"Jeder kann seinen Alltag nachhaltiger machen."
Bahnbrechende Geschäftskonzepte, die die Umwelt schonen: Diese vier Sieger beim KfW Award Gründen 2021 zeigen, wie wir künftig putzen, bauen, essen – und die Flüsse und Meere plastikfrei halten.
#1 everdrop GmbH, München
Ums Putzen kommt niemand herum. Zuhause soll es schließlich sauber sein. Aber ihr könnt euch sehr wohl fragen, womit ihr Herd und Waschbecken auf Vordermann bringt. Die Gründer des Start-ups everdrop haben sich genau diese Frage gestellt: "Wir haben uns in den eigenen vier Wänden umgeschaut. Und der Anblick, der sich uns im Putzmittelschrank bot, den kennt wohl jeder", sagt Mitgründer David Löwe.
Einwegplastikflaschen ohne Ende – die in den meisten Fällen auch noch eine ästhetische Folter sind.
So kam das Team auf die Idee, sich die "Entplastifizierung der Haushalte vorzunehmen und Reiniger aus schön designten wiederverwertbaren Flaschen und auflösbaren Tabs herzustellen."
Waschmittel, Putzmittel- und Spülmaschinen-Tabs hat das 2019 gegründete Münchner Start-up im Programm. Alle sind umweltfreundlich, da biologisch abbaubar. Löwe:
Sie erzeugen keinen Einwegplastikmüll, sie reduzieren die CO2-Emissionen und verzichten auf unnötige Chemikalien.
Außerdem zeigen sie, dass Nachhaltigkeit nicht mit Ästhetik und Lifestyle im Widerspruch stehen muss.
Schon rund zwei Jahre nach Gründung haben die Bayern einen für sie entscheidenden Erfolg vermeldet:
Fünf Millionen Einwegplastikflaschen konnten mit unseren Produkten eingespart werden. Würde man diese nebeneinanderlegen, ergäbe das in etwa die Strecke von München nach Athen.
Löwe ergänzt: "Das hat gezeigt, dass unsere Produkte einen echten Impact haben – der seitdem immer weiter wächst."
Löwe sieht noch viel Potenzial im Haushalt, Plastik weiter zu reduzieren. Die Produktpalette soll folglich größer werden. "Außerdem wollen wir demnächst neben Deutschland weitere europäische Länder ein bisschen sauberer machen", sagt er. Vor allem aber: "Wir wollen mehr Bewusstsein dafür schaffen, dass jeder Einzelne etwas dafür tun kann, seinen Alltag nachhaltiger zu machen."
#2 everwave GmbH, Aachen
Nachdem Marcella Hansch vor einigen Jahren auf den Kapverden im Tauchurlaub war und mehr Plastik als Fische im Meer fand, ließ sie die Idee nicht mehr los, etwas gegen die Verschmutzung der Meere zu tun.
In der Masterarbeit ihres Architekturstudiums beschäftigte sie sich mit einer Lösung und gründete in der Folge den Verein Pacific Garbage Screening. Ihr Ziel: Eine große Plattform zu entwickeln, die auf den Weltmeeren schwimmt und das Plastik herausfiltert.
Doch schnell wurde Marcella Hansch und ihren Mitstreitern klar, dass sie früher ansetzen müssen: Denn Plastik aus den Meeren zu holen, bekämpft nur die Symptome, aber nicht die Ursache. Sie gründeten die everwave GmbH und begannen, einen ganzheitlichen Ansatz zu verfolgen.
Mitgründer Clemens Feigl erklärt ihn so:
Wir fischen mit modernsten Technologien auf höchstem Level den Müll aus den Flüssen, denn von dort treibt er in die Meere.
Zudem betreiben sie Umweltbildung in den Schulen und konnten schon 30.000 Schüler mit den Kits erreichen.
Ferner sammeln wir mithilfe von Drohnen und Kameras auf unseren Müllsammelbooten Daten über den Müll und seine Zusammensetzung und analysieren diese. Das hilft unter anderem beim anschließenden Recyceln.
Die Ergebnisse der Recherchen sind im Übrigen interessant: Der Müll unterscheidet sich je nach Region. "In der Balkanregion landen vor allem Plastikflaschen sowie größere Gegenstände wie Kühlschränke oder Autoreifen in den Gewässern", sagt Feigl. "In Asien sind es mehr Folien und Plastiktaschen."
2020 hatte everwave den ersten Einsatz in der Slowakei. Seither sind die Aachener vor allem im Balkan tätig. Im Frühling dieses Jahres soll das erste Projekt in Südostasien starten. Dann auch mit einer neuen, erweiterten Technologie: Zusätzlich zu den Booten, die bis zu 20 Tonnen Abfall täglich einsammeln, um sie anschließend in den Kreislauf zurückzuführen, kommt dann eine Flussplattform zum Einsatz. Feigl: „Die Plattform wird im Hauptstrom des Landes installiert, die Boote in den kleineren Flüssen und Kanälen."
