Recycling 4.0. - so gewinnt LuxChemtech kostbare Rohstoffe

|
Best Practice

Solar und Mikroelektronik beinhalten viele kostbare Rohstoffe, die in den jeweiligen Produkten auf dem Müll landen. LuxChemtech, Bundessieger des KfW Award Gründen 2022, gewinnt Rohstoffe zurück. Mit neuen Verfahren möchten sie das Recycling 4.0 voranbringen.

Die Gründer von LuxChemtech haben innovative Lösungen entwickelt, um kostbare Rohstoffe und Materialen wiederzugewinnen. (Bild: Jonas Wresch)

"Wenn ich Hightech produzieren will, brauche ich auch die passenden Zutaten", betont Mitgründer Dr. Wolfram Palitzsch. "In Deutschland haben wir außer Kohle kaum nennenswerte Rohstoffe dafür und müssen importieren. Mit LuxChemtech wollen wir diese kostbaren Rohstoffe vor dem Wegwerfen bewahren und wiederverwerten." Silicium steckt beispielsweise in Solar-Modulen, Indium und Gallium sind für die Hochleistungselektronik (schnelleres Wireless) und die Optoelektronik immens wichtig. Über den Produktionsprozess entstehen oft und viel Silicium, Gallium und Indium haltige Abfälle, die entsorgt werden.

"Interessant ist die Definition von Abfall. Dabei handelt es sich um ein mobiles Gut, dessen sich sein Eigentümer entledigen will und er es daher als Abfall bezeichnet. Da wäre es sinnvoller, es jemanden zu geben, der es in irgendeiner Form nutzen kann." Jedoch steht das Recycling 4.0 für vieles erst am Anfang. 

LuxChemtech bietet für die wichtigen Elemente Silicium, Indium, Gallium aber auch Lithium innovative Recyclingdienstleistungen an. Nur um eine Zahl beispielhaft zu nennen: Am Standort in Freiberg werden bereits ca. 80 Tonnen Siliciumabfall pro Monat bearbeitet, welcher aus Prozessen vom Beginn der Produktionskette für siliciumbasierte Photovoltaik stammt. Nach der Behandlung kann das Silicium direkt beim jeweiligen Kunden als Sekundärrohstoff eingesetzt werden.

Eine Vision, viele Fragen und dann die Chance

Das Gründerduo von LuxChemtech aus Sachsen, Dr. Wolfram Palitzsch und Dr. Ingo Röver. (Bild: Jonas Wresch)

Die Vision von einer Kreislaufwirtschaft beschäftigte Palitzsch und seinen Mitgründer Dr. Ingo Röver bereits seit 2006, allerdings noch völlig unabhängig voneinander. Die viele Rahmenbedingungen, wie entsprechendes EU-Recht oder Preise waren damals allerdings für einen Business-Case noch nicht förderlich.

Doch als SolarWorld, wo Röver angestellt war, Insolvenz anmeldete, fanden sich die beiden früheren Studienkollegen bei einem Bier zusammen und diskutierten Alternativen und neuen Ideen. Und es taten sich viele Fragen auf: Wie können innovative Maschinen und Anlagenteile am Standort erhalten werden? Kann man Synergien finden und mit vereinten Kräften Recyclingdienstleistungen für strategische Rohstoffe aufbauen und anbieten? Gibt es einen Markt dafür? Und wo sind Kunden in Europa und weltweit? Mit welchen Materialien lassen sich Synergien erschließen?

Vor vier Jahren nahmen erste Pläne Gestalt an. "Lass uns versuchen, einen eigenen Beitrag zur Circular Economy leisten", nahmen sich die beiden vor. "Wir besitzen Erfahrung und haben ein gutes Netzwerk." Die beiden Studienkollegen schrieben ihren Businessplan und überzeugten eine Bank als Partner für die Finanzierung, in die sie auch ihr gesamtes eigenes Vermögen einlegten. Damit konnten sie alle notwendigen Arbeitsmittel, die sie für ihren Start brauchten, anschaffen und gründeten - im "hohen Alter mit über 50 Jahren" wie sie schmunzelnd sagen - am 6. Dezember 2019 ihr Start-up. "Wir wollten und konnten bereits am ersten Tag mit schwarzen Zahlen starten. Viele Gründer beginnen ja erst einmal mit ihrer Idee, wir starteten quasi direkt mit einer Produktion."

