Teilhabe und Perspektiven schaffen
Mit der sozialen Müslirösterei HEYHO schaffen Christian Schmidt und sein Team Jobs für Menschen mit schwierigen Biografien. Im Interview erfahren wir, wie er sich gegen Widerstände durchgesetzt und sein Unternehmen zum Erfolg gebracht hat.
GründerDaily: Hallo Christian, was war die größte Herausforderung bei HEYHO und wie habt ihr diese gemeistert?
Christian Schmidt von HEYHO: Die eine große Herausforderung gab es nicht, es waren eher viele kleinere. Um zu testen, ob die Arbeit mit Menschen mit besonderen Biografien und die eigene Produktion unserer Granolas wirklich funktioniert, haben wir die ersten zweieinhalb Jahre als Untermieter in einer Lüneburger Mensaküche produziert.
Wir hatten dort eine extrem kleine Lagerfläche, ziemlich alte Öfen und echt schräge Arbeitszeiten.
Wir konnten immer erst ab 15 Uhr anfangen, wenn der Cateringbetrieb für die Studierenden durch war. Die Schichten gingen also entsprechend lang in die Abende rein. Für alle im Team eine ziemliche Herausforderung, die uns rückblickend aber sehr zusammengeschweißt hat. Im Sommer 2019 sind wir dann endlich in die eigene Produktionsstätte umgezogen, das war für alle schon eine riesen Erleichterung beim Arbeiten.
GründerDaily: Welche Schwierigkeiten habt ihr noch überwunden?
Christian von HEYHO: Von Anfang an wurde uns von vielen Seiten gesagt, dass eine soziale Manufaktur, wie sie uns vorschwebte, eher zum Scheitern verurteilt ist. Zur Arbeit mit Menschen mit schwierigen Biografien kam oft der Spruch:
Meint Ihr wirklich, mit „denen“ kann man arbeiten? Die werdet Ihr nie wieder los, wenn Ihr die einmal unbefristet angestellt habt. Denkt mal ans deutsche Kündigungsrecht.
Zu unseren ersten Rohstoff-Überlegungen wie schokolierten Biobrezeln, handgeschlagenen Kokos-Chunks und extra viel Himbeeren hörten wir uns bei unserem ersten Lieferantengespräch an:
Die Menge an Rohstoffen pro Glas könnt Ihr vergessen, den Preis zahlt Euch kein Kunde. Außerdem passt das durch keine Abfüllanlage. Und Glas könnt ihr eh vergessen, viel zu schwer im Transport und unsicher in der Produktion.
Wir haben die kritischen Kommentare von außen eher als Ansporn genommen, uns von unserer Idee nicht abbringen zu lassen und gerade deswegen den Beweis anzutreten, dass es doch klappen kann.
Knapp 4 Jahre später stehen wir da, mit gut 20 Leuten im Team, von denen sieben sonst keinen festen Job bekommen hätten, einer eigenen angemieteten Rösterei und viel guter Resonanz aus dem Markt.
Unser positiver Wahnsinn zahlt sich bisher aus, auch wenn wir noch viel Arbeit vor uns haben.
GründerDaily: Wie finanziert ihr euch?
Christian von HEYHO: Die ersten drei Jahre haben wir mit Unterstützung aus dem privaten Umfeld wuppen können.
Wir waren zudem schon seit gut zwei Jahren auf der Suche nach einem strategischen Partner, der unsere Vision einer sozialen Manufaktur verstand und nicht nur schnelle Profitmaximierung, sondern langfristiges, wertegetriebenes UnternehmerInnentum fördern wollte.
Im September 2020 haben wir über einen sehr guten Zufall ein Impact-getriebenes Family Office mit einer kleinen Beteiligung für HEYHO gewinnen können.
Mit dieser Unterstützung können wir nun das weitere organisch geplante Wachstum stemmen, weitere Stellen schaffen und geschobene Investitionen in Equipment für die Rösterei investieren.
GründerDaily: Welche spannenden Kooperationen seid ihr eingegangen?
Christian von HEYHO: Wir haben uns von Anfang an PartnerInnen an Bord geholt, die echt gut sind in dem, was sie tun – PartnerInnen, die auf einem ähnlichen Werte-Fundament wie wir wirtschaften. So machen wir zum Beispiel jedes Jahr einen gemeinsamen Messestand auf der BIOFACH in Nürnberg mit unseren Freunden von Werkhaus und Goldeimer (www.goldeimer.de), die zum Viva con Agua-Netzwerk gehören.
Diesen Sommer haben wir zudem gemeinsam mit 12 anderen sozial engagierten Marken und dem Onlineshop goodbuy.eu über den gemeinsamen Verkauf unserer Produkte alle Gewinne und somit am Ende insgesamt 15.000 Euro Spenden für Ärzte ohne Grenzen und deren wichtige Arbeit an den europäischen Außengrenzen sammeln können.
Aber auch bei unseren spannenden Handelskunden wie z. B. Alnatura sind wir immer darauf bedacht, tiefe und langfristige Kooperationen einzugehen, um gemeinsam zu wachsen und gemeinsam höchstmöglichen sozialen Impact zu erzielen. Das Spektrum ist also echt bunt.
- Artikel-Tipp: Finanzierung als Social Business meistern
Selbst Gründer werden mit einer Förderung der KfW
- Ihr möchtet ein gewerblich verfasstes Sozialunternehmen gründen, verfolgt einen wirtschaftlich nachhaltigen Betrieb mit Gewinn und es handelt sich damit nicht um ein rein gemeinnütziges Unternehmen? Dann kann eine KfW-Förderung in euren ersten Jahren als Unternehmerin oder Unternehmer sinnvoll sein. Findet die passende Förderung.
GründerDaily: Was empfehlt ihr anderen Social Entrepreneurs, um erfolgreich zu sein?
Christian von HEYHO:
Habt keine Scheu, euch Rat von außen zu holen.
Feilt ordentlich an eurer Idee, legt aber auch einfach irgendwann los und testet, was gut funktioniert und was nicht.
Für höchstmöglichen sozialen Impact sollte man sich auf jeden Fall selbstbewusst aus der „Sozial-Nische“ (ja, in der sitzen viele Sozialunternehmen leider immer noch) rausbewegen und sich so viel wie möglich in Kommunikation und Haltung von erfolgreichen Marken abschauen. Nur wenn das Produkt oder die Dienstleistung Mainstream-tauglich wird, skaliert sich auch der soziale Impact. Bei uns ist es zum Beispiel ganz einfach:
Je mehr Müslis wir verkaufen, umso mehr Menschen können wir einstellen in unserer sozialen Rösterei.
Und das ist am Ende immer das Ziel von HEYHO, so viel Teilhabe und Perspektiven wie möglich zu schaffen.
GründerDaily: Vielen Dank für das Gespräch, Christian und weiterhin viel Erfolg mit HEYHO!
Keyfacts über HEYHO
- Gegründet im Jahr: 2016
- Firmensitz in: Lüneburg
- Unser aktuelles Team besteht aus: 20 tollen, echt vielfältigen Menschen
- Die erste Finanzierung erfolgte durch/über: Eigenmittel aus dem privaten Umfeld
- Besonders geholfen haben uns bisher: alle Leute, die von Anfang an dabei waren und auf dem Weg bis heute dazugekommen sind.
- Besonders wichtig im Arbeitsalltag sind für uns folgende:
- Menschen: Jede und jeder einzelne Mensch im Team von HEYHO.
- Tools: ohne Stift & Zettel geht nix
- Internetseiten: ecosia.de