Krisenkommunikation: Was ihr auch ohne Fakenews schon heute wissen müsst

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Krisenkommunikation – schon allein beim Hören dieses Begriffs ducken sich viele Gründer gerne mal weg. Natürlich immer in der Hoffnung, dass sie selbst von diesem Thema verschont bleiben. Dass es Start-ups sehr wohl treffen kann, weshalb Prävention hier wichtig ist und wie ihr euch am besten wappnen könnt, beleuchten wir in diesem Interview mit Lars Niggemann, einem Experte in Sachen strategische Kommunikation.

 

Für-Gründer.de: Viele Gründer denken, Krisenkommunikation sei kein Thema für sie. Lass uns diesen Mythos kurz gemeinsam aus der Welt schaffen. Mitarbeiter-Kündigungen in großem Stil, Datenschutz-Pannen, Produktrückrufe – fallen dir weitere klassische Beispiele ein, die Gründer betreffen können?

Lars Niggemann: Na klar, z.B. mangelnder Umwelt- oder Tierschutz, schlechte Arbeitsbedingungen z.B. eines Zulieferers, Betriebsunfälle, öffentlichkeitswirksames Fehlverhalten z.B. von Mitarbeitern, Leaks z.B. von Betriebsinterna und so weiter und so fort. Da kann man seiner Fantasie freien Lauf lassen.

Aber es sind eben nicht nur diese „klassischen“ Beispiele, die das Thema Krisenkommunikation in den Fokus rücken sollten. Betrachtet man das Internet, so fällt auf, dass Kommunikationskrisen – oder auch Shitstorms – selten aus den oben genannten Gründen entstehen, sondern häufig aus eigener Unachtsamkeit und mangelnder Vorbereitung der Unternehmen.

Krisenkommunikation Krisenkommunikation kann jeden treffen - Gründer sollten daher präventiv handeln.

Für-Gründer.de: Bleiben wir bei einem ganz konkreten Beispiel. Im Frühjahr diesen Jahres hat sich ein Münchener Start-up einen Aprilscherz erlaubt: „Philipp Lahm ist neuer Investor bei Fitrate“ lauteten die Schlagzeilen. Das Management des Fußballers verstand hier keinen Spaß. Nach einer kurz öffentlichkeitswirksamen Krise ist die Sache auch nach einem halben Jahr noch nicht final aus der Welt. Zu welchen Schritten hättest du dem Start-up geraten – schließlich steckte keine böse Absicht hinter der Meldung?

Lars Niggemann: Das ist genau solch ein Fall, der durch eine entsprechende Vorbereitung vermeidbar gewesen wäre. Natürlich wird es für Unternehmen zunehmend schwerer, mit ihren Kampagnen und Botschaften durch das Überangebot an Content zu dringen. Damit eine Kampagne zündet, sollte sie in erster Linie interessant sein. Mitunter müssen Kampagneninhalte auch provozieren oder mit Tabus brechen. Um böse Überraschungen im Nachhinein zu vermeiden, sollte im ersten Schritt daher eine Risikoanalyse zum Pflichtprogramm gehören. Doch eine Risikoanalyse gibt keine 100%ige Sicherheit, dass eine Kampagne nicht bei irgendwem Empörung auslöst, Querulanten oder Trolle auf den Plan ruft.

Je mehr Aufmerksamkeit eine Kampagne erzeugt, umso größer ist die Gefahr eines negativen Echos.

Von daher sollte man Reaktionen z.B. in Form von Botschaften, Sprach- und Moderationsbausteinen vorbereiten und für diesen Fall in der Schublade haben. Die Fitrate-Führung berichtete im Nachhinein, dass die Scherzmeldung ohne ihr Wissen und auf eigene Initiative eines Mitarbeiters aus dem Marketing öffentlich gemacht wurde – ausgerechnet auch noch an einem Freitag. Es empfiehlt sich, klare Verantwortlichkeiten zu definieren und das Mehr-Augen-Prinzip anzuwenden. Solch wichtige Entscheidungen sollten nicht von einer einzelnen Person getroffen werden. Da in diesem Fall der 01. April ein Samstag war, war es nicht anders möglich. Allerdings sollten Kampagnen oder Meldungen mit entsprechendem Risikopotenzial nicht an einem Freitag veröffentlicht werden, da die Reaktionsmöglichkeiten an Wochenenden in der Regel stark eingeschränkt sind.

Im Übrigen macht es stets einen guten Eindruck, wenn sich das Management in so einem Fall öffentlich vor seine Mitarbeiter stellt und dessen Fehler breitschultrig mitträgt.

Die Geschäftsführung trägt nicht nur formal die Verantwortung für die Vorgänge im Unternehmen, sondern auch in der öffentlichen Wahrnehmung. Da hilft das Vorschieben von Mitarbeitern wenig, um seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen – ganz im Gegenteil.

Insgesamt zeigt dieser Fall, dass Social Media eben nicht reines Bauchgefühl ist, sondern strategische Unternehmenskommunikation.

Krisenkommunikation Lars Niggemann

Für-Gründer.de: Ganz generell – welche Strategien gibt es, um eine Krise bestmöglich abzuwenden...

