Smart City-Start-up schafft sichtbare Luftqualität dank künstlicher Intelligenz

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Inspiriert durch den arabischen Frühling und aufbauend auf ein Uniprojekt gründete Karim Tarraf 2016 Hawa Dawa. Gründerwettbewerbe zählten dabei 2017 zu seiner Strategie - und siehe da: Das Unternehmen wurde eines der Top 50 Start-ups des Jahres. Mehr dazu erzählt Karim in dieser Gründerstory.

 

Für-Gründer.de: Hallo Karim, zum Einstieg ganz kurz: Was bedeutet Hawa Dawa eigentlich?

Karim von Hawa Dawa: Hawa Dawa bedeutet Luftmedizin oder Luftreinheit in mehr als sieben Sprachen.

Für-Gründer.de: Okay, passend - euer Ziel ist es nämlich, gegen die urbane Luftverschmutzung anzukämpfen. Wie genau macht ihr das möglich?

Karim von Hawa Dawa: Wir glauben fest daran, dass unsere Gesellschaft die richtigen Weichen für eine lebenswerte Zukunft stellt und notwendige Schritte mutig geht. Zumindest vorausgesetzt, die relevanten Informationen sind den Bürgern, den Städten und den Unternehmen zugänglich, sodass ein Problembewusstsein entsteht und Lösungen da implementiert werden, wo sie gebraucht werden. Damit das im Umweltbereich funktioniert, müssen Umweltdaten flächendeckend und am besten in Echtzeit zur Verfügung stehen. Hier setzen wir an.

Mit kostengünstigen, über die Stadt verteilten Sensoren messen wir die Konzentration der wichtigsten Schadstoffe in der Luft.

Unsere Plattform verwendet Methoden der künstlichen Intelligenz, um aus diesen vielen punktuellen Messwerten in Verbindung mit weiteren Quellen (Wetter-, Satelliten- und Verkehrsdaten) ein flächendeckendes und hochauflösendes Bild der Luftqualität zu berechnen – auch dort, wo keine Sensoren installiert sind.

Die Daten werden mit einer einfachen digitalen Schnittstelle für Smart Mobility & Smart City-Anwendungen zur Verfügung gestellt. Erste Projekte wurden bereits mit Städten, Telekommunikationsunternehmen und Mobilitätsdienstleistern umgesetzt. Die Liste der Anfragen steigt rasant.

Für-Gründer.de: Wie ist diese Idee entstanden?

Karim von Hawa Dawa: Die Idee entstand aus einem Uniprojekt während meines Studiums an der Technischen Universität München, in dem wir versucht haben ein tragbares Messgerät für Asthmatiker zu konzipieren. Eine intensive Marktstudie in Ägypten sowie Umfragen in Deutschland mit Asthmatikern, Menschen mit Herz-Kreislauf-Beschwerden sowie anderen Risiko-Gruppen, gepaart mit Erkenntnissen aus den heutigen Messtechnologien, haben unseren Ansatz reifen lassen und uns dort hingeführt, wo wir heute stehen.

Für-Gründer.de: Welche Köpfe stecken hinter Hawa Dawa? Stelle dein Team kurz vor.

Hawa Dawa v.l.n.r. Yvonne, Karim und Jannai mit einem Hawa Dawa Node (Bildquelle: Hawa Dawa)

Karim von Hawa Dawa:

Yvonne ist Bolivianerin. Sie hat mehrere Jahre für die deutsche Entwicklungszusammenarbeit in der ländlichen Entwicklung und Anpassung an den Klimawandel gearbeitet. Sie und ich sind ein Ehepaar.

Jannai ist unser Hardware-Entwickler. Seine Affinität im Bereich Elektronik ermöglichte ihm, innerhalb von zwei Jahren zwei hoch innovative Messgeräte zu entwickeln und diese durch die CE-Prüfung zu führen. Er wurde vom MIT Technologie Review zu einem der Top 10 Innovatoren Deutschlands gekürt und im Kreis der 35 Top Innovatoren Europas aufgenommen.

Matthew kommt aus Nord-Irland und ist für die Software zuständig. Über die letzten 13 Jahre hat er in mehreren Ländern in Bereichen wie Fahrsimulation, Modellierung von Verkehrssystemen, Vereinheitlichung von offenen Daten, Quellen und Sensorkommunikation gearbeitet.

Birgit hat im Bereich Neurowissenschaften promoviert. Sie hat mehr als fünf Jahre Erfahrung in der gesundheitswissenschaftlichen und epidemiologischen Forschung. Birgit und Matthew bilden das zweite Ehepaar unseres Familien-Start-ups.

Kurz zu mir: Ich bin nach meinem Studium zurück nach Ägypten gereist, wo mich der arabische Frühling zum Gründen inspiriert hat. Nach 3 Jahren in der Entwicklungszusammenarbeit, in der ich für UNEP Projekte hauptsächlich in Südostasien und der MENA-Region koordiniert habe, traf ich die Entscheidung, zu gründen.

Für-Gründer.de: Im Bereich Smart City hat sich in den letzten Jahren einiges getan. Als Experte hat man hier aber immer noch einmal einen anderen Blick: Was fehlt, um Europas Städte wirklich smart zu machen?

Karim von Hawa Dawa: Salopp gesagt fehlte es bisher an Mut. Es fehlte der Wille, neue Sachen auszuprobieren, selbst wenn es nur im kleinen Rahmen ist.

Leider neigt man im Bereich Smart Citys öfters dazu, alle möglichen Szenarien durchzuexerzieren, sich von den vielen Fragezeichen der Digitalisierung entmutigen zu lassen und als Konsequenz sich nur sehr langsam zu bewegen. Zum Glück können wir gerade eine rasante Trendwende beobachten.

