Erfolgreich gründen als Zuwanderer: 4 Hürden und unsere Tipps

In der Migrationsdebatte wird eine Gruppe oft vergessen: Menschen aus Einwandererfamilien, die in Deutschland ein Unternehmen gründen. Mittlerweile sind zugewanderte Menschen für mehr als ein Fünftel aller Gründungen verantwortlich. Sie leisten also einen wichtigen Beitrag zum Gründungsgeschehen. Dabei haben sie es in Deutschland deutlich schwerer als ihre deutschen Kollegen.

Menschen aus Einwandererfamilien als Gründer: Der Status Quo

Laut dem Gründungsmonitor 2018 lassen die Gründungsaktivitäten in Deutschland aufgrund der guten Arbeitsmarktsituation weiter nach und befinden sich gemäß der KfW Studie auf einem Tiefpunkt. Die Ausnahme bilden dabei Menschen mit internationaler Geschichte, die in Deutschland für 21 Prozent aller Gründungen verantwortlich waren. Besonders Menschen aus Einwandererfamilien mit akademischem Abschluss leisteten einen überdurchschnittlichen Beitrag zum Gründungsgeschehen. Hier lag die Gründerquote bei 3,1 Gründern pro 100 Erwerbsfähigen. Zum Vergleich: Die allgemeine deutschlandweite Gründerquote bei Akademikern lag mit 2,3 Prozent deutlich darunter.

Neben den Branchen Baugewerbe, Handel und Gastgewerbe sind Zugewanderte immer öfter in wissensbezogenen Bereichen tätig, zum Beispiel als Rechtsanwalt oder Arzt. Zudem ist die Anzahl an Arbeitsplätzen, die Unternehmer aus Einwandererfamilien schaffen, in den letzten Jahren auf rund 2,5 Millionen gestiegen. Zugewanderte sind somit ein wichtiger Bestandteil der deutschen Gründungslandschaft.

In der Start-up-Szene ist der Anteil an Gründungen von Menschen mit internationaler Geschichte mit knapp 10 Prozent deutlich geringer. Unter allen befragten Gründern (Deutscher Startup Monitor 2017) stimmen allerdings 63,9 Prozent voll und ganz zu, dass die deutsche Start-up-Landschaft durch die Zuwanderung von Menschen aus dem Ausland profitiert. Hier gibt es also noch deutliches Potenzial nach oben.

Die Motivation, in Deutschland und nicht in ihrem Heimatland ein Start-up zu gründen, entstammt bei über der Hälfte der Gründer aus einem einfachen Grund: Sie leben schon länger in Deutschland und wollen ihr Unternehmen auch hier gründen. Andere haben in Deutschland ihr Studium absolviert, schätzen die hiesige Lebensqualität und den Zugang zum deutschen Absatz- oder Arbeitsmarkt. Doch andersherum haben es ­Menschen aus Einwandererfamilien oft auch schwerer, ein Unternehmen in Deutschland aufzubauen.

Herausforderungen für zugewanderte Gründer

#1 Aufenthaltsstatus

Je nach Herkunft brauchen Gründer ohne deutsche Staatsangehörigkeit eine Aufenthaltsgenehmigung mit Erlaubnis für die Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit. Bürger aus dem EU-Ausland sind davon nicht betroffen. Sie genießen das Recht, sich in jedem anderen EU-Land niederlassen, arbeiten und ein Gewerbe betreiben zu können. Menschen mit einer Staatsangehörigkeit von außerhalb der EU müssen die Aufenthaltsgenehmigung bei der Ausländerbehörde beziehungsweise der zuständigen Auslandsvertretung Deutschlands beantragen. Um den Aufenthaltstitel mit Zweck zur Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit zu erhalten, gilt es nachzuweisen, dass

  • ein wirtschaftliches Interesse bzw. ein regionales Bedürfnis besteht,
  • die unternehmerische Aktivität positive Auswirkungen auf die Wirtschaft verspricht
  • und das zu gründende Unternehmen durch Eigenkapital oder Kredite finanziell abgesichert ist.

Bei Geflüchteten ist der Asylstatus entscheidend, ob man selbstständig arbeiten darf oder nicht. Ist jemand asylberechtigt, hat er das Recht zur Unternehmensgründung. Menschen, die lediglich vorübergehend Aufenthalt gewährt wurde, müssen allerdings eine Erlaubnis bei der Ausländerbehörde einholen.

Wurde diese vom Staat erteilt, kann der begrenzte Aufenthaltