Schicksal oder Zufall? Wie dieser Gründer einen Salz-Großhandel aufbaute

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Die Gründerstory von Raphael Deckert begann im Kellerbüro im Haus der Schwiegereltern. Heute bietet das Großhandelsunternehmen Biova 400 Produkte aus den Bereichen Salz, Pfeffer, Zucker und Gewürze und kann damit eine jährliche Wachstumsrate von über 25% aufweisen - und das ganz ohne Investor. Im Interview erfahrt ihr, was Raphael vom erfolgreichen Angestellten zur Selbstständigkeit brachte.

 

Für-Gründer.de: Hallo Raphael, Biova startete aus in einem sechs Quadratmeter großen Kellerbüro im Haus der Schwiegereltern. Was hat dich im Alter von 20 Jahren dazu motiviert, dich selbstständig zu machen?

Raphael Deckert von Biova: In erster Linie war das mein grundsätzliches Interesse daran, etwas zu erschaffen, zu handeln und Kreativität ausleben zu können. Als Angestellter konnte ich nur „mitschwimmen“, Ideen wurden oft nicht beachtet und schon gar nicht umgesetzt, die Strukturen waren festgefahren. Diese Punkte sind mir bis heute sehr wichtig – jeder meiner Angestellten kann seine Ideen jederzeit einbringen, die meisten werden auch kurzfristig umgesetzt. Ich denke, das ist wichtig für das Unternehmen und für meine Mitarbeiter.

Biova Raphael Deckert (rechts) mit seinem Bruder Sebastian Deckert, der Prokurist bei Biova ist (Bild: Biova)

Für-Gründer.de: Du bist zunächst nebenberuflich in die Selbstständigkeit gestartet. Rückblickend betrachtet: Welche Aspekte brachten dich überhaupt dazu?

Raphael Deckert von Biova: Jede Medaille hat zwei Seiten. Ganz klare Vorteile sind, dass es mein „eigenes Baby“ ist, was mir Raum für Selbstverwirklichung bietet. Das Unternehmen wächst und es stehen uns viele Chancen offen. Das bringt natürlich immer ein Risiko mit sich, welches man bereit sein muss auf sich zu nehmen. Man kommt auch gelegentlich in schwierige Situationen und muss Herausforderungen meistern und Hürden bewältigen. Was die Arbeitsgestaltung anbelangt, bin ich sehr flexibel, auf der anderen Seite muss man 24/7 bereit sein zu handeln oder einzuspringen. Ich habe als Existenzgründer nicht immer geregelte Arbeitszeiten. Das wiegt für mich aber die Vorteile nicht auf, denn mein eigenes Projekt wachsen zu sehen und mein eigener Chef zu sein sind meine Motivation.

Ich gehe mit einer Freude an die Arbeit, die ich so als Angestellter nie hatte.

Für-Gründer.de: Inwiefern hat dir deine Tätigkeit als Angestellter in einem Großhandelsunternehmen beim Aufbau deines Unternehmens geholfen? Und warum hast du dich gerade für den Salz-Großhandel entschieden?

Raphael Deckert von Biova: In meiner Angestelltenzeit habe ich die kaufmännischen Basics gelernt und dieses Wissen konnte ich mitnehmen und übertragen. Man kann es Schicksal oder Zufall nennen, wie ich zum Salzhandel gekommen bin. Anfangs war es auch noch kein Großhandel, sondern nur Einzelhandel. Jedoch habe ich schnell erkannt, dass der Großhandel gewisse Vorteile bringt und habe entsprechend darauf hingearbeitet.

Für-Gründer.de: Wie bist du auf den Namen Biova gekommen?

Raphael Deckert von Biova: Das entstand aus einem Gespräch in der Familie. Wir haben den Begriff „Salz“ und alles, für was er steht, hin- und hergedreht. Salz ist biologisch und hat über 12.000 verschiedene Anwendungen. Biova steht für biologisch vielseitig anwendbar.

Für-Gründer.de: Welche Produkte bietet ihr an?

