Kopiert und beinahe verboten: Mit starker Krisen-PR auf Erfolgskurs

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Best Practice

Das Social-Start-up Lemonaid verkauft nicht nur Limo, sondern unterstützt dadurch Menschen des Globalen Südens. Doch dem schnellen Wachstum und dem Erfolg standen einige unvorhergesehene Herausforderungen entgegen. Was für eine gelungene Krisen-PR unbedingt nötig ist, erfahrt ihr von Udo Schulte, zuständig für die externe und interne Kommunikation bei Lemonaid.

 

GründerDaily: Hallo Udo, seit zehn Jahren ist Lemonaid bereits am Markt und hat seitdem ein unglaubliches Wachstum hingelegt. Worauf seid ihr besonders stolz?

Udo von Lemonaid: Auch nach zehn Jahren sind wir ein Unternehmen, dass es schafft aufzufallen, zu begeistern und sich dabei treu zu bleiben. Wir wollen unsere Qualität gleichbleibend hochhalten – trotz steigernder Menge an Limo und steigernden Mitarbeiterzahlen – und authentisch unser Ding machen.

Udo Schulte ist bei Lemonaid für die interne- und externe Kommunikation zuständig und versucht auf verschiedensten Veranstaltungen für die Idee des Social -Business zu werben. (Foto: Lemonaid)

GründerDaily: Mittlerweile habt ihr 100 Mitarbeiter, einen Jahresumsatz von 17 Millionen Euro und setzt 20 Millionen Flaschen ab. Was war die größte Herausforderung des Wachstums für euch?

Udo von Lemonaid: Das Unternehmenswachstum ging schnell und eine große Herausforderung war es, die Produkte konstant in guter Qualität herzustellen. Man wächst mit seinen Aufgaben – mit den Flaschen, Zulieferern und dem Abfüller.

Die Qualität darf zu keinem Zeitpunkt leiden.

Und auch die Gastronomen müssen jederzeit ihre Getränke bekommen.

Dafür brauchte es gute Mitarbeiter. Die Gespräche mit Bewerbern und die Auswahl neuer Mitarbeiter kostet viel Zeit. Bei den ersten zehn bis 20 Mitarbeitern kamen die Bewerber aus dem Freundeskreis und wir hatten dadurch Paten unter den Mitarbeitern. Das geht jetzt natürlich nicht mehr bei so vielen Leuten. Jetzt achten wir umso mehr auf die Motivation und dass die Unternehmensphilosophie und unsere Wertegeschichte gelebt werden.

GründerDaily: Wie habt ihr das schnelle Wachstum gemeistert?

Udo von Lemonaid: Wir haben unseren Arbeitseinsatz gesteigert und teils zehn bis 12 Stunden pro Tag gearbeitet. In der Anfangsphase, als der Hype aufkam, hatten wir ein Wachstum von 50 bis 70 Prozent. Danach hatten wir ein gutes Controlling.

Man muss immer gut vorbereitet sein, die Plan- und Zielphase muss immer nah an den Ergebnissen sein. Das braucht viel Zeit.

Wir legen aber genauso viel Wert auf Work-Life-Balance. Darauf mussten wir in den ersten Jahren verzichten. Für die Gründer ist das Unternehmen wie ein Baby und dadurch stecken sie natürlich mehr Arbeit hinein. Der Laden muss zum Laufen kommen.

Lemonaid Felix Langguth (l.) und Paul Bethke meisterten als Gründer das schnelle Wachstums und trotzten den Behörden. (Foto: Lemonaid)

GründerDaily: Letztes Jahr kopierte Lidl eure Limonade, Ende 2018 wollte die Hamburger Gesundheitsbehörde eure Limonade als solche vom Markt nehmen, da sie zu wenig Zucker enthalte. Wie habt ihr es geschafft, dass ihr nicht Millionen an Flaschen aus dem Sortiment nehmen musstet?

Udo von Lemonaid: Man braucht Selbstbewusstsein und die Überzeugung, dass das, was man tut, das Richtige ist. Wir haben, was den Namen Limo betrifft, gegen geltendes Recht verstoßen. Aber da es ein unsinniges Gesetz ist und wir nicht noch mehr Zucker hinzufügen wollten, haben wir beschlossen, dagegen vorzugehen.

Lemonaid "Enthält zu wenig Zucker" - deshalb sollte LemonAid nicht als Limonade verkauft werden dürfen. (Foto: Lemonaid)

Zunächst haben wir bei der Behörde nachgefragt, ob es wirklich ihr Ernst sei, dass wir unserer Limo mehr Zucker zusetzen sollen.

Erst im Anschluss sind wir an die Öffentlichkeit gegangen. Das hat uns viel Aufmerksamkeit gebracht und schließlich eine Ausnahmeregelung für den Verkauf unserer Limo.

GründerDaily: Alle großen Medien von FAZ, über Stern, Die Welt bis hin zur Zeit haben über euch berichtet.

