Old meets New Circular Economy: Starthilfe für grüne Gründer

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Für die Wirtschaft hatte Wachstum bislang oberste Priorität - ungeachtet der Kosten für die Umwelt. Dabei schließen sich Umweltschutz und wirtschaftliches Handeln nicht aus. Einige Start-ups zeigen, dass man profitabel handeln kann, ohne dabei die Umwelt zu belasten. Allerdings haben es diese Gründer dank Regularien und Vorschriften oft nicht einfach. Wie der Start in der New Circular dennoch gelingen kann, erklärte uns Miriam Kehl von Green Alley, dem Förderer von "grünen" Start-ups.

 

Für-Gründer.de: Hallo Miriam, sind innovative Lösungen mittlerweile in der Kreislaufwirtschaft angekommen?

Miriam Kehl, Green Alley Award: Wenn man es genau nimmt, ist die Kreislaufwirtschaft oder Circular Economy, wie wir sie nennen, an sich schon innovativ. Sie ist als komplettes Gegenstück zu unserem bisherigen Konzept „Herstellen, Nutzen und Wegwerfen“ zu verstehen, schließlich geht es darum, Kreisläufe zu schließen.

Neue Trends wie beispielsweise das Upcycling im Bereich Mode oder wiederverwendbare Coffee-to-go Becher zeigen, dass innerhalb der Gesellschaft ein Bewusstseinswandel stattfindet. Wir sehen, dass die klassische Wegwerfmentalität die Umwelt zerstört und sogar den eigenen Geldbeutel belastet. Doch es gibt noch viele Themen, die wir angehen und optimieren müssen.

Miriam Kehl Miriam Kehl ist Referentin des Vorstands der Landbell AG für Rückhol-Systeme und beim Green Alley Award für das Marketing zuständig (Foto: Landbell)

Für-Gründer.de: Welche Rolle spielen dabei grüne Start-ups?

Miriam Kehl, Green Alley Award: Start-ups sind als Innovationstreiber absolut essenziell. Sie werfen einen frischen Blick auf Probleme und verfolgen andere Ansätze und Methoden. Sie sind nicht betriebsblind und haben den Mut, unbequeme Fragen zu stellen und bisherige Ansätze zu hinterfragen. An den Finalisten des Green Alley Awards lässt sich sehr gut erkennen, wie unterschiedlich Gründer Probleme angehen.

  • Nehmen wir das Thema Lebensmittel: Das Kölner Start-up Foodloop hat eine App entwickelt, mit deren Hilfe Supermärkte Produkte nahe ihres Mindesthaltbarkeitsdatums über Rabattaktionen vor der Tonne retten können.
  • Die Macher hinter Entocycle, einem Start-up aus UK, möchten Bioabfälle für die Zucht von Soldatenfliegen nutzen. Damit reduzieren sie das Abfallvolumen erheblich und nutzen gleichzeitig die Larven als protein- und nährstoffreiches Tierfuttermittel.
  • Ein weiteres Problem ist der zunehmende Verpackungsabfall, der durch unsere Affinität zum Onlineshopping verstärkt wird. Das Start-up RePack aus Finnland, eines unserer Award-Gewinner, hat eine bis zu 20 mal wiederverwendbare Versandtasche entwickelt.
  • Der Gewinner des Green Alley Awards 2015, das britische Start-up Adaptavate, wiederum will die Baubranche mit einer ökologischen Wandverkleidung namens Breathaboard revolutionieren.

In der Circular Economy gibt es also jede Menge Themen, an die sich Gründer heran wagen können.

Für-Gründer.de: Was sind explizit Herausforderungen in dieser Branche für junge Unternehmen?

