Neu und nachhaltig: ausgezeichnete Geschäftsideen

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Inspiration

Geschäftskonzepte, die die Umwelt schonen, sind wichtiger denn je: Diese vier Sieger des KfW Award Gründen 2022 haben Lösungen für Recycling, sauberes Trinkwasser, intakte Straßen und den Einkauf mit gutem Gewissen.

QiTech
Milan von dem Bussche startete sein Unternehmen in der Garage seines Vaters. (Bild: Jonas Wresch)

#1 QiTech Industries: Spezialmaschinen fürs Plastikrecycling 

Milan von dem Bussche ist erst 19 Jahre alt, hat aber bereits zwei Unternehmen gegründet und mit einem davon soeben die Marke von 100.000 Euro Umsatz geknackt. Und hört man sich die Pläne des Entrepreneurs an, ist das erst der Anfang von etwas ganz Großem. 

Als von dem Bussche 15 war, wollte er sein iPhone kabellos laden, doch die veraltete Technologie des Geräts ließ das nicht zu. Also entwickelte er gemeinsam mit einem Freund eine Handyhülle, mit der das möglich war. Ein selbst gebauter 3D-Drucker aus Lego führte zum Erfolg. Allerdings musste von dem Bussche etliche Prototypen aus Plastik, die noch nicht funktionierten, in den Müll schmeißen. In diesem Moment wurde ihm klar: „Der Plastikmüll sollte recycelt und wiederverwendet werden – nämlich als Filament für den 3D-Druck.“ Normalerweise wird das Filament aus Neuplastik hergestellt.

Von da an ging alles Schlag auf Schlag. Von dem Bussche gründete die QiTech UG und entwickelte in der Garage des Vaters eine Maschine, die Plastikausschuss in Filament umwandelt. Die Geschäftsidee schlug ein. „Es kamen aber immer mehr Menschen auf uns zu, die an der Maschine selbst interessiert waren“, sagt der Gründer. Also entwickelte von dem Bussche gemeinsam mit Freunden eine solche Maschine, klein genug, um auf einen zwei Meter langen Tisch gestellt werden zu können. Als diese marktreif war, gründete er die QiTech Industries und begann, die Maschinen zu vertreiben. Bereits 70 davon hat er verkauft, an Universitäten, Forschungseinrichtungen und Technikabteilungen von Unternehmen.

„In zwei Jahren wollen wir der weltweit führende Anbieter für diese Maschinen sein“, sagt von dem Bussche. Außerdem will er das Recycling revolutionieren. Daher sammelt er gerade Millionen von Flaschendeckeln. Mit einer neu entwickelten „Schlüsseltechnologie“ können diese erstmals farbecht recycelt werden. Von dem Bussche: „Das Filament ist nicht mehr grau, sondern leuchtet in den ursprünglichen Farben der Deckel. Damit wird es uns gelingen, die bislang zum Teil noch skeptische Industrie, etwa die Automobilbranche, vom Recycling zu überzeugen.“

#2 Inflotec: Verunreinigtes Wasser automatisiert aufbereiten

Mehr als 2,2 Milliarden Menschen haben keinen ausreichenden Zugang zu sauberem Wasser. Wasser ist damit eines der kostbarsten Güter der Erde. Das Start-up Inflotec hat eine bahnbrechende Lösung entwickelt, um die verlässliche Versorgung von Wasser zu ermöglichen: Mit dem von den Gründern Martina Findling und Martin Drewes entwickelten Offgrid-System kann verschmutztes Wasser zu Trinkwasser aufbereitet werden. Dabei ist es egal, ob es sich um durch Medikamentenrückstände oder Mikroplastik verunreinigtes Wasser handelt oder um Salzwasser. Die voll automatisierte Anlage der Magdeburger reinigt es per Knopfdruck. 

Entstanden ist die Idee, weil Drewes eines Tages die „Sendung mit der Maus“ schaute. Der Beitrag zeigte, wie Astronauten im Weltall ihren eigenen Urin in Trinkwasser umwandeln. Drewes schrieb die NASA an, um zu fragen, wie das funktioniert. Er erfuhr, dass ein spezieller Filter das Herzstück dieses Prozesses ist. 

Drewes, damals noch bei der Bundeswehr angestellt, forschte weiter. Er sah: Die Filter, die im Weltall benutzt werden, reißen beim Gebrauch auf der Erde. Also entwickelte er einen stabileren Filter und ließ seine Erfindung patentieren. Nun fehlte ihm nur noch ein betriebswirtschaftlich gebildeter Partner, den er über Bekannte in Findling fand. 

Nur zwei Jahre später können beide mit Inflotec etliche Erfolge vorweisen: Ihr junges Unternehmen bereitet weltweit verschmutztes Wasser zu Trinkwasser auf. Unter anderem in Kenia, Peru und Vietnam ist das Start-up aktiv. Der Fokus aber liegt auf Europa, auch hier gibt es eine Menge Einsatzorte, zum Beispiel in Krisengebieten, ferner auf Segelbooten, aber sogar in Mehrfamilienhäusern. Genau hier setzt ihr aktuellstes Produkt „Watercube“ an: Die Anlagen, klein wie ein Wasserkasten und 35 Kilogramm schwer, verwandeln überall und jederzeit verschmutztes Wasser, etwa aus der Dusche oder dem Geschirrspüler, in sauberes. 