Eine erst Mitte Dezember abgeschlossene Finanzierungsrunde über einen "niedrigen siebenstelligen Betrag" hilft bei der weiteren Entwicklung hin zu "einem der größten profitablen Anbieter von Müllbeseitigung". Und mehr noch, so Feigl:
Wir wollen, dass unsere Vision Wahrheit wird: Wir wünschen uns eine verantwortungsvolle Gesellschaft für gesunde Ozeane.
#3 the nu company GmbH, Leipzig
Seit rund sechs Jahren bietet the nu company aus Leipzig gesunde und nachhaltige Snacks an. In mehr als 10.000 deutschen Bio- und Supermärkten wie etwa dm oder denn`s sind die Produkte mittlerweile zu finden. Laut Mitgründer Christian Fenner sind sie bio, vegan und zuckerfrei.
Das Besondere ist aber das ganzheitliche Konzept. Wir schonen auch die Umwelt. Unsere Verpackung ist plastikfrei, für jedes verkaufte Produkt pflanzen wir einen Baum.
Die Idee zu the nu company entstand während des Studiums. Christian Fenner und seine späteren Mitstreiter saßen häufig in der Bibliothek. Um den Hunger zu stillen, holten sie sich Snacks aus dem Automaten in der Mensa. Die waren ihnen aber zu zuckrig. Als sie dies im Freundeskreis erzählten, schenkte ihnen eine Bekannte ein Schokoladen-Selbstmachset. Die jungen Männer testeten es, empfanden es als "zu klumpig", waren aber dennoch angefixt: "Wir fanden, wir sollten ein Geschäft darauf aufbauen", sagt Christian Fenner.
Finanziell war unser Start in der Küche erst einmal eng. Aber mit Hilfe von zwei Crowdfunding-Runden, der Hausbank, einer Förderbank, eigenen Mitteln sowie einem Gründerstipendium kamen wir über die Runden und konnten unsere Snacks zur Marktreife bringen.
Anfangs haben sie selbst produziert, in einer kleinen Dresdner Manufaktur. Laut Christian Fenner kam der Durchbruch, als sie die Produktion nach rund einem Jahr auslagern konnten. Seit 2018 produziert ein Partner die Riegel, Shakes und Aufstriche. Insgesamt 14 Produkte hat das Start-up im Programm. Mitte 2021 konnte es zudem eine Finanzierungsrunde über 14 Millionen Euro abschließen. Fenner: "Damit soll die Zahl der Produkte auf eine dreistellige Zahl ausgeweitet und die Expansion ins europäische Ausland vorangetrieben werden."
#4 Concular UG, Stuttgart
Das Stuttgarter Start-up Concular macht es möglich. Die Stuttgarter haben sich zum Ziel gesetzt, einen der größten Klimasünder, die Baubranche, umweltfreundlicher zu gestalten. Zum Beispiel das traditionsreiche Gebäude am Berlin-Neuköllner Herrmannplatz: Es wird in den nächsten Jahren umgebaut und aufgestockt. Doch nicht alles ändert sich so eklatant wie zum Beispiel die Höhe. Die Natursteinfassade etwa bleibt. Sie wird abgetragen und später wieder angebracht.
Das Gebäude erhält die alte Hülle als neue zurück.
Die Baubranche erzeugt 40 Prozent der globalen CO2-Emissionen und 60 Prozent des Abfalls. „Die Materialproduktion ist enorm ressourcen- und energieintensiv, der Ursprung der Materialien liegt oft in Ländern mit prekären Arbeitsbedingungen“, sagt Gründer Dominik Campanella.
Der Ansatz seiner Firma: Anstatt ausgediente Materialien nach Ende ihrer Lebenszeit, und die ist vor allem bei Innenausbauten bereits nach zehn Jahren erreicht, auf der Deponie zu entsorgen, werden sie wieder eingesetzt, entweder anderswo oder im gleichen Gebäude.
Campanella hatte schon vor zehn Jahren die Idee zu einem entsprechenden Marktplatz, setzte sie mit seinem Start-up retardo.de um, allerdings nur im kleinen Stil. Mit der Anfang 2020 gegründeten Concular erreicht er nun große Projektentwickler und die öffentliche Hand als Kunden.
Wir haben die Idee, Materialien wiederzuverwenden, professionalisiert. Erreicht wird diese bislang nicht vorhandene Form des Umweltschutzes durch eine neu entwickelte Software.
Die Software erfasst das Material in Bestandsgebäuden, sodass die Planer es anschließend wiederverwenden können.
Schon etliche größere renommierte Bauten in Deutschland wurden entsprechend erfasst, unter anderem das VfB-Stadion in Stuttgart. Laut Campanella ist das dennoch erst der Anfang: "Wir haben keine Mitbewerber." Daher sieht er sein Unternehmen schon in Kürze auf die dreifache Mitarbeiterzahl anwachsen, auf dann 60.
Ich bin überzeugt, dass unsere Technologie in zwei Jahren Standard sein wird. Die Gesetze auf EU- und deutscher Ebene gehen in diese Richtung. Das wird uns in Deutschland und anderen Ländern zu deutlichem Wachstum verhelfen.
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