Social Responsibility: für dieses Start-up mehr als nur ein Aushängeschild
In der Textilbranche wird immer öfter die Nachhaltigkeit bei der Produktion von Kleidungsstücken propagiert. Oft dient das jedoch nur der Verbesserung des Unternehmens-Images. Denn sich "grün" zu verkaufen, ist billiger, als die damit einhergehenden Verpflichtungen auch tatsächlich konsequent umzusetzen. Ein Verhalten, an dem Stefan Niethammer von 3FREUNDE starke Kritik übt. Was Nachhaltigkeit und Verantwortung für ihn bedeuten, erklärt er uns im Interview.
GründerDaily: Hallo Stefan, mit 3FREUNDE produziert und vertreibt ihr laut eurer Website „das beste T-Shirt der Welt“. Was macht eure T-Shirts so besonders?
Stefan von 3FREUNDE: Wir verwenden nicht nur eine besondere Biobaumwolle und verarbeiten die sauber, sondern laden diese noch mit viel gutem Karma auf, indem die Näherinnen und Näher, die Bauern und viele andere in der Lieferkette faire Löhne erhalten und tatsächlich von ihrer Hände Arbeit leben können. Dokumentiert wird das unter anderem damit, dass alle unsere Produkte das Fairtrade-Siegel tragen sowie einen Fairtrade-Code, mit dem die Kunden nachvollziehen können woher die Baumwolle kommt.
GründerDaily: Die Konkurrenz an nachhaltig produzierter Kleidung ist heute groß. Gibt es wirklich kein anderes Unternehmen, das so produziert und handelt wie ihr?
Stefan von 3FREUNDE: Uns ist keines bekannt. Heutzutage ist ja die Arbeitsteilung sehr beliebt. Hier die Marke, dort Firmen, die die Produkte fertigen und anschließend mit dem Markenlogo labeln. Wir haben bewusst Verantwortung übernommen und 2012 eine eigene Näherei gegründet, um unsere Ziele von Transparenz, existenzsichernden Löhnen, stabilen Lieferketten und Verlässlichkeit umzusetzen.
Unternehmerische Verantwortung für mehr als das Marketing und die Entwicklung einer Marke zu übernehmen, ist uns so noch nicht untergekommen. Und wenn dann doch jemand in diese Richtung geht, dann bitte ohne Zertifizierungen und unabhängige Prüfung. Denn das kostet Geld und könnte – wenn was moniert wird – doch der Story und Markenentwicklung schaden.
Und andere wiederum weichen ihre Kriterien und Ansprüche auf dem Weg zu mehr Wachstum auf, weil sie ja schon als „fair“ oder „nachhaltig“ wahrgenommen werden, da reicht es dann auch schon von zertifizierter Fairtrade-Biobaumwolle auf Biobaumwolle zurückzurudern. Du merkst, es liegt hier was im Argen und es regt mich auf...
GründerDaily: Wo wird eure Kleidung produziert und warum dieser Standort?
Stefan von 3FREUNDE: Seit Anfang an produzieren wir in Indien. Genauer genommen in Südindien im Großraum Tirupur. Tirupur wurde früher einmal als die Welthauptstadt für T-Shirts bezeichnet. Hier ist die Infrastruktur an Spinnereien, Strickereien, Färbereien und Nähereien gegeben – auch die von nachhaltig und fairen Betrieben.
Den Standort haben wir nach Diskussionen unter anderem mit einer Expertin beim Ökoinstitut in Darmstadt ausgewählt. Wir wollten in einem Land produzieren, das von der Rohbaumwolle bis zum fertigen Produkt alle Zwischenschritte abbilden kann.
Dadurch reduzieren wir die in der Industrie üblichen langen Wege und vereinfachen die Kontrolle über die Lieferkette. Zugleich war es und wichtig, dass die Menschen in dem Land unserer Wahl in einer Demokratie leben und einklagbare Rechte haben.
GründerDaily: Du hast im Jahre 2012 mit dem indischen Partner von 3FREUNDE eine eigene Näherei gegründet – nicht unbedingt üblich in der Branche. Warum habt ihr euch dazu entschieden?
Stefan von 3FREUNDE: Wir kamen an den Punkt, dass wir existenzsichernde Löhne bezahlen, echte Kontrolle über die Lieferkette erlangen und zugleich unternehmerische Verantwortung übernehmen wollten. Denn im Regelfall entscheiden Agenten oder eben Nähereien, wo sie ihre Vorprodukte beziehen. Und das kann dann gut sein oder eben nicht - es ist aber im Regelfall nicht beeinflussbar und auch nicht transparent.
GründerDaily: Mittlerweile nutzen auch andere Kunden die Näherei Mila-Clothing mit hohen ethischen Standards. Welche anderen Unternehmensaktivitäten nutzt ihr, um Nachhaltigkeit weiter voranzutreiben?
Stefan von 3FREUNDE: Wir versuchen in der Geschäftsentwicklung mit Firmen zusammenzuarbeiten, die wie wir ticken, also aktiv und glaubhaft Veränderung bewirken wollen. Zugleich wirken wir im Textilbündnis mit, allerdings ist das sehr mühsam, da es primär auf die Großen der Branche ausgerichtet ist. Wir werden da eher als Exoten geduldet. Ansonsten findet man uns oft auf Podien oder in Diskussionsveranstaltungen, um einen gelebten Kontrapunkt zum „wir würden ja gerne alles verbessern, es geht nur nicht“ zu setzen.