#3 vialytics GmbH, Baden-Württemberg

vialytics
Papierkram ade: Mit dem Straßenmanagementsystem von vialytics lassen sich Straßenschäden leicht erkennen und frühseitig beheben. (Bild: vialytics)

Viele Straßen sind in einem schlechten Zustand. Das Stuttgarter Start-up vialytics hilft Bauhöfen und Bauämtern mit einer selbst entwickelten und auf Künstlicher Intelligenz basierenden Software, Schäden auf der Straßenoberfläche so früh wie möglich zu erkennen. Denn dann können Missstände auch frühzeitig behoben werden. Somit können die Kommunen eingreifen, bevor groß angelegte, bedeutend teurere Sanierungen anstehen. Zudem dient der Service Auto- und Fahrradfahrern, die nicht unnötig lange über holprige Straßen fahren müssen. 

Die drei Gründer Patrick Glaser, Achim Hoth und Danilo Jovicic-Albrecht haben sich bei einem Start-up-Wettbewerb kennengelernt. Schnell geriet der Fokus auf den Bereich Verkehr und Straße. Gemeinsam haben sie ein intelligentes Straßenmanagementsystem entwickelt. 

Früher mussten die Mitarbeiter der Bauhöfe und Bauämter das Straßennetz abfahren und händisch dokumentieren, wenn ihnen Schäden auffielen. „Dieser Prozess war zeitaufwendig, und da sehr subjektiv, auch wenig präzise“, sagt Jovicic-Albrecht. Vialytics ersetzt die herkömmliche Streckenkontrolle mit Stift und Papier: Ein an der Windschutzscheibe des Autos oder am Fahrradlenker der kommunalen Mitarbeiter angebrachtes Smartphone zeichnet die Straßenschäden automatisch via Bilderkennung auf, analysiert die Heftigkeit der Risse oder Schlaglöcher und wertet anhand von 15 Schadenskategorien aus, wie dringend eine Instandhaltung vorgenommen werden sollte. „Das spart Geld und Zeit und ermöglicht schnelle Entscheidungen“, sagt der Gründer. 

Mehr als 200 Kommunen und Landkreise in mehreren europäischen Ländern arbeiten bereits mit der Erfindung der Stuttgarter. Prag ist mit einem abgefahrenen Straßennetz von 3.500 Kilometern im Jahr 2022 der aktuell größte Kunde. In Baden-Württemberg, wo vialytics seinen Sitz hat, ist die Kommune Schwäbisch-Gmünd mit mehr als 1.000 Kilometern vorne. 

#4 Unverpackt Umgedacht GmbH, Brandenburg

In Plastik eingepackte Lebensmittel schaden der Umwelt. Dennoch sind immer mehr Waren, auch frische wie Obst oder Gemüse, mit Folie umwickelt. Ein Start-up aus Brandenburg will diese Flut eindämmen. Unverpackt Umgedacht füllt seit 2019 Bio-Lebensmittel in Mehrweggläser ab. Bis zu 50 Mal können die Gläser wiederverwendet werden. 

Mithilfe der Crowdfunding-Plattform Startnext konnte Gründer Leonhard Kruck sein Unternehmen starten. Mittlerweile bietet er die Lebensmittel in Gläsern sowohl für Geschäftskunden als auch für Endkunden an. Konsumenten können die Produkte sowohl online über die Webseite unverpackt-fuer-alle.de erwerben. Ebenso können sie sich Kisten mit einem Sortiment im Abo zusenden lassen. Aber auch im stationären Handel sind die Brandenburger mehr und mehr vertreten, sowohl in Bioläden als auch in großen Lebensmittelketten wie etwa Rewe. Bis zu 90 Produkte der Marke sind in den Märkten zu finden. Die Palette reicht von Reis und Hülsenfrüchten über Fruchtaufstriche bis hin zu Trinkschokolade in mehreren Geschmacksrichtungen. „Wer will, kann seinen gesamten Einkauf, also alles für die Küche, plastikfrei erledigen“, sagt Kruck. 

Und das ist noch nicht alles: Die Schraubdeckel auf den Gläsern sind ohne Weichmacher hergestellt, die Produkte sind fair gehandelt, 25 Prozent der aktuell 30 Mitarbeiter bei Unverpackt Umgedacht sind Menschen mit Beeinträchtigung, das junge Unternehmen zahlt faire Löhne und unterstützt soziale Projekte, zum Beispiel in Burkina Faso. 

Kruck, „überzeugter Umweltschützer“ mit Erfahrungen beim Naturschutzbund Deutschland e.V., NABU, hat aber noch weitere Pläne: „Ich möchte eine Untermarke für Fertigprodukte in Mehrweggläsern gründen“, sagt er. Diese seien nicht nur umweltfreundlicher, sondern auch einfacher in der Handhabung. 

KfW Award Gründen

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