Raphael Deckert von Biova: Ich habe mit einem einzigen Produkt begonnen, und zwar dem Kristallsalz. Heute haben wir über 400 Produkte aus den Bereichen Salz, Pfeffer, Zucker und Gewürze im Sortiment. Eine Besonderheit sind Salzprodukte für den Tierbedarf. Wir testen ständig neue Ideen wie geräucherte Zwiebeln, fermentierten Pondicherry-Pfeffer oder verschiedene Rauchsalzvarianten. Neben Eigenkreationen sind wir auch stets auf der Suche nach interessanten Erzeugnissen auf der ganzen Welt, um die Innovationsführerschaft in diesem Segment zu behalten.

Biova Biova hat über 400 Produkte aus den Bereichen Salz, Pfeffer, Zucker und Gewürze im Sortiment (Bild: Biova)

Für-Gründer.de: Wie hast du die entsprechenden Anbieter gefunden und die ersten Kunden akquiriert?

Raphael Deckert von Biova:

Den ersten Lieferanten, mit dem ich noch heute eng zusammenarbeite, habe ich zufällig im Urlaub kennengelernt.

Neben unserem Lieferantennetz, das wir uns über die Jahre hinweg aufgebaut haben, arbeiten wir außerdem in vielen Ländern mit sogenannten „Spice Scouts“. Die ersten Kunden hatte ich über einen selbst programmierten Online-Shop gewonnen, die ersten Großhandelskunden durch ein Briefmailing. Heute verwenden wir zur Neukundenakquise den Marketingmix. Wir freuen uns auch sehr darüber, dass mittlerweile sehr viele Neukundenanfragen aufgrund unseres renommierten Namens auf dem Markt von selbst auf uns zukommen.

Für-Gründer.de: Eine Anfangshürde waren bei dir die Lagerkapazitäten – erzähl uns kurz, warum und wie ihr das Problem gelöst habt.

Raphael Deckert von Biova: Alles begann in einem Keller mit wenigen Quadratmetern, dann zog ich in die Garage um, schließlich konnten wir unsere ersten Lager mieten und haben uns aktuell sogar ein eigenes Lager gebaut. Die Kapazitätsprobleme konnten wir immer nur durch entsprechende Umzüge oder Anmietungen weiterer Lager lösen. Das Tolle ist, wir sind organisch und konstant gewachsen und haben uns entsprechend mitentwickeln können.

Für-Gründer.de: Ein Förderprogramm der L-Bank hat dich bei deiner Gründung unterstützt. Wie hast du die Bank davon überzeugt, dir Fördermittel für den Ausbau deines Unternehmens zu gewähren?

Raphael Deckert von Biova: Ich musste glücklicherweise gar keine Überzeugungsarbeit leisten, weil die Fakten für sich selbst gesprochen haben.

Ich konnte eine jährliche Wachstumsrate der vergangenen Jahre von über 25% aufweisen, hatte eine sehr solide Finanzstruktur ohne Fremdmittel.

2014 waren schlichtweg unsere Lagerkapazitäten zu gering. Wir hätten oft mehr Salz verkaufen können, aber wenn die Lagermöglichkeiten fehlen, ist es schwierig, auf eine überraschend starke Nachfrage reagieren zu können. Die Lieferkette ist zu langsam für schnellen Nachschub. Da es in der Region keine passenden Gebäude zu erwerben oder zu mieten gab, wollte ich ein Grundstück kaufen, um selbst zu bauen.

Dafür bekam ich einen Kredit aus dem Förderprogramm Wachstumsfinanzierung der L-Bank, einen Zuschuss aus dem Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum (ELR), Mittel der Bürgschaftsbank sowie ein Darlehen aus der Ressourceneffizienzfinanzierung der L-Bank. Das war nicht nur wegen der Zinsvergünstigung eine gute Sache, sondern auch weil das Eigenkapital geschont werden kann und es tilgungsfreie Anfangsjahre gibt. Damit bin ich flexibel geblieben und konnte die Halle sorgfältig planen.

Für-Gründer.de: Deine vier Kinder sollen in einer „lebenswerten Umwelt“ aufwachsen, weshalb du ein „mindestens CO2-freies Unternehmen“ aufbauen willst. Erzähl uns mehr über die Maßnahmen, die du hierfür an den Tag legst.

