Fake-News-Attacke auf ein Start-up: so meistert ihr die Krisen-PR erfolgreich
Stellt euch vor, jemand verschickt fingierte Pressemitteilungen über euer Start-up an Journalisten. Kontist erlebte so eine Fake-News-Attacke kurz vor Abschluss einer neuen Finanzierung. Wir haben mit dem Fintech-Start-up über die dann notwendige Krisen-PR gesprochen und wie Jungunternehmen mit ihrer Pressearbeit gestärkt aus einer Krise herausgehen können.
Der Abschluss einer Finanzierung steht bevor, die Pressearbeit ist vorbereitet, doch dann kommt plötzlich vorab von jemand Fremden eine Falschmeldung gezielt zu der neuen Finanzierungsrunde in die Medien. Genau das ist dem Fintech-Start-up Kontist passiert. Wie man gegen die erfundenen Inhalte vorgehen kann, darüber haben wir mit Inga Clausen von Kontist gesprochen.
GründerDaily: Hallo Inga, wie ist es, wenn jemand anderes die eigene Identität annimmt und falsche Nachrichten verbreitet?
Inga Clausen: Es ist ein Schock. Es war ein Freitagabend und ich war bereits ins Wochenende gegangen, als mich der Tweet eines britischen Expertenmediums der Fintech-Branche über unsere Finanzierungsrunde mit falschen Inhalten erreichte. Man fühlt sich wie bei einem Einbruch im eigenen Haus.
GründerDaily: Wie hast du reagiert?
Inga Clausen: Erst dachte ich, da hat jemand aus aufkommenden Gerüchten nur etwas schlecht zusammengeschrieben. Aber als ich sah, dass die authentisch wirkende Pressemitteilung in meinem Namen mit meiner professionellen E-Mail-Signatur von einer Google-Mailadresse verschickt wurde, wusste ich, ich muss sofort reagieren, um einen Schaden von Kontist abzuwenden. Es war anzunehmen, dass die Falschmeldung an mehr als nur ein Medienhaus verschickt worden war.
GründerDaily: Wie war der Kommunikationsablauf?
Inga Clausen: Ich informierte umgehend unseren CEO, der erst auf einer Konferenz und dann im Urlaub weilte, sowie das restliche C-Level-Team von Kontist. Neben unseren Investoren rief ich darüber hinaus noch am selben Abend die britischen Redaktionen an. Dank unserer dänischen Investoren hatte ich über deren britische Agentur die Kontaktdaten der Journalisten erhalten.
Wir standen kurz vor unserer Erfolgsnachricht. Durch die Fake-News haben wir unsere Strategie auf Totalangriff umgestellt.
Zum Glück nahmen die ersten Redaktionen bereits an dem Abend die Falschmeldung heraus. Denn die professionell wirkende Pressemitteilung enthielt erfundene Inhalte zur geplanten Höhe der Finanzierung, zur Unternehmensbewertung sowie zur Verwendung des Geldes. Wir hofften, dass damit Ruhe einkehren würde. Jedoch ging es am Montag dann in Deutschland weiter.
GründerDaily: Was war deine größte Herausforderung?
Inga Clausen: Wir wollten eigentlich gemeinsam mit unseren Investoren eine Woche später mit unserer Nachricht zur Finanzierungsrunde herausgehen und hatten für die PR-Arbeit einen Fahrplan. Unter anderem sollte es ein Exklusiv-Interview mit einer wichtigen Wirtschaftszeitung geben. Wir entschlossen uns, alles um eine Woche vorzuziehen, was sehr sportlich war.
Unser Ziel war es, das Aufmerksamkeitsmomentum zu nutzen und ihm eine positive Wendung zu geben.
Wir sprachen mit Journalisten und saßen bis spät in die Nacht, um Zitate abzustimmen und die gemeinsame Pressemitteilung fertigzustellen. Dank der guten Zusammenarbeit von allen Seiten ist uns nicht nur eine erfolgreiche Krisenkommunikation gelungen, sondern auch eine erfolgreiche Kommunikation der tatsächlichen abgeschlossenen Finanzierung.
GründerDaily: Welche Erfolge konntet ihr auf die Schnelle erreichen?
Inga Clausen: Wir sind mit der Sichtbarkeit, die unsere echte Finanzierungsmeldung in den Medien bekommen hat, sehr zufrieden. Viele Medien haben die Story aufgegriffen. Was nicht selbstverständlich war, denn wir mussten sie aufgrund der Umstände kurz vor dem Feiertag am 3.10. versenden.
GründerDaily: Hattet ihr einen Notfallplan oder einen Berater?
Inga Clausen: Wir hatten einen Notfallplan für die wahrscheinlichsten Krisensituationen, die ein Fintech-Startup wie Kontist erleben könnte, aber nicht für eine Fake-News-Kampagne. Die kennt man eher von börsennotierten Unternehmen.
GründerDaily: Was war dein Schlüssel zum Erfolg?
Inga Clausen: Der sofortige proaktive Austausch mit den Journalisten. Außerdem ist es wichtig, Journalisten, die sich die Mühe machen nachzufragen, ernst zu nehmen. Wir wollten nicht mit einem Dementi kommen, das eine Woche später in der Kernaussage bereits überholt gewesen wäre. Stattdessen habe ich alle Fragen sofort und transparent beantwortet und auch bestätigt, dass Kontist kurz vor einem Finanzierungsabschluss stand. So haben wir erreicht, dass die meisten Medien mit ihrer Reaktion auf die Fake-News-Kampagne auf unsere eigene Original-Meldung gewartet haben.
GründerDaily: Mittlerweile habt ihr Anzeige erstattet. Wisst ihr, wer es war?
Inga Clausen: Es liegt beim Anwalt. Der hat den Auftrag, mit Google bezüglich des Gmail-Accounts zu sprechen, das in meinem Namen angelegt war. Jemand wollte den Prozess stören – aus welchem Grund auch immer. Aber das ist ihm nicht gelungen.
GründerDaily: Welche Tipps kannst du anderen Gründern und Jungunternehmern für Krisen-PR geben?
- Nicht verstecken! Geschwindigkeit und Transparenz sind das A und O. Der Taktschlag ist heute so schnell, dass ewig lange Abstimmungsprozesse nicht mehr gehen.
- Beziehungspflege zu Journalisten. Wer langfristig denkt und im aktiven Austausch mit Fachexperten und Medien steht, kann schnell reagieren. Denkt dabei nicht nur an die großen Medien, sondern schaut, welche Personen in der Branche das Sagen haben und von wem die Medien Nachrichten aufgreifen. Oft sind kleinere Fachmedien die einflussreichsten Multiplikatoren.
- Man kann nicht alles steuern! Zum Krisenmanagement gehört wie immer im Leben auch eine Portion Glück.
GründerDaily: Vielen Dank, Inga, für dieses interessante Gespräch über Krisen-PR!
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