Das Bewusstsein sowie der Handlungsdruck steigen rapide und die Technologien ermöglichen nun innovative, kostengünstige Lösungsansätze. Es ist für uns inspirierend zu sehen, was für einen Unterschied die letzten zwei Jahre gebracht haben. Das haben wir auch in der Schweiz gelernt, wo man kleine, aber schnelle Schritte geht. Ich bin zuversichtlich, dass hierzulande vor allem die Privatwirtschaft im Bereich Smart Citys zunehmend eine zentrale Rolle spielen wird.

Hawa Dawa Node Im Einsatz: Hawa Dawa Node 2.0 (Bildquelle: Hawa Dawa)

Für-Gründer.de: Im Dezember habt ihr bekannt gegeben, zwei hochkarätige Business Angels gewonnen zu haben. Wie habt ihr euch zuvor finanziert und welche Vorteile seht ihr neben dem finanziellen Aspekt durch die Investoren?

Karim von Hawa Dawa: Wir haben uns durch Förderprogramme, Preisgelder, unsere Familien (die berühmten Friends, Family & Fools) sowie erste Pilotprojekte finanziert. Durch Bootstrapping konnte sich Hawa Dawa fast zwei Jahre als Hardware-Start-up beweisen. Nun sind wir an dem Punkt gelangt, an dem wir durch externe Investoren den nächsten Wachstumsschritt gehen können: Wir sehen uns als Speerspitze einer neuen Wertschöpfungskette, in der wir gemeinsam mit unseren Kunden die Geschäftsmodelle erst entwickeln müssen.

Für ein Start-up sind diese Prozesse öfters zu langsam. Durch unsere Investoren profitieren wir nicht nur durch einen breiten Erfahrungsschatz, sondern fühlen uns auch gestärkt, diesen Weg mutig weiterzugehen. Für mich war es auch wichtig, Menschen für unsere Bewegung zu gewinnen. Daher war dieser Schritt für uns der absolut Richtige.

Für-Gründer.de: Wie habt ihr die Kontakte zu euren Business Angels geknüpft und was empfehlt ihr Gründern, die gerade auf der Suche nach einem Geldgeber sind?

Karim von Hawa Dawa: Die Kontakte zu unseren Investoren verliefen teilweise ungeplant. Unseren ersten Investor Heiko Erhardt haben wir im Rahmen des Eight Billion Lives Fellowship Programms, einer Kooperation zwischen der Munich Re und dem Impact Hub München, im Jahr 2016 kennengelernt. Er war damals in diesem Programm Jurymitglied und begleitet uns seit langer Zeit mit Rat und Tat.

Unseren zweiten Investor Alfred Möckel trafen wir bei der Preisverleihung für den Hauptpreis „Gründerwettbewerb - Digitale Innovationen" des BMWi. Schnell war uns klar, dass wir uns auf gleicher Wellenlänge bewegen, und dass vor allem der persönliche Fit zum Gründerteam sehr gut passt.

Unsere Empfehlungen an andere Gründer sind vor allem, sich die Zeit zu nehmen, sich für Preise, Förderprogramme und Wettbewerbe zu bewerben. Auch wenn das eine sehr aufwendige und Energie raubende Arbeit ist, die daraus entstehenden Netzwerke zahlen sich aus.

Für-Gründer.de: Mit eurer Geschäftsidee habt ihr bereits bei zahlreichen Programmen und Gründerwettbewerben erfolgreich teilgenommen. Inwiefern haben diese zu eurem bisherigen Erfolg beigetragen?

Karim von Hawa Dawa: Die vorherige Antwort gibt hier schon eine Indikation.

Wettbewerbe sind wichtig für das Netzwerken: Sowohl mit Investoren, als auch Kunden. So haben uns seit der Publikation von Für-Gründer.de zahlreiche Anfragen aus Politik und Wirtschaft erreicht. Das macht uns besonders stolz. 

Man muss aber auch vorsichtig sein, dass man nicht im Glanz der Preisverleihung abgelenkt wird, sondern immer noch die eigene Entwicklung im Auge behält. Für uns waren Gründerwettbewerbe Teil unserer Strategie für 2017.

Für-Gründer.de: Die erwähnte Publikation von uns kürt euch zum Top 50 Start-up des Jahres. Welchen Tipp gebt ihr Gründern, die 2018 erst so richtig durchstarten wollen?

Karim von Hawa Dawa: Wachsam bleiben. Immer ein offenes Ohr haben und vor allem in der Anfangsphase kontinuierlich Feedback holen - von Menschen, die sich mit der eigenen Idee identifizieren, aber noch wichtiger: Die, die es nicht tun.

Für-Gründer.de: Vielen Dank für diese spannenden Eindrücke!

Keyfacts über Hawa Dawa

  • Unser aktuelles Team besteht aus: Karim Tarraf, Yvonne Rusche, Dr. Birgit Fullerton, Matthew Fullerton, Jannai Flaschberger, Johannes Langer, Ibtisam U-Hassan, Lucas Dimter und José Leyva.
  • Die erste Finanzierung erfolgte durch / über: Business Angels
  • Inzwischen gab es folgende weiteren Finanzierungen: -
  • Unsere Investoren sind: Heiko Erhardt, Alfred Möckel
  • Besonders geholfen haben uns bisher: UnternehmerTUM, Impact Hub Munich, Munich Re, Climate KIC, XPRENEURS, Kickstart (digital Switzerland & Impact Hub Zurich), MakerSpace, Unternehmertum X und viele, viele mehr.
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