Raphael Deckert von Biova: Wenn ich im Supermarkt für die Familie einkaufe, kommen mir in den Einkaufswagen nur Produkte aus Bio, Bioland oder Demeter Landbau. Die Kinderzimmer habe ich selbst aus Holz gebaut, teilweise sogar nur aus alten Europaletten. Unser Haus haben wir in den letzten Jahren so umgebaut, dass wir kaum Energie verbrauchen. Das haben wir umgesetzt durch neue Dämmung, Fensteraustausch, Austausch der Ölheizung zu einer Pelletheizung, Installation einer PV-Anlage sowie einer Solaranlage zur Warmwasseraufbereitung und durch viele weitere Maßnahmen.

Bei der Firma halte ich es genauso, die Gebäudehülle ist in einer besonderen Dämmung (140mm) ausgeführt. Verbaut wird eine effiziente Luft-Wärme-Heizung in Kombination mit einer ganzflächigen Fußbodenheizung. Die Stromversorgung für diese Heizung wird größtenteils aus einer Photovoltaik-Anlage bezogen, so dass eine besonders effiziente und zu Tageszeiten nahezu CO2-neutrale Beheizung möglich ist. Die CO2-Emissionen werden sich bei dem geplanten Neubau auf ca. 20kg / (m² a) belaufen und liegen damit ca. 75% unter den Emissionswerten der vorherigen Räumlichkeiten bzw. derer vergleichbarer Altbauräumlichkeiten.

Biova Bio steckt bei Biova nicht nur im Name - das gesamte Unternehmen soll nachhaltig sein (Bild: Biova)

Für-Gründer.de: Welche Ziele hast du dir für 2018 gesteckt und wo siehst du dein Unternehmen in fünf Jahren?

Raphael Deckert von Biova: Wir möchten die Wachstumsraten der vergangenen Jahre fortsetzen und die Produktpalette erweitern. Weitere Ziele sind eine Anpassung des Personalstamms und der IT an unser Wachstum sowie die Optimierung des Qualitätsmanagements. Bis 2021 wollen wir den Umsatz verdreifachen, wobei die Prozesse schlank und effizient, die Kundenzufriedenheit und die Produktqualität hoch bleiben sollen.

Für-Gründer.de: Welche drei Tipps würdest du Gründern für den Start in die Selbstständigkeit geben?

Raphael Deckert von Biova:

  1. Sucht euch eine Marktlücke. Gibt es Nischenprodukte, für die es einen Bedarf gibt?
  2. Schaut, wo es auf dem Markt noch Bedarf gibt. Was könnt ihr besser machen als die bisherigen Anbieter?
  3. Wichtig ist eine gute Ausdauer - immer die Nerven bewahren!

Keyfacts zu Biova

  • Unser aktuelles Team besteht aus: 17 Personen: (Vertrieb, Lager, Produktion, Buchhaltung sowie Sonderprojekte, Geschäftsführung und Facility Management)
  • Die erste Finanzierung erfolgte durch / über: Eigenkapital
  • Inzwischen gab es folgende weiteren Finanzierungen: Über die Sparkasse Pforzheim/Calw:
    • Wachstumsfinanzierung der L-Bank
    • Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum (ELR)
    • Mittel der Bürgschaftsbank
    • Ressourceneffizienzfinanzierung der L-Bank
  • Unsere Investoren sind: Bisher haben wir keine Investoren an Bord.
  • Investoren finden wir gut / schlecht weil: Gut finden wir sie, weil sie Know-how haben, Kapital bringen und Chancen erhöhen. Schlecht sind Abhängigkeiten und eventuell eine reine Profitfokussierung.
  • Besonders geholfen haben uns bisher: Für mich ist jeder Mitarbeiter wichtig und leistet seinen ganz individuellen Beitrag zum Erfolg durch eine gute Zusammenarbeit, die Fähigkeit zur Fokussierung und Hands-on-Mentalität. Sehr wichtig ist mein Bruder Sebastian Deckert, der Know-how aus der Automobilbranche mitbringt und sich um die laufende Optimierung und die Strategie kümmert.
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