"Den Stress möchten wir uns nie wieder antun" - da braut sich was zusammen

|
Weitere Themen

Craftbrauer mischen momentan den Biermarkt gehörig auf. Dahinter stecken oftmals Quereinsteiger, die mit viel Experimentierfreude bewährte Zutaten mit neuen kombinieren und so neue Sorten kreieren. Weniger Einheitsbräu, stattdessen mehr Vielfalt, lautet wohl das Motto. Eines dieser Biere kommt aus Kiel und erfreut sich dort an steigender Beliebtheit. Bis es jedoch so weit gewesen ist, war Stress ein täglicher Hausgast, denn die beiden Gründer von lillebräu waren noch Studenten.

 

Für-Gründer.de: Ihr habt während der Gründung von lillebräu an der Muthesius Kunsthochschule in Kiel studiert. Wie kommt man da auf die Idee, sein eigenes Bier zu brauen?

Florian Scheske: Als Designer beschäftigen wir uns sehr viel mit der Gestaltung von Produkten und Identitäten für diese Produkte. Nach Projektabschluss landet das entstandene Design dann meistens in der Schublade oder beim Kunden, sofern es ein professioneller Auftrag war.

Wir haben uns gedacht, warum nicht einmal alles aus einer Hand liefern. Von der Produktgestaltung über die Produktion bis hin zu Marketing und Vertrieb. Zusätzlich beschäftigen wir uns persönlich schon ziemlich lange mit hochwertigen Lebensmitteln, haben einen eigenen Kochklub namens Nuclear Kitchen und sind Bierliebhaber. Da lag es nahe, ein eigenes Lebensmittel auf den Markt zu bringen.

Die beiden Gründer von Lillebräu, Florian Scheske und Max Kühl. Die beiden Gründer von lillebräu, Florian Scheske und Max Kühl (Foto: lillebräu)

Für-Gründer.de: Deutschland ist bereits eines der Länder mit der höchsten Brauereidichte. Es gibt bekannte Fernsehbiere und lokale Brauhäuser. Wie passt Craftbeer dazu?

Florian Scheske: Craftbeer ist eine Gegenbewegung zum Industriebier, das immer gleicher und beliebiger zu schmecken scheint. Industriebrauereien diktieren den Verbrauchern ihren Geschmack. Das heißt, dass eine Konzentration auf wenige Bierstile stattfindet, die maximal ökonomisiert eingebraut werden, also mit wenigen Malzsorten und wenigen Hopfensorten. Pils und Weizen sind dominante Bierstile.

Genauso wie die klassische Gasthausbrauerei brauen Craftbrauer ihre Biere in kleinen Chargen. Sie beschränken sich dabei aber nicht auf die althergebrachten Bierstile und spielen auch gerne mit neuen Sorten. Sie versuchen alte Rezepte neu zu interpretieren und über das Experiment mit Hopfen, Hefe und Malz neue Biertypen hervorzubringen. Geschmack und Qualität der Rohstoffe wie auch des Bieres sind dabei besonders wichtig.

Auch der Austausch in der Branche ist ein dominantes Merkmal von Craftbeer: Brauer tauschen Rezepte, brauen zusammen, teilen sich Kapazitäten und Rohstoffe, um vereint dem Kulturgut Bier seine Wertigkeit zurückzugeben.

Viele Craftbrauer sind als „Kuckucksbrauer" unterwegs. Sie mieten sich in kleine mittelständische Brauereien ein, um ihr Bier dort zu brauen. Damit lasten sie die mittelständischen Brauereien wieder aus, die durch den Preisdruck der Industrie nicht mehr konkurrenzfähig produzieren können. 

Gleichzeitig benötigen Craftbrauer so keine eigene Brauerei, deren Aufbau kostenintensiv und am Anfang für viele kleine Brauerei nicht stemmbar ist. Craftbeer will genossen werden und ist durch seinen intensiveren Geschmack, die aufwendige Produktion und die verwendeten Zutaten ein viel wertigeres Produkt als Industriebier, dafür aber natürlich auch viel teurer in der Produktion und im Handel.