GründerDaily: Wie sichert man die Qualität der Produkte und der Arbeitsbedingungen in Indien, wenn man selbst in Deutschland ist?
Stefan von 3FREUNDE: Es ist gut, dass die Frage nicht lautet, wie wir diese Dinge „garantieren“ können. Denn eine Garantie kann man nicht aussprechen. Dafür ist die Lieferkette immer noch zu komplex.
Die Qualität zu sichern ist hierbei noch die leichtere Aufgabe. Durch regelmäßige Tests in Prüflaboren überwachen wir beispielsweise stichprobenartig die Schrumpfung des Stoffes. Und die Qualität des Endprodukts versuchen wir dadurch grundsätzlich hoch zu halten, indem wir unsere Mitarbeiter wertschätzen. Denn man darf nicht vergessen: ein T-Shirt ist echte Handarbeit.
GründerDaily: Deine Mitgründer sind mittlerweile nicht mehr im Unternehmen tätig. Wie kam es dazu?
Stefan von 3FREUNDE: Maik und Alex begleiten noch heute 3FREUNDE. Allerdings ist eine solche Mission mit vielen Entbehrungen und finanziellen Einschränkungen verbunden. Zu dritt hätten wir gerade in der Anfangsphase nicht davon leben können. So musste einer von uns „springen“ und das Wagnis auf sich nehmen.
GründerDaily: 3FREUNDE existiert seit über 10 Jahren. Was habt ihr in der Zeit über Unternehmensgründung und -führung gelernt?
Stefan von 3FREUNDE: Unternehmen sind in sich soziale Wesen. Jeder Mensch hat darin unterschiedliche Qualitäten aber auch Bedürfnisse. Im besten Fall passen diese zu den gerade benötigten Anforderungen und es entsteht eine unglaubliche Dynamik. Und manchmal erlebt man eben auch, dass eine Konstellation nicht passt. Je klarer das Ziel ist, das man formuliert, desto freier können Mitarbeiter handeln und entscheiden.
Und in Deutschland zu gründen ist so viel einfacher als in Indien. Letzteres kann ich niemandem empfehlen.
GründerDaily: Corporate Social Responsibility wird auch bei großen Unternehmen immer wichtiger. Oft werden aber auch einfach PR-Methoden angewendet, die darauf abzielen, dem Unternehmen ein nachhaltiges Image zu verleihen – das sogenannte „Greenwashing“. Ab wann ist ein Unternehmen für dich wirklich „grün“?
Stefan von 3FREUNDE: Bei inhabergeführten Unternehmen ist das relativ einfach festzustellen: wenn sich ein Unternehmer Ziele setzt, die nachhaltig sind, und sich die Organisation danach orientieren kann, dann funktioniert das. Bei größeren Unternehmen ist das immer schwierig, denn oftmals sind hier andere Ziele im Zweifel wichtiger, zum Beispiel Gewinn und Marktanteile. "Grüne“ Ziele werden nur als Sekundär-Ziele betrachtet.
Richtig "grün" ist ein Unternehmen aus meiner Sicht dann, wenn es Entscheidungen auf Basis nachhaltiger Ziele trifft, egal ob diese dann den Gewinn schmälern oder nicht. Und manchmal ist es eben auch besser, etwas gar nicht erst anzufangen, wenn es nicht zu den nachhaltigen Zielen passt.
GründerDaily: Welche Ziele habt ihr noch für die Zukunft?
Stefan von 3FREUNDE: Es ist noch nicht spruchreif, aber unser Ziel ist es, Anfang 2019 das erste nach Fairtrade-Production-Standard hergestellte Laufshirt aus recycletem Polyester herzustellen, das nach Ende des Lebenszyklus auch wieder zu einem neuen Laufshirt recyclet werden kann. Wir arbeiten da seit vier Jahren dran, jetzt sind wir fast so weit.
Ansonsten wollen wir weiter ein Stachel im Fleisch der Textilindustrie sein und eine Alternative zu konventionellen Produkten bieten.
GründerDaily: Vielen Dank, Stefan, für diese interessanten Einblicke. Wir wünschen weiterhin viel Erfolg!
Keyfacts über 3FREUNDE:
- Gegründet im Jahr: 2006
- Firmensitz in: Konstanz am Bodensee
- Unser aktuelles Team besteht aus: 4 Mitarbeitern und 3 weiteren in der Schwesterfirma, die Druck und Logistik verantwortet.
- Die erste Finanzierung erfolgte durch / über: private Darlehen, Eigenmittel
- Besonders geholfen haben mir/uns bisher: der Rückhalt in Familie, Freundes- und Kundenkreis. Wir werden immer angespornt weiterzugehen.
- Besonders wichtig im Arbeitsalltag sind für mich/uns folgende:
- Menschen: Persönlichkeiten, die in ihrem Handeln ebenfalls konsequent und ausdauernd sind wie bspw. Roland Stelzer, Elmer & Zweifel, Philipp Keil, SEZ oder auch Martin Kluck, Kipepeo Clothing.
- Tools: Daylite als CRM
- Internetseiten: commonobjective.co