Digital schlägt analog: 4 ausgezeichnete Geschäftsideen

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Inspiration

Diese vier Sieger beim KfW Award Gründen 2022 zeigen, wie Digitalisierung und KI immer mehr Branchen positiv verändern und zudem für mehr Lebensqualität sorgen.

RoBoTec
Friederike und Stephan von Rundstedt automatisieren die Vermehrung von Pflanzen im Labor mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz, 3-D-Bilderkennung, Robotik sowie Laserschnitttechnik. (Foto: RoBoTec)

#1 RoBoTec PTC: Eine Revolution losgetreten

Als sich die Eheleute Friederike und Stephan von Rundstedt in den Kopf gesetzt hatten, die Vermehrung von Pflanzen im Labor zu automatisieren, ernteten sie nur Kopfschütteln. „Experten aus der Branche bescheinigten uns: Das wird nicht gehen“, sagt Stephan von Rundstedt. Doch die Skeptiker wurden eines Besseren belehrt. Mit viel Beharrungsvermögen „und einer gehörigen Portion Naivität“ haben die beiden eine Revolution losgetreten. Nicht ohne Grund wurden sie mit diversen Preisen ausgezeichnet, werden von Kapitalgebern mit Millionen unterstützt und von der Europäischen Kommission sowie dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert. 

Friederike und Stephan von Rundstedt sind die Nachfolger des 1926 vom Großvater der Frau gegründeten Unternehmens Bock Bio Science, einem Spezialisten für die in-vitro-Pflanzenvermehrung. Dieser Prozess ist sehr aufwendig und braucht viele Mitarbeiter, die die Prozesse händisch vornehmen. Deshalb wurde diese Tätigkeit häufig in Niedriglohnländer ausgelagert – was lange Transportwege zur Folge hatte.

Das nach langen Jahren der Entwicklung von dem Duo gegründeten Start-up RoBoTec PTC ermöglicht, Pflanzen maschinell zu klonen. Die Technologie basiert auf Künstlicher Intelligenz, 3-D-Bilderkennung, Robotik sowie Laserschnitttechnik. Diese Innovation spart nicht nur Kosten. „Eine Maschine kann bis zu zwölf Mitarbeiter ersetzen“, sagt Stephan von Rundstedt. „Mit dem Roboter lassen sich die Prozesse verbessern, die Zuverlässigkeit ist höher“. Außerdem kann man ehemals ausgelagerte Produktionen wieder nach Hause holen. 

Noch sind die Bremer in der Erprobungsphase. Zwei, demnächst drei Prototypen ihres „RoBo®Cut“ sind im Einsatz. „In etwa zwei Jahren wollen wir in die Serienfertigung gehen“, sagt Stephan von Rundstedt. Dann soll die Innovation sowohl bei Bock Bio Science, aber auch bei Kunden zum Einsatz kommen. Das Interesse ist da. Als die Bremer Ende 2018 einen Meilenstein in ihrer Entwicklung vermelden konnten, „standen die Branchenvertreter aus der ganzen Welt bei uns im Labor.“

#2 Agvolution: Mit Smart Farming auf Erfolgskurs

Längst hat die Technologie in der Landwirtschaft Einzug gehalten. Doch das Start-up Agvolution revolutioniert die Branche jetzt entscheidend: Ein auf Künstlicher Intelligenz basierendes Umweltmonitoring-System gepaart mit neuartigen IoT-Umweltsensoren ermöglicht Landwirten, die Auswirkungen des Wetters auf das Wachstum und die Gesundheit der Pflanzen zu bestimmen – und entsprechend effizienter auszusäen, zu düngen oder zu bewässern. Wer das Paket der Göttinger, bestehend aus Hard- und Software- sowie Beratungsleistungen einsetzt, „kann bis zu 20 Prozent der bisherigen Kosten einsparen“, sagt Andreas Heckmann, einer der fünf Gründer der Agvolution GmbH. 

Heckmann, in der Landwirtschaft groß geworden und studierter Agrarwirt, hat sich bereits 2017 Gedanken darüber gemacht, wie Landwirte ihre Ernte trotz Klimawandel steigern können. Im Rahmen seiner Forschungen an der Uni Göttingen lernte er Dr. Munir Hoffmann und Sebastian Jerratsch kennen. Beide suchten ebenfalls nach Lösungen, um die Bodenfeuchtigkeit zu erkennen – und daraus entsprechende Handlungsweisungen für die Bauern ableiten zu können. Das Trio stieß auf  Thomas Maier und  Lukas Kamm. Beide hatten im Rahmen von „Jugend forscht“ ähnliche Überlegungen angestellt. Zu fünft gründeten sie 2020 ihr Start-up. 

„Es geht uns um den Dreiklang, wie einerseits die Pflanzen auf die Umwelt, also etwa das Wetter reagieren, und wie wiederum der Mensch mit einem darauf abgestimmten Management damit umgehen kann“, sagt Heckmann. „Smart farming“ nennt man diesen Ansatz, die vorhandenen Bedingungen zu analysieren und dann entsprechend der Begebenheiten die Aussaat der Pflanzen oder den Einsatz von zum Beispiel Düngemitteln zu steuern. 

