katja!

Keyfacts über Arbeiterkind.de

  • Gegründet im Jahr: 2008 an der Justus-Liebig-Universität Gießen
  • Firmensitz in: Berlin
  • Unser aktuelles Team besteht aus: 26 Hauptamtlichen, 9 studentischen Mitarbeitern und 6.000 Ehrenamtlichen
  • Die erste Finanzierung erfolgte über: Preisgelder „Engagementpreis des Vereins der FES-Ehemaligen (2008)“ und der Körber-Stiftungsinitiative „Anstiften! 50 Impulse für Hamburg“ (2009)
  • Besonders geholfen haben mir/uns bisher: Ashoka Fellowship, viele Akademiker der ersten Generation als Mentor, Fürsprecher und Förderer
  • Besonders wichtig im Arbeitsalltag sind für mich folgende:
    • Menschen: unsere Ehrenamtlichen, unsere Unterstützer und Förderer, Schüler mit einem Studienwunsch sowie Erste an der Uni
    • Tools: die eigene Bildungsgeschichte
    • Internetseiten: unsere Homepage www.arbeiterkind.de, unser Online-Netzwerk netzwerk.arbeiterkind.de und unsere Social-Media-Kanäle
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