Lars Niggemann: Vorbereitung ist die beste Selbstverteidigung. Bevor eine Krise eintritt, sollten mögliche Szenarien einmal definiert und durchgespielt werden. Im Rahmen dessen sollte entsprechendes Rüstzeug in Form von vorgefertigten Kernbotschaften, Sprach- und Moderationsregelungen, Krisenplänen, usw. vorbereitet werden.

Um in der Krise richtig zu reagieren, ist es wichtig, die Lage zu strukturieren. Hierzu sollte man die Angriffspunkte und deren Verfasser unter die Lupe nehmen und Relevanz-Gruppen erstellen. Auf dieser Basis sollten strategische Ziele der Krisenkommunikation abgewogen und definiert werden. Ein Patentrezept gibt es nicht, jeder Fall ist anders. Aber folgende drei Schritte können als Faustregel gelten:

  • Entschuldigen,
  • ggf. Distanzieren und
  • klare Konsequenzen ziehen.

Für-Gründer.de: ...oder sogar Positives daraus zu ziehen?

Lars Niggemann: Absolut! In einigen Fällen hat eine professionelle Krisenkommunikation und Krisenmanagement zu einem positiven Echo geführt. Ein gutes Beispiel dafür ist das schon fast legendäre Community Management von Penny, wenn zur Weihnachtszeit die Zipfelmännchen wieder in die Regale kommen. Bei Interesse einfach „Penny“ und „Zipfelmännchen“ googeln.

Für-Gründer.de: Einen Unterschied macht es natürlich, ob die Krise sich offline abspielt (häufig mit Effekten in der digitalen Welt) oder sie einen klassischen Shitstorm darstellt. Sprich: Ob insbesondere in den sozialen Medien Kritik an einer Sache ausgesprochen wird. Was ist die Besonderheit an digitaler Krisenkommunikation?

Lars Niggemann:

Ich würde so weit gehen und sagen, dass Krisenkommunikation mittlerweile immer auch digital ist.

Die Diskussion oder Berichterstattung über ein empörendes Ereignis oder eine Krise findet mittlerweile eigentlich immer ihren Absatz im Internet, meist in den sozialen Netzwerken. Im Vergleich zu früher führt eine Diffusion krisenbestimmter Berichterstattung in digitale Kommunikationsmedien zu einer erheblich höheren Reichweite und schnelleren Verbreitung. Zudem steigt die Halbwertszeit entsprechender Inhalte enorm. Wer adäquat reagieren will, sollte sich also in dem Terrain der digitalen Kommunikation gut auskennen. Das Social Web stellt zudem eine Besonderheit dar. Im Vergleich mit der klassischen Krisenkommunikation muss die digitale Krisenkommunikation eine zusätzliche Dimension berücksichtigen: Den geschriebenen Dialog.

Der Grundsatz der Social Media-Kommunikation ist „Kommunikation auf Augenhöhe“.

Und das gilt auch in der Krise. Somit sollten Unternehmen ihre Krisenkommunikation um ein - so nenne ich es - „crisis-driven Community Management“ erweitern. Darüber stolpern aus meiner Sicht bislang noch viele Unternehmen.

Für-Gründer.de: Du hast einen Social Media Simulator entwickelt, mit dem Unternehmen die Kommunikation in Krisenzeiten üben können – wie genau können wir uns das vorstellen?

SOCIAL MEDIA SIMULATOR Der SOCIAL MEDIA SIMULATOR simuliert eine Web-Community in einer abgeschlossenen Umgebung (Bildquelle: SOCIAL MEDIA SIMULATOR)

Lars Niggemann: Der SOCIAL MEDIA SIMULATOR wurde genau für diese Herausforderung entwickelt: Um das Channel- und Community Management in der Krise zu trainieren. Der Fokus liegt hier bei einem Training des geschriebenen Dialogs und der Moderation in Krisenfällen. Unser Tool simuliert eine Web-Community in einer abgeschlossenen Umgebung. Dabei bietet die Simulation gewohnte Interaktionsmöglichkeiten gängiger sozialer Netzwerke. Die Teilnehmer werden in Teams aufgeteilt - Angreifer und Verteidiger. In mehreren Simulationsläufen werden abgestimmte Szenarien durchgespielt. Die Szenarien haben primär Krisen- und Shitstorm-Charakter. Dabei werden zusätzliche Anspruchsgruppen von anonymen Trollen, bis hin zu Interessen- und Medienvertretern, durch unser Team simuliert. Nach jeder Social Media-Krisensimulation wechseln die Teams. Der Simulationsverlauf wird nach jeder abgeschlossenen Runde im Teilnehmerkreis reflektiert und ausgewertet.

Für-Gründer.de: Welche drei Tipps hast du abschließend für Gründer, die sich noch gar nicht mit dem Thema Krisenkommunikation auseinandergesetzt haben?

Lars Niggemann:

  1. Sich mit den Risiken der digitalen Kommunikation befassen. Hier lohnt ein Blick auf best und worst practices.
  2. Auf unsere Webseite gehen.
  3. Einen Termin für ein kostenloses Erstgespräch mit uns vereinbaren.

Für-Gründer.de: Lars, vielen Dank für deinen Rat und deine Tipps!

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