Der Clou: Agvolution misst nicht die Bodenfeuchte eines gesamten, oft viele Hektar großen Grundstücks, sondern untersucht jeden Abschnitt einzeln. Schließlich variieren die Niederschlagsmengen und Bodenbeschaffenheiten. Somit kann die Optimierung passgenau erfolgen. 

Erste Pilotkunden in den deutschsprachigen Ländern nutzen bereits die Technologie der Göttinger. Jetzt expandieren sie nach Asien, Afrika und Südamerika.  

#3 munevo: Mit Smart Glass Rollstühle steuern

Munevo
Mit munevo lassen sich elektrische Rollstühle mittels leichter Kopfbewegungen steuern. Auch andere mobile Endgeräte wie etwa Smartphones lassen sich dadurch bedienen. (Bild: munevo)

Menschen, die auf den Rollstuhl angewiesen sind, diesen aber wegen schwerer Erkrankungen oder Querschnittslähmungen nicht mehr mit den Händen lenken können, haben mit dem von Claudiu Leverenz, Konstantin Madaus und Aashish Trivedi entwickelten System wieder die Möglichkeit, sich ohne fremde Hilfe fortzubewegen: Mit „munevo DRIVE“ lassen sich elektrische Rollstühle mittels leichter Kopfbewegungen steuern.

„Die Rollstuhlfahrer brauchen dafür nur eine spezielle Brille, eine sogenannte Smart Glass. Die Software auf der Brille erfasst die Kopfbewegungen und setzt sie in Steuersignale um. Diese werden in den kleinen Adapter, der am Rollstuhl angebracht ist, übertragen, sodass dieser die gewünschte Route fährt“, sagt munevo-Mitgründer Madaus. Bei Bedarf lassen sich weitere Zusatzfunktionen auf die Datenbrille aufspielen, mit denen die Nutzer mobile Endgeräte wie etwa Smartphones durch Kopfbewegungen bedienen können. 

Angefangen hat alles mit einem Projekt an der Technischen Universität München, an dem Leverenz als damals angehender Wirtschaftsinformatiker teilnahm. „Die Studierenden bekamen Smart Glasses in die Hand gedrückt, mit der Aufgabe eine Software zu entwickeln, die die Mobilität verändert“, erzählt Madaus.

Ein Teammitglied hatte vor dem Studium im Zuge eines Zivildienstes Kontakt mit Menschen mit Behinderungen und kam so auf die Idee, Rollstühle über Smart Glasses zu steuern. Er verabschiedete sich irgendwann vom Projekt, Leverenz hielt daran fest.  Erst später kamen Madaus und Trivedi hinzu, gemeinsam mit Leverenz und unter anderem mithilfe des EXIST-Gründerstipendiums gründeten sie 2018 das Start-up munevo und brachten ihre Innovation auf den Markt. „Seither konnten wir schon 200 Menschen mit starken Einschränkungen ihrer Bewegungsfähigkeit ein selbstbestimmtes, mobiles Leben ermöglichen“, sagt Madaus. Das gelang auch deshalb, weil das Produkt der Bayern meist von den Krankenkassen erstattet wird. 

#4 PipePredict GmbH, Hessen

Weltweit gehen jedes Jahr mehr als 100 Milliarden Kubikmeter Wasser auf dem Weg zwischen den Versorgern und den Endverbrauchern durch Leckagen und Rohrbrüche verloren. Ähnlich, schätzt Christoph Dörner, sieht es bei der Fernwärme aus. Allein in Deutschland bedeutet das laut Dörner etwa zehn Prozent Verlust. „In anderen Staaten, etwa in einigen osteuropäischen Ländern, beträgt der Verlust sogar um die 50 Prozent“, sagt er.  

Christoph Dörner, Valerie Fehst und Tri-Duc Nghiem sind mit ihrem 2020 gegründeten Start-up PipePredict angetreten, um der Verschwendung Herr zu werden. „Wir sorgen dafür, dass die Versorgung durch die Rohrnetze zuverlässig garantiert wird“, sagt er. Schon kleine Beschädigungen sollen mit Hilfe der von den Darmstädtern entwickelten, auf KI basierenden Software schnell und einfach erkannt werden. Dann können sie ebenso schnell behoben werden – und zwar bevor es zum Desaster kommt. Wie etwa im Februar 2021 in Jena, als 6.500 Haushalte bei klirrender Kälte von der Wärmeversorgung abgeschnitten waren, weil ein Rohr zu Schaden kam. Es dauerte rund 13 Stunden, bis die Fehlerquelle gefunden wurde – und nochmals einige Stunden, bis das Loch gestopft war. 

PipePredict kann solche Szenarien verhindern. Mithilfe von bereits vorhandenen oder nachträglich angebrachten Sensoren an den Rohren, einem digitalen Zwilling und Machine-Learning-Algorithmen werden aufkeimende Schwachstellen analysiert und an die Wasserversorger beziehungsweise Fernwärmedienstleister übermittelt. Sofort können sie mit der Reparatur beginnen. 

Das junge Unternehmen hat schon mehrere Kunden in Deutschland und weiteren Ländern der EU gewonnen, vor allem im Bereich der Fernwärme. Das größere Interesse in diesem Segment ist der aktuellen Energiekrise und der damit verbundenen Sorge vorm Frieren geschuldet. Zudem wurden Kunden aus der Pharmabranche überzeugt. 

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