Für-Gründer.de: Wie sahen eure Anfänge aus und wie habt ihr das Know-how zum Bierbrauen entwickelt?

Florian Scheske: Richtig angefangen haben wir Anfang 2014 mit einem kleinen 50-Liter-Kessel, auf dem wir in unserem Labor in der Alten Muthesius immer und immer wieder gebraut haben, bis wir mit den Ergebnissen zufrieden waren. Gleichzeitig haben wir Tastingkurse belegt, Braukurse bei anderen Craftbrauern gemacht, Bücher studiert und uns durch die Craftbeer-Welt probiert, bis wir eine grobe Richtung für unser erstes Bier, das lille Lager, gefunden hatten.

Nach jedem Experiment haben wir dann das Bier auf Hochschulfesten verschenkt, um Feedback zu bekommen. Schließlich waren wir uns sicher, ein gutes Rezept entwickelt zu haben und sind dann mit ungelabelter Flasche zu Gastronomen und Barbetreibern gegangen.

Die Blindverkostung hat voll eingeschlagen und mit Zusage der ersten Restaurants und Bars haben wir dann im Januar 2015 in Rickling unsere ersten 1.000 Liter eingebraut. Im April 2015 war das Bier dann auf dem Markt und wir sehr stolz darauf, ein eigenes Produkt im Handel zu haben.

Für-Gründer.de: Und heute..?

Florian Scheske: Heute brauen wir monatlich ca. 3.000 Liter Bier als Kuckucksbrauer bei Klüver's in Neustadt in Holstein und beschäftigen uns nun hauptberuflich mit dem Aufbau des Unternehmens. Wir geben monatlich eigene Braukurse für Craftbeer-Interessierte und haben neben unserem Labor ein kleines Büro und ein eigenes Lager zur lokalen Distribution und Verteilung an größere Kunden in Betrieb genommen.

Neben der ersten Sorte lille Lager hatten wir immer Sommer 2015 ein saisonales Summer Wheat Ale im Programm. Dieses Jahr werden wir zwei bis drei neue Sorten auf den Markt bringen, die sich momentan in der Konzeption befinden. Mit Ende des Studiums haben wir uns mit lillebräu eine Perspektive geschaffen, die viel Spielraum für designerisches Tun lässt und zudem ein sehr interessantes unternehmerisches Tätigkeitsfeld bietet.

Dass selbstständige Arbeit mit einem hohen Zeit- und Arbeitsaufwand einhergeht, der am Anfang in keinem Verhältnis zu den Einkünften steht, ist ein verschmerzbares Übel, schließlich lassen wir mit unserer Arbeit dem Traum vom eigenen Unternehmen und Bier wahr werden.  

Für-Gründer.de: Wie vertreibt ihr euer Bier? Wer sind eure typischen Kunden?

Florian Scheske: Über einen Weingroßhändler können wir das Bier in ganz Schleswig-Holstein anbieten. Das lille Lager ist inzwischen in vielen guten Restaurants in Kiel und Norddeutschland gelistet und mit CITTI, Markant, Rewe und ein paar inhabergeführten Edeka-Märkten im Einzel- und Großhandel erhältlich. Zusätzlich vertreiben wir über die Online-Plattformen von Brewcomer und Lieferello und sind damit übers Internet für jedermann zu beziehen. Über Craftbeer-Läden in der ganzen Republik bieten wir das Bier dem Fachpublikum, bzw. den Biernerds und Craftbeer-Enthusiasten an. Die Einzelhändler in Kiel beliefern wir momentan einmal pro Woche selber, alles andere regeln wir über Speditionen oder Großhändler, die die Ware bei uns oder direkt in der Brauerei abholen.

