Berliner Start-up zeigt krisengebeutelte Regionen von ihrer leckeren Seite

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Afghanistan, Palästina, Myanmar - mit diesen Regionen werden oft bewaffnete Konflikte und Gewalttaten assoziiert. Dabei haben sie viel mehr zu bieten, weiß Salem El-Mogaddedi, Mitgründer von Conflictfood. Salem bereist Krisenregionen, um dort Handelsbeziehungen zu Kleinbauern aufzubauen. Über die damit einhergehenden Herausforderungen berichtet er in dieser Gründerstory.

 

GründerDaily: Hallo Salem, du bist Mitgründer von Conflictfood. Erzähle uns doch bitte kurz, um was es dabei geht.

Salem von Conflictfood: Klar! Gernot und ich, die Gründer von Conflictfood, reisen in Kriegs- und Konfliktregionen und suchen nach landestypischen Agrarprodukten. Unsere Partner sind Kleinbauern und Agrarkollektive.

Über den direkten und fairen Handel mit ihnen stärken wir lokale Strukturen und bauen eine langfristige und nachhaltige Handelsbeziehung auf. Gemeinsam schaffen wir neue Perspektiven und zeigen einen Weg aus der Armut.

Wir importieren die Produkte selbst und verkaufen diese in unserem Online-Shop und bei ausgewählten Vertriebspartnern. Der Conflictfood-Kunde hier in Deutschland erhält aber nicht nur hochwertige Waren, er bekommt auch einen Einblick in die Länder. Wir schreiben ein eigenes Journal, außerdem Info- und Rezeptkarten und berichten über Kultur, Geschichte und Alltag der Menschen - fernab vom Krisenimage. Wir möchten damit unseren Beitrag dazu leisten, Schranken abzubauen, vor allem die im Kopf.

GründerDaily: Wie kam es zu der Geschäftsidee?

Salem von Conflictfood: Wir waren 2015 in Afghanistan und haben in Kabul einige NGO-Projekte besucht. Eher beiläufig erfuhren wir, dass auch in Afghanistan Safran angebaut wird. Wir wurden hellhörig, denn Essen und dessen Herkunft interessierten uns schon immer sehr. Als wir dann von einem selbstverwalteten Frauenkollektiv erfuhren, das vorher Opium angebaut hat und jetzt Safran, das sogenannte „Rote Gold“, packten wir unsere Sachen und flogen in den Westen des Landes, in die Provinz Herat.

Und so standen wir an einem kalten Herbsttag auf einem kargen Feld mit kleinen violettfarbenen Blüten und waren auch bei der Ernte mit dabei. Wir verbrachten gute zwei Wochen in Herat, sprachen viel mit den Frauen und lernten sie kennen. Schnell kam uns der Gedanke: Wir kaufen diesen stolzen, unabhängigen Frauen einen Teil ihrer Ernte ab - und beim Verkauf erzählen wir ihre Geschichte. Eine farbefrohe Geschichte, denn Afghanistan ist weit mehr als nur Taliban und Terror.

In Berlin angekommen haben wir sofort mit der Umsetzung begonnen, ein Konzept geschrieben und „zack“, zwei Preise gewonnen. Das war der Startschuss für uns und ein Zeichen. Wir hängten unsere Jobs an den Nagel und gründeten die Conflictfood GmbH.

GründerDaily: "Ihr", das seid Gernot Würtenberger und du. Wer seid ihr und woher kennt ihr euch?

Salem von Conflictfood: Gernot ist Österreicher und hat als Architekt und Stadtplaner in Wien und Berlin gearbeitet. Er ist außerdem ausgebildeter Mediator und hat somit einige Erfahrung im Bereich der Konfliktvermittlung. Zudem hat er viele Jahre in einem Fair Trade Concept Store gearbeitet. Er fotografiert übrigens leidenschaftlich gerne, alle Fotos in unserer Zeitung und auf der Homepage stammen von ihm.