Miriam Kehl, Green Alley Award: Bei verschiedenen Abfallströmen, also beispielsweise Papier, Lebensmittel oder Elektroaltgeräte, gibt es verschiedene Regularien und darüber hinaus auch noch Vorschriften, die in jedem Land unterschiedlich ausgestaltet sind bzw. sein können. Daher ist es für Start-ups wichtig, einen erfahrenen Partner zu haben, der ihnen hier mögliche Fallstricke aufzeigt. Die andere große Hürde für Start-ups ist der Markteintritt. Eine Idee kann noch so gut sein, aber wenn der Markt noch nicht reif für sie ist, wird das Start-up viel Pionier- und Überzeugungsarbeit leisten müssen. So auch bei RePack:

Mit ihrer wiederverwendbaren Versandtasche liefern die Gründer eine tolle Lösung, Verpackungsabfall im Onlinehandel zu reduzieren. Das Feedback von potenziellen Kunden ist toll. Dennoch zögern sie letztlich in der Umsetzung, da das Thema ökologischer Versand einfach noch keine Priorität in Unternehmen hat. Hier sehe ich noch viel Aufklärungsarbeit, nicht nur bei Unternehmen, sondern auch beim Konsumenten.

Auch das Team von TerraCycle lehnt sich noch nicht zurück, wenn es um die Etablierung neuer Konzepte für die Circular Economy geht. Das US-amerikanische Unternehmen hat einen Standort in der Green Alley und sammelt Abfälle wie Zahnbürsten, Korken und selbst Zigarettenfilter im großen Stil, um sie zu recyclen und zu Accessoires oder Einrichtungsgegenständen zu upcyclen. Da das Unternehmen aus Amerika stammt, mussten sie sich erst ein mal mit den Unterschieden der Märkte USA und Deutschland auseinandersetzen und kamen zu einer interessanten Feststellung, wie Philip Thinius von TerraCycle erzählt:

In Deutschland ist das Thema Recycling bereits viel besser in den Köpfen der Bevölkerung verankert. Das macht es für uns einerseits schwerer und andererseits leichter. Schwerer, weil viele denken, dass es in unserem – zweifellos fortschrittlichen – Recyclingsystem keinen Grund gibt, noch mehr zu trennen. Leichter, weil sich immer mehr Leute für Nachhaltigkeit einsetzen wollen und sehen, dass wir mit Müllverbrennungsanlagen keine Kreislaufwirtschaft aufstellen können.

Philip Thinius von TerraCycle Philip Thinius ist Account Manager von TerraCycle Deutschland, Österreich, Schweiz (Foto: TerraCycle)

Für-Gründer.de: Welche Unterstützung wäre für Start-ups, die in die Kreislaufwirtschaft einsteigen möchten, besonders hilfreich?

Miriam Kehl, Green Alley Award: Eines der wesentlichsten Themen ist es, den Start-ups Sichtbarkeit zu verleihen. Dazu gehört erst mal, der Öffentlichkeit klar zu machen, dass unser bisheriger Umgang mit Ressourcen und Abfall problematisch ist. Dann muss man aufzeigen, dass es tatsächlich praktische Lösungen gibt, die der Gesellschaft Verhaltensänderungen ermöglichen. Damit weckt man dann letztlich auch den Bedarf nach Alternativen – und eröffnet Marktchancen.

Auch der Austausch mit erfahrenen Entscheidern der Circular Economy ist wichtig. Das ist genau die Unterstützung, die wir über Green Alley leisten. Über unser Netzwerk bringen wir junge Gründer und erfahrene Entscheider ganz gezielt zusammen.

Die Relevanz des Austausches betont auch Martin Jaehnert von binee. Das Dresdener Unternehmen hat ein System zur Wiederverwendung und Verwertung von Elektroaltgeräten entwickelt und stand im Finale des Green Alley Awards 2015. Die smarte Abfalltonne dokumentiert die Schrottabgabe und generiert einen Trackingcode zur Verfolgung des Recyclingsprozesses.  Welche Rolle dabei Feedback für binee spielt, hat uns Martin Jaehnert verraten:

Es ist wichtig, Feedback als Geschenk anzunehmen. Auf Feedback musst du nicht antworten, sondern zuhören. Ausreden lassen, und vielleicht kannst du mit Fragen auf die Punkte lenken, wo du wirklich noch Feedback brauchst. Das Gespräch mit Leuten mit Erfahrung im Markt ist ein guter Weg, das Geschäftskonzept zu prüfen, anzupassen, zu verfeinern. Die Idee verändert sich dabei, und das ist völlig in Ordnung.