Sie übernahmen durch einen Asset-Deal Gebäude und auch qualifiziertes Personal, was sie brauchten, um ihre Geschäftsidee umzusetzen. "Wir haben von Anfang an auf Synergien geachtet, diese erkannt und zusammengeführt."

Es war ein Traumstart, dann wurden erste neue Herausforderungen durch die Pandemie erkennbar. "Die Mitarbeiter mussten wir unbedingt alle halten und motivieren. Denn Fachkräfte werden überall gesucht, gerade in unserer Region. Wichtig war uns von Anfang an eine faire Entlohnung und Transparenz."

Bei den finanziellen Themen hatten die beiden Gründer professionelle Hilfe von ihrer Partnerin, der Deutschen Bank, aber auch von ihrem Steuerbüro erhalten. "Als Gründer weiß man nie, was kommt. Ohne die großzügige Ausstattung mit finanziellen Mitteln aber auch die uneigennützige Hilfe aus dem Freundeskreis hätten wir das erste Jahr, pandemiebedingt, möglicherweise nicht überstanden."

Herausforderungen: sicher durch die Krisen

Stammkapitaleinzahlung und Notartermin waren im Dezember 2019 erledigt und die Gründer haben direkt die resultierenden Rechnungen beglichen. "Entsprechend unserer Philosophie haben wir direkt bezahlt, auch weil wir keine 'Schulden' mit ins neue Jahr nehmen wollten. Aber somit gab es einen negativen Jahresabschluss. Das war echt kritisch."

Damit war es anfangs unmöglich die schnellen Hilfen in der Coronazeit zu erhalten. "Zum Glück hat unser privates Umfeld an uns geglaubt und uns eine entsprechende Überbrückung ermöglicht." Ihr Tipp an Gründer: Schaut genau wann ihr welche Rechnungen bezahlt und beachtet mögliche Folgen.

Die Pandemie hatte auch Folgen für die Mitarbeiter – gerade gestartet, voller Zuversicht und schon Kurzarbeit. Ein neuer kritischer Moment: "Wir haben alle zurückgesteckt. Glücklicherweise sind wir wie eine kleine Familie. Dass das Team zusammenpasst, ist besonders in kritischen Phasen sehr wichtig."

Als Gründer und Chef müsse man sehr authentisch sein für sein Team. Das färbe ab. Röver und Palitzsch arbeiten selbst auch im Blaumann und seien sich für nichts zu schade. "Und vor allem halten uns unsere Familien den Rücken frei", so Palitzsch. "Man gründet nie alleine, sondern immer auch mit seinem Umfeld."  

Das Gründerduo fokussierte sich in erster Linie darauf, dass Schiff sicher in ruhiges Fahrwasser zu steuern. Das war die Priorität vor einem Wachstum. "Und dass wir uns schon so lange kannten, war absolut wertvoll für die Gründung", betont Palitzsch. 
Ein glücklicher Umstand ist es außerdem, dass auch in der direkten Nachbarschaft innovative große Unternehmen aktiv sind, die unsere Dienstleistung in Anspruch nehmen. 

Solarmodule produzieren und sie später vernünftig recyceln zu können, ist aus vielen Perspektiven sinnvoll. "Hier arbeiten wir dran und bauen Schritt für Schritt ein End-of-Life-Modulrecycling auf", erklärt Palitzsch. "Dafür haben wir viele Kooperationen innerhalb von Forschungsprojekten im In- und Ausland. Das bindet natürlich auch Ressourcen für die Forschungsarbeit, wird sich aber schließlich später auszahlen und daher erfolgt das Unternehmenswachstum langsam und organisch. Viele Startups fokussieren sich am Anfang auf Umsatz, sicherlich in Hinblick auf kapitalgebende Dritte – da wir aber quasi eigenfinanziert sind, wollen und müssen wir besonders auf die Profitabilität achten." 

