Digital gegen Versicherungsbetrug, Atemnot & alte Prozesse

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Inspiration

Mit digitalen und KI-basierten Lösungen revolutionieren Start-ups alle möglichen Branchen von Bau bis Versicherung. Wir stellen vier Gewinner des KfW Award Gründen 2021 vor, deren Innovationen federführend sind – und Menschen wie Unternehmen nutzen.

ICO-LUX
Mit Erfolg: Die Gründer Jan Franke, Dr. Stefan Brechtken und Lars Winterfeld von ICO-LUX decken mit ihrer Softwarelösung Versicherungsbetrüge auf. (Foto: Jonas Friedrich)

# 1 ICO-LUX GmbH, Jena

Wer in der privaten Krankenversicherung versichert ist, geht in Vorleistung und reicht anschließend seine Belege zur Erstattung ein. Dabei kommt es immer wieder zu massiven Betrugsfällen, zum Teil fünfstellig pro Patient und Jahr. Etwa fünf Milliarden Euro werden laut dem Gesamtverband Deutscher Versicherer jährlich mit Versicherungsbetrug erwirtschaftet.

Das von Lars Winterfeld, Dr. Stefan Brechtken und Jan Franke gegründete Start-up ICO-LUX hat eine Softwarelösung entwickelt, die diesem Treiben ein Ende macht. Die sogenannte "Automatisierte Dokumentenforensik" erkennt Dokumentfälschungen voll automatisiert und basierend auf Künstlicher Intelligenz. "Wir können Fälschungen als solche sicher erkennen, da wir die Belege als Bild-Dateien verarbeiten", sagt Mitgründer Lars Winterfeld.

Somit haben wir viel mehr Daten als unsere Mitbewerber und können somit alle wichtigen Informationen in kürzester Zeit erfassen und auswerten.

Ein Vortrag eines Mitarbeiters einer privaten Krankenversicherung zum Thema ließ Lars Winterfeld aufhorchen. Gemeinsam mit seinem Freund Stefan Brechtken beschloss er, eine Lösung dafür zu finden. Sie gingen von der Hochschule in Ilmenau ans Gründerzentrum der Uni Jena, gewannen einen Professor, der sie unterstützte, fanden Jan Franke als dritten im Bunde – und legten los.

Einfach war der Start nicht. "Wir durften anfangs nicht die echten Patientendaten einsehen", sagt Gründer Lars Winterfeld.

Wir haben uns mit anonymisierten Daten herangetastet und selbst Belege gefälscht. Auf diese Weise konnten wir unsere Software entwickeln.

Mit Erfolg. 2019 deckten sie den ersten fünfstelligen Betrugsfall auf. Seither haben sie, so Winterfeld, "Betrugsfälle in sechsstelliger Höhe aufgedeckt". Künftig will das Unternehmen seine Software in Richtung Sachversicherungen und Mehrfachversicherungen weiterentwickeln. Winterfeld:

Es gibt Leute, die versichern ihr Fahrrad bei zehn Versicherern, melden es als gestohlen und kassieren zehn Mal ab. Dies zu unterbinden, ist unser nächstes Ziel.“

# 2 bridgefield GmbH, Magdeburg

Das Magdeburger Start-up bridgefield ist ein Digitalisierungs-Dienstleister, der Prozesse in gesamten Fabriken oder einzelnen Anlagen mithilfe Künstlicher Intelligenz digitalisiert und optimiert.

Gründer Prof. Dr. Frank Ortmeier sagt: 

Wir setzen Industrie 4.0 um.

„Für die Digitalisierung von Prozessen gibt es keine vorgefertigte Lösung. Daher bauen wir die Software individuell für jeden Kunden.“

Wichtig ist den beiden Gründern, Frank Ortmeier und Ulrich Huggenberger, sowie ihrem mittlerweile 30 Mann starken Team dabei immer, die Anwender im Blick zu haben. Daher kommt auch der Firmenname bridgefield.

Wir bauen Brücken zwischen existierenden Systemen, Prozessen und Mitarbeitern sowie neuen Digitalen Infrastrukturen.

Das Unternehmen arbeitet hauptsächlich für die Automobilindustrie, hat aber auch Mittelständer als Kunden.

Die Idee zu bridgefield entstand, weil sich Ortmeier, der eine Professur für Software-Entwicklung innehat, eines Tages überlegte, "worauf ich später mal richtig stolz sein könnte. Ich kam zu dem Schluss, dass ich Dinge in meiner Forschung entwickeln möchte, die später auch vollkommen ohne Forschungsgelder in Industrie und Wirtschaft zur Anwendung kommen". Mit seinem Start-up ist ihm das gelungen.

Auch andere Gelder hat bridgefield jahrelang nicht in Anspruch genommen. Erst kürzlich hat das Unternehmen einen niedrigen sechsstelligen Betrag an Fremdkapital aufgenommen. "Das dient aber lediglich zur Absicherung", sagt Ortmeier, der "stolz darauf ist, dass wir organisch, nachhaltig gewachsen sind".