Die Köpfe hinter binee Die Köpfe hinter binee sind Marilu Valente (Design), Florian Eidner (Technologie) und Geschäftsführer Martin Jaehnert (Foto: binee)

Miriam Kehl, Green Alley Award: Räumlichkeiten für diesen Austausch bietet beispielsweise unser Co-Working im Berliner Wedding. Gemeinsam wird dann diskutiert, gebrainstormt, Input gegeben. Über unseren jährlichen Award weisen wir außerdem auf Missstände hin und machen neue Ansätze sichtbar.

Ein anderes großes Thema für Start-ups ist die Finanzierung. Es gibt inzwischen unzählige Angebote, von Acceleratoren über Inkubatoren bis hin zu strategischen Investoren. Je nach dem, welchen Ansatz man fährt, muss man unterschiedliche Anforderungen erfüllen bzw. ein gewisses Stadium mit seinem Start-up bereits erreicht haben.

Investoren lassen sich am besten mit einem fundierten Businessplan überzeugen. Das kostet Zeit und Kraft, ist letztlich aber ein Beleg dafür, wie vorausschauend die Gründer planen und wie sie sich ihre Entwicklung vorstellen können. In der Regel verfügen unsere Start-ups, die wir ins Finale des Green Alley Awards nach Berlin einladen, bereits über ein gut ausgearbeitetes Geschäftsmodell.

binee war eben eines dieser so gut vorbereiteten Start-ups in einem Green Alley Award-Finale. In Bezug auf den Businessplan sind die Gründer breit aufgestellt, da sie wissen, dass ihre Geschäftsidee neugierig macht und Fragen aufwirft, wie Martin Jaehnert erklärt:

Das Wort Businessplan weckt je nach Gesprächspartner unterschiedliche Erwartungen - bis hin zum 50-Seiten-Dokument. Wichtig ist aber, das der Businessplan lebt. Daher besteht unser Dokument aus zwei Teilen: dem Pitchdeck und der Excel-Planung. Wichtig ist auch, dass das Konzept für die verschiedenen Stakeholder einen Mehrwert erzeugt, deshalb sind Business Model Canvas und Business Value Canvas anschauliche Tools, um deutlich zu machen, wem wir wie nützen. Das Feedback der vielen Gesprächspartner war sehr hilfreich dabei, alle Fragen kennenzulernen und dann nach und nach zu beantworten.

Für-Gründer.de: Welchen Wunsch habt ihr für die grüne Gründerszene der Zukunft?

Miriam Kehl, Green Alley Award: Mehr Mut, um die Ecke zu denken. Das Thema Circular Economy betrifft uns alle – als Endkonsumenten, als Arbeitnehmer oder als etabliertes Unternehmen. Jede Branche muss über kurz oder lang umdenken und sich anders aufstellen.

Und genau diese Chance für den Wandel sollten Start-ups erkennen und für sich nutzen. Wenn wir uns endgültig von der Wegwerfmentalität verabschieden wollen, braucht es noch viel mehr solcher Start-ups. Und es braucht uns als Endkonsumenten, die verstehen, dass auch nur mit ihrer Hilfe und Akzeptanz der Wandel letztlich möglich ist.

Wie man den Endkonsumenten auch erreicht, hat TerraCycle bereits herausgefunden - nämlich über Storytelling. Gerade bei einer Geschäftsidee mit einer starken sozialen oder nachhaltigen Komponente zählt die Geschichte, wie Philip Thinius von TerraCycle verdeutlicht:

Wir haben keinerlei Marketingbudget. Wir sehen aber, dass sich zum Beispiel die lokale Presse immer sehr über Geschichten zu engagierten Menschen freut, die etwas in ihrer Nachbarschaft oder ihrer Stadt bewegen, etwas für die Umwelt tun und gleichzeitig noch Spenden für den gemeinnützigen Zweck sammeln. Was wir tun, ist diese Geschichten unserer Sammelteams aufzuschreiben und an die Presse zu geben. Bei dieser „Marketingmaßnahme“ gewinnen alle Beteiligten.

Der Green Alley Award 2016 im Überblick

Der aktuell laufende Green Alley Award sucht Geschäftsideen aus der Circular Economy. Zu gewinnen gibt es für die grünen Gründer neben Geldpreisen auch Unterstützung bei der Investorensuche und kostenfreie Büros. Bis zum 27. Juli ist eine Onlinebewerbung möglich.

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