Lillebräu im Bierkanton. lillebräu im Bierkarton (Foto: lillebräu)

Unsere Kunden sind durch die Bank weg an einer Alternative zu Industriebier interessiert. Da spielt die Altersgruppe keine große Rolle. Am Anfang haben wir unsere Zielgruppe aber als den „kulturinteressierten Entdecker" betitelt, der zwischen 25 und 50 Jahren alt ist, sich für neue Geschmackserfahrungen interessiert und offen für andere Kulturen ist und gerne den Blick über den Tellerrand wagt. Danach wählen wir immer noch die Läden aus, in denen wir präsent sein möchten. Wir gucken uns jede Bar, jedes Restaurant und jeden Händler genau an und entscheiden dann, ob das für uns infrage kommt.

Für-Gründer.de: Was waren die größten Hürden in eurer bisherigen Entstehungsgeschichte?

Florian Scheske:

Die größte Hürde war ganz bestimmt, den Master-Abschluss und die Unternehmensgründung unter einen Hut zu bekommen. Diesen Stress möchten wir uns nie wieder antun.

Ansonsten kämpft man jeden Tag mit kleineren Hürden, die sich einem in den Weg stellen, aber nichts, was nicht mit guter Recherche, Geduld oder Fleiß und einem Schuss Kreativität zu lösen wäre. Mit einem guten Plan, festgelegten Firmenzielen und einem sehr guten Produkt ist es uns bis jetzt immer gelungen, auch finanzielle Hürden zu nehmen und Geldgeber - seien es Freunde, Banken oder Investoren - davon zu überzeugen, den Aufbau der Marke und des Unternehmens zu unterstützen.

Für-Gründer.de: Gibt es Expansionspläne?

Florian Scheske: Ja, die gibt es. Wir planen eine Erweiterung des Sortiments, um die große Vielfalt in der Bierlandschaft zeigen zu können. Dabei wollen wir keine Konsensbiere machen, die jedem schmecken, sondern auch Extreme aufzeigen: Geschmäcker sind unterschiedlich, deshalb versuchen wir für verschiedene Geschmäcker verschiedene Biere zu kreieren.

Neben der Erweiterung der Produktion wollen wir weitere Partner regional wie auch überregional finden, die unsere Botschaft weitertragen. Da Kiel nicht wirklich in der Mitte Deutschlands liegt, richten wir unsere Fokus verstärkt auf Skandinavien und den dortigen, weit aus fortschrittlicheren Biermarkt. Als großes Ziel für 2017 streben wir den Aufbau einer eigenen kleinen Produktion in Kiel an und planen momentan, wie und in welchem Maßstab so etwas zu realisieren wäre.

Für-Gründer.de: Welche Tipps würdet ihr Gründern geben, die ihr eigenes regionales Bier auf den Markt bringen möchten.

Florian Scheske: Einfach loslegen und für die Idee brennen! Wer sich wirklich mit seiner Idee identifizieren kann, dem merken das andere sofort an. Erst dann wird das Ganze wirklich glaubwürdig und man kann andere dafür begeistern. Natürlich sollte man ein sehr gutes Bier in den Handel bringen wollen.

Die beste Verpackung nützt dem schlechtesten Produkt herzlich wenig: Die Leute greifen einmal zu und dann nie wieder

Im Fall von Bier bedeutet das, seine Rohstoffe kennen zu lernen, viel zu Brauen, sauber zu arbeiten und andere nach Fertigstellung testen lassen. Je mehr Leute, desto besser. Und dann fängt die Arbeit ja erst wirklich an. Businessplan schreiben, Brauerei finden, viele Gespräche führen, die Logistik und den Vertrieb organisieren. Am besten man macht das nicht alleine, sondern sucht sich möglichst viel Hilfe. Bei Profis, anderen Brauern, den Wirtschaftsförderungsinstitutionen in der Region und Freunden.

Für-Gründer.de: Vielen Dank für das Interview und weiterhin viel Erfolg.

zurück
Bier
Gründen aus der Hochschule
Craft-Bier