Udo von Lemonaid:

Nachdem der erste „Zuckerschock“ überstanden war und die Behörden nicht lockergelassen haben, mussten wir uns was einfallen lassen und haben auf Angriff geschaltet.

Dass das dann für so viel Öffentlichkeit gesorgt hat, war natürlich super. So konnten wir eine der zurzeit gesündesten Limos bekannter machen und gleichzeitig über unsere sozialen Projekte berichten, die wir über den Umsatz und unseren Verein finanzieren.

GründerDaily: Vom offenen Brief an Lidl bis hin zu Social-Media-Kampagnen – welche Kommunikationstipps habt ihr für andere Gründer, um PR-Krisen zu meistern?

Udo von Lemonaid: Bei uns war die Krise unverschuldet und wir haben sie durch Selbstbewusstsein, Biss und Durchhaltevermögen gemeistert. Wenn man eine Krise selbst verursacht, sollte man den Mut haben, sich zu entschuldigen und diese mit Aufrichtigkeit und Ernst zu meistern.

Es ist oft ein Anfängerfehler von Start-ups, nicht richtig zu reagieren.

GründerDaily: Ohne eure engagierte Community hättet ihr so ein Medienecho wahrscheinlich nicht erreicht. Wie baut man sich so eine Community auf?

Udo von Lemonaid: Das Vertrauen muss man sich erst einmal erarbeiten und sich immer wieder neu verdienen. Dafür braucht es ein gutes Produkt.

Man muss immer am Ball bleiben, darf sich in keine Skandale verstricken und sollte immer ehrlich, aufrichtig und gut sein.

Das ist unseren Kunden und vor allem auch uns selbst wichtig. Die Community wächst dann automatisch. Wir möchten natürlich auch die Gastronomen überzeugen und hoffen über die Social-Media-Kanäle viele Multiplikatoren zu erreichen.

GründerDaily: Wie wichtig ist für euch Storytelling?

Udo von Lemonaid: Sehr wichtig. Denn allein der gute Geschmack rechtfertigt nicht allein den Preis. Wir besuchen regelmäßig unsere Projektländer, sehen den Impact unseres Tuns, die Schulen und die Felder und erzählen die Geschichten über die Menschen und Bauern vor Ort. So zeigen wir dem Endkonsumenten nicht nur woher die Rohstoffe kommen, sondern erhöhen auch das Bewusstsein für die Qualität unserer Produkte.

GründerDaily: Ihr habt viel zu erzählen, da ihr als Social-Start-up „Trinkend die Welt verbessern“ wollt. Ihr konntet bereits über 4 Millionen Euro an über 30 Hilfsprojekte spenden. Was sind eure nächsten Vorhaben?

Udo von Lemonaid: Wir wollen weiterhin viele tolle Projekte unterstützen. Zweimal im Jahr können sich neue Projekte bei uns bewerben. Wir erhalten dann meist sehr viele Projektvorschläge aus denen wir sorgsam auswählen. Wir schauen uns an, welche zu uns passen. Das stimmen wir dann über unseren Verein, die Gründer und weitere Mitarbeiter ab. Fünf bis sechs Projekte wurden beispielsweise bei der letzten Runde neu aufgenommen. Die Projekte reichen vom Brunnenbau über Solarmodule bis hin zu Fonds für Mikrokredite.

GründerDaily: 2019 wollt ihr weiter expandieren. Wo geht es hin und wie wollt ihr eure Ziele erreichen?

Udo von Lemonaid: Unser Ziel für 2019 ist es, so weiter zu machen wie bisher und vielleicht eine neue Sorte herauszubringen. Somit sitzen wir viel in der Küche, probieren die Rezepturen. Im Frühjahr wollen wir das Produkt vorstellen.

Man braucht ein gutes Jahr, um sich für ein Produkt zu entscheiden, alles mit den Zulieferern zu besprechen, für Rohstoffe, Abfüller, Name, Design – es sind viele Menschen involviert.

Darüber hinaus wollen wir unsere Kredite bedienen und weiterhin organisch wachsen – ohne externe Gelder. Es soll wie gehabt aus eigener Kraft weitergehen.

GründerDaily: Vielen Dank für das Interview. Wir drücken euch für die Zukunft die Daumen!

Keyfacts über Lemonaid

  • Gegründet im Jahr: 2009
  • Gründer: Paul Bethke und Felix Langguth
  • Firmensitz in: St. Pauli
  • Unser aktuelles Team besteht aus: vielen tollen Menschen
  • Die erste Finanzierung erfolgte durch/über: ein paar tollen Menschen.
  • Besonders geholfen haben mir/uns bisher: Das würde jetzt zu lange dauern.
  • Besonders wichtig im Arbeitsalltag sind für mich/ uns folgende:
    • Tools: Outlook, Slack, Trello, & Co.
    • Internetseiten: goodjobs.de, ecosia.de
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