Aktuell arbeiten die Mitarbeiter von LuxChemtech im Zweischichtsystem. Bei Bedarf könnte man auf drei Schichten umschwenken. Andere Firmen fahren allerdings wegen der Energiekrise herunter. "Wir sehen unser Potenzial. Wenn sich die Situation wieder entspannt, stehen wir Gewehr bei Fuß", so Palitzsch. Denn die Transportkosten für Material aus China sind inzwischen teuer und viele Unternehmen wollen auch unabhängiger von China werden.

Flexibel und zuversichtlich in die Zukunft 

Ein weiteres Erfolgsrezept von LuxChemtech ist, dass sie erste Ideen schnell antesten und sie erst im Nachgang perfektionieren. Oft sind schnelle Lösungen innerhalb von zwei, drei Monaten gefordert. "Da ist der Vorteil, wenn man sehr flexibel ist und schnell reagieren kann", so Palitzsch. "Forschungsprojekte mit Universitäten oder Forschungseinrichtungen dauern oft mehrere Jahre."

Hier liegt auch ein Grund neben dem ohnehin hochinnovativen Arbeitsgebieten für den hohen Anteil von sieben Akademikern und Akademikerinnen von insgesamt siebzehn Teammitgliedern, eben um schnelle Lösungen testen und Forschungsarbeit abdecken zu können. "Nur durch das richtige Personal kann man hochinnovativ sein, schnell und kompakt Lösungen anbieten und somit auf den Markt reagieren."

Neben dem Aufbereiten von Silicium suchten Röver und Palitzsch nach neuen innovativen Lösungen für neue Projekte. "Wir haben einige Patente. Jedoch reicht es nicht, nur seinen eigenen Werkzeugkasten zu benutzen.“

Die Auswirkungen der Coronazeit habe sie anderthalb Jahre gekostet. "Der Businessplan war pandemiebedingt nicht aufgegangen. Wir sind nun auf dem für 2020 geplanten Niveau. Die Investitionsmittel, die wir fürs Wachstum gebraucht hätten, haben wir nutzen müssen, um die Coronazeit zu überleben."

Ausreichende Liquidität war und ist das Wichtigste, um alle Rechnungen bezahlen zu können." Die Pandemie und die dadurch entstandene Situation hat auch verschiedene Interessenten, die investieren oder gar die Firma übernehmen wollen, auf den Plan gerufen. "Natürlich haben wir nicht gegründet, um nach zwei Jahren das Ruder aus der Hand zu geben, wir haben noch viel vor und wir sind für jede Unterstützung und Zusammenarbeit, die unser Unternehmen weiter bringt, offen."

Für 2022 haben sie sich vorgenommen, das Jahr trotz Energiekrise mit schwarzen Zahlen abzuschließen und die Geschäfte zu stabilisieren. 2023 werden dann die nächsten Schritte angegangen und der zweite Standort in Sachsen-Anhalt für neue Projekte vorbereitet. Von dort könnte beispielsweise das Glas, welches durch ein Photovoltaikrecycling erzeugt wird, auf kurzen Wegen an die nächstliegenden Glaswerke als Sekundärrohstoff abgegeben werden.

KfW Award Gründen

  • Seit 25 Jahren zeichnet die KfW Bankengruppe Unternehmen in den ersten fünf Jahren ihrer Geschäftstätigkeit mit dem KfW Award Gründen (ehemals GründerChampions) aus. Für den renommierten Preis können sich Unternehmen aller Branchen bewerben, die ihren Sitz in Deutschland haben. Die Preisträger werden von einer Jury aus erfahrenen Vertreterinnen und Vertretern aus der KfW, Politik und Wirtschaft ausgewählt. Die Preisverleihung fand am 19. Oktober statt. Das sind die 16 besten Start-ups Deutschlands.
  • Informiert euch jetzt über die Fördermittel der KfW.
zurück