Genau so soll es in den nächsten Jahren weitergehen. "Bis 2025 werden wir sicherlich rund 50 Mitarbeiter beschäftigen", sagt Ortmeier. Gleichzeitig hat er die Vision, bis dahin "DIE Adresse in Deutschland für erfolgreiche, menschzentrierte Shopfloor-Optimierung zu sein".  

# 3 breazy-health GmbH, Potsdam

Breazy Health
Per Medizin-App die Atemwegserkrankung erkennen und managen - das bieten die Gründer Andreas Thom, Dr. Felix Mühlbauer und Benedikt Gnadt des Potsdamer Start-up breazy-health. (Foto: breazy-health).

Weltweit sind mehrere Hundert Millionen Menschen von Asthma betroffen. Sie könnten besser leben, wenn sie eine digitale Hilfe hätten, die sie bei der Therapie begleitet. Genau das leistet breazy-health, ein von Andreas Thom, Dr. Felix Mühlbauer und Benedikt Gnadt gegründetes Start-up.

Die von ihnen entwickelte Medizin-App breazyTrack unterstützt die Patienten dabei, ihre Atemwegserkrankung zu managen.

Andreas Thom sagt:

Mit der App können die Betroffenen ihr aufwendiges schriftliches Asthma-Tagebuch in nur zwei Minuten pro Tag ersetzen und den behandelnden Ärzten wertvolle Informationen für die Behandlung zukommen lassen.

Der Gründer ist selbst Asthmatiker. So entstand nicht nur das Start-up. Er weiß auch, was die Patienten brauchen. "Ich selbst habe zum Beispiel erkannt, dass ich meine Medikamente oft zu spät eingenommen hatte. Durch die App wird man informiert, wann die beste Zeit für die Einnahme ist", sagt Thom.

Ebenso ist breazyTrack für Menschen wertvoll, die herausfinden wollen, ob sie an einer chronischen Atemwegserkrankung leiden.

Leicht waren die Anfänge nicht. Der Gesundheitssektor ist reguliert und kompliziert. "Wir mussten vieles lernen, etwa wie die Erstattungswege der Krankenkassen funktionieren", sagt der Gründer. Doch nach und nach gelang das, außerdem kamen wichtige Auszeichnungen und Zulassungen, vor allem die Zulassung als Medizinprojekt, das vor dem Medizinprodukte-Recht standhält. "Wegweisend war zudem ein Pilotprojekt mit der Techniker Krankenkasse", sagt Thom.

Seine Ziele für die nächsten Jahre: "Wir wollen in Deutschland Marktführer für mobile health Apps im Bereich Asthma werden. Außerdem denken wir über die Expansion nach Österreich und die Schweiz nach."

# 4 Sharemac GmbH, Bremen

Die Baubranche ist bislang kaum digitalisiert. "Sie hängt 20 Jahre zurück", sagt Rezi Chikviladze. Er und sein Mitstreiter Manuel Kimanov sind gerade dabei, dies zu ändern.

Ihr Anfang 2018 gegründetes Start-up Sharemac betreibt eine Plattform zum Mieten und Vermieten von Baumaschinen. Außerdem installiert es IoT-Geräte zum Erfassen von Maschinendaten an den Geräten und hat eine Software entwickelt, die den gesamten Bauprozess dokumentiert. Somit können die Baufirmen ihre Projekte, Geräte und Maschinen transparent verwalten und effizient einsetzen. 

Rezi Chikviladze sagt: 

Als wir damals mit der Plattform gestartet sind, haben wir gemerkt, dass die Baufirmen diese gar nicht wie angedacht nutzen können, weil sie oft gar nicht wissen, wo die Radlader oder Kräne gerade stehen und wo sie wann gebraucht werden.

Dem Gründer-Duo war damit klar, dass sie vorher ansetzen müssen, nämlich bei einer Software, die diese Fragen beantwortet. Das Ergebnis heißt SAM, ein herstellerübergreifendes Gerätetracking, das Projekt- und Gerätemanagement auf Baustellen deutlich erleichtert. 

Mit der Installation der Software und der Tracking-Geräte wurde den Baufirmen klar, dass ihre Maschinen nur zu 40 bis 50 Prozent im Einsatz sind.  

Chikviladze ergänzt: "Die restliche Zeit können sie sie nun mit unserer Hilfe verleihen. Das bedeutet eine immense Kostenersparnis für die Firmen."

Die Weiterentwicklung der Software findet im Übrigen hauptsächlich in der Anfang 2020 gegründeten Niederlassung in Georgien statt, dem Heimatland von Chikviladze.

Ein weiterer wichtiger Meilenstein für die Bremer war die Unterzeichnung eines Vertrages mit einem der größten europäischen Baukonzerne STRABAG Anfang 2021. In den nächsten Jahren plant das Unternehmen, seine Leistungen auch in der Schweiz und in Österreich anzubieten und zudem in Deutschland weiter zu wachsen. 

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