Conflictfood Architekt Gernot (l.) und Modespezialist Salem haben ihre alten Jobs an den Nagel gehängt und bereisen nun gemeinsam Krisengebiete, um dort mit Kleinbauern zu handeln. (Foto: Melisa Mincova/ Conflictfood)

Und ich komm aus dem Bereich Mode, Verkauf und Marketing. Als freier Mitarbeiter habe ich für NGOs gearbeitet, projektbezogen war ich in Afghanistan und in Pakistan. Geboren bin ich in Niedersachsen und lebe mittlerweile seit fast 13 Jahren in Berlin. Ich liebe die Stadt mit ihren versteckten Schätzen und bin immer auf der Suche nach Neuem. Das können verlassene oder geheime Ecken sein, aber auch interessante Restaurants und Cafés. Und genau da, in einem Lokal in einem Kreuzberger Restaurant, habe ich Gernot kennengelernt. Und seit gut zwei Jahren arbeiten wir nun auch zusammen.

GründerDaily: Ihr reist persönlich in Krisengebiete, um dort den Kontakt zu lokalen Kleinbauern aufzunehmen. Wie entscheidet ihr, wen ihr unterstützt?

Salem von Conflictfood: Der Kontakt zu den afghanischen Frauen war, wie bereits geschildert, eher ungeplant und in diesem Fall hat uns ihre Geschichte begeistert. Krisenherde gibt es leider viele, wir reisen daher regelmäßig auch in andere Regionen. Auf Einladung eines christlichen Geistlichen und Friedensaktivisten waren wir zum Beispiel in Palästina und mit einer großen deutschen Hilfsorganisation machten wir uns in den umkämpften Regionen im Norden von Myanmar auf die Suche nach ursprünglichen Teesorten. Unser Netzwerk wird immer größer und an uns werden mittlerweile spannende Projekte herangetragen.

Wir reisen und bleiben circa einen Monat in den Ländern und schauen: Was gibt’s vor Ort für Produkte? Sind diese exportfähig? Wie sieht es mit der Qualität aus? Und gibt’s dafür einen Markt? Hat das Produkt eine Tradition und spricht es von der Identität der Bauern? Wir lernen viel auf unseren Reisen, fahren mit konkreten Ideen hin, lassen uns vor Ort aber auch von neuen Dingen begeistern. Aus Palästina wollten wir ursprünglich Olivenöl mitbringen. Bis uns ein Bauer Freekeh, gerösteten und sonnengetrockneten Weizen, aufgetischt hat und das dann stattdessen unser nächstes Produkt wurde.

Und natürlich spielt gegenseitiges Vertrauen und Respekt eine Rolle. Erst wenn es für alle Beteiligte passt, gibt es einen Handschlag.

GründerDaily: Als Unternehmer in Krisenregionen aktiv zu sein, birgt sicher auch einige Risiken. Gab es schon mal brenzlige Situationen für euch oder eure Partner, die sich auf das Unternehmen ausgewirkt haben?

Salem von Conflictfood: Wir tun alles, um solche Situationen zu vermeiden. Generell muss jede Reise in ein Konfliktland sorgfältig vorbereitet sein. Vorab informieren wir uns deshalb über befreundete NGOs, Botschaften und Kontaktpersonen in den Ländern oder dem Auswärtigen Amt. Wir sind keine Abenteuertouristen, die den nächsten „Thrill“ suchen. Deshalb haben wir stets Ansprechpartner vor Ort, Übersetzer und teilweise auch Begleitschutz. Während unserer Reisen gibt es immer wieder traurige Zwischenfälle, wie Entführungen oder Attentate. Als wir diesen August in Kabul waren, gab es beispielsweise mehrere Angriffe, wir waren davon aber nicht direkt betroffen.

Conflictfood Die Arbeit in von Gewalt geprägten Regionen ist, trotz Vorsichtsmaßnahmen, nicht ganz ungefährlich. (Foto: Gernot Würtenberger/ Conflictfood)

Mit Krisenregionen zu Handeln bedarf auch eines gewissen Fingerspitzengefühls: Beispielsweise hätten wir sehr gerne eine Handelsbrücke zu Bauern in Tibet aufgebaut und ihre Geschichte erzählt. Nach langen Recherchen und Verhandlungen mussten wir uns aber dagegen entscheiden, denn mit unseren Produkten berichten wir auch über Land und Leute. Wir hätten uns kritisch mit der chinesischen Regierung auseinandergesetzt und das wiederrum hätte für die Bauern in Tibet negative Folgen gehabt. Ein solches Risiko gehen wir nicht ein.

GründerDaily: Um Produkte aus Krisengebieten importieren und verkaufen zu können, müssen sicher eine Menge bürokratischer und organisatorischer Hürden überwunden werden. Was kannst du uns dazu erzählen?

Salem von Conflictfood: Es ist tatsächlich ein enormer Aufwand. Wir setzen auf den direkten Handel, das heißt, wir müssen uns um den Import kümmern, die Logistik, den ganzen Papierkram bei der Verzollung. Wir setzen uns mit den EU und internationalen Bestimmungen auseinander. Teilweise wird der Handel mit Ländern des globalen Südens aber auch vereinfacht, gerade weil man über den Handel die Länder stärken möchte.

Auch die Logistik ist eine Herausforderung, aktuell hängt Ware von uns in Mazar-e-Sharif, im Norden Afghanistans, fest. Auf dem Landweg ist es für manche Logistiker zu unsicher, auf dem Flugweg ist es leider unverhältnismäßig teuer und nicht nachhaltig.

GründerDaily: Wie vertreibt ihr die Produkte in Deutschland? Habt ihr größere Kooperationen für die Zukunft geplant?

Salem von Conflictfood: Wir haben unseren eigenen Online-Shop und einige spannende Vertriebspartner. Helvetas in der Schweiz oder Plan International, auch Manufactum zählt zu unseren Kunden oder die Tageszeitung TAZ. Einige Privatunternehmen schätzen uns sehr als Geschenk für ihre Kunden und Mitarbeiter. Aber wir sind natürlich auf der Suche nach weiteren Partnern, großen spannenden Kanälen und Absatzmärkten. Wer was weiß, wir sind ganz Ohr!

GründerDaily: Wie finanziert sich Conflictfood?

Salem von Conflictfood: Wir haben unser privates Geld in die Firma gesteckt und jeder weiterer Euro wird re-investiert. Bis dato haben wir keinen Investor an Bord und das wollten wir lange Zeit auch nicht.

Mittlerweile merken wir aber, wenn wir mehr bewegen wollen, muss mehr Kapital in die Firma fließen. Aber das muss auch passen, einen rein auf Profit eingestellten Geldgeber schließen wir aus.

GründerDaily: Worauf muss man als Gründer besonders achten, wenn man mit Menschen aus so unterschiedlichen Ländern und Kulturen zusammenarbeitet?

Salem von Conflictfood: Einen interkulturellen „Knigge“ können wir nicht liefern.

Ehrliches Interesse und Respekt an deinen Partnern ist aber schon mal die halbe Miete.

GründerDaily: Welche Ziele habt ihr für die nächsten ein bis zwei Jahre?

Salem von Conflictfood: Ein professionelles Team von drei bis fünf Personen aufbauen, mehr Länder bereisen und Produkte anbieten. Die aktuellen Partnerschaften vertiefen. Wir wollen weiter wachsen, als Unternehmen, personell und von den Produkten her und somit auch unseren nachhaltigen Impact in den Herkunftsländern vertiefen. Und natürlich schwarze Zahlen schreiben.

GründerDaily: Salem, danke für diese Einblicke. Wir wünschen viel Erfolg, gute neue Kooperationen und sichere Reisen!

Keysfacts über Conflictfood GmbH

  • Gegründet im Jahr: 2017
  • Firmensitz in: Berlin
  • Unser aktuelles Team besteht aus: 3 Personen
  • Die erste Finanzierung erfolgte durch: Eigenmittel
  • Besonders geholfen haben uns bisher: Gute Freunde und unsere Familien/ Eltern und die Medien
  • Besonders wichtig im Arbeitsalltag sind für uns folgende:
    • Menschen: Die Liste ist lang, aber das Social Impact Lab Berlin und all die Coaches waren sehr wichtig und hilfreich bei der Gründung, unsere Grafikdesignerin und gute Freundin Lisa Baur, Alex unser Webdesigner, Stakeholder wie die Union Sozialer Einrichtungen- Berlin, die Delphin-Werkstätten, die Druckerei Thieme und Pinguin Druck, das Feedback vieler befreundeter Start-ups und unsere unentbehrlichen Praktikanten.
    • Tools: Designthinking-Methoden und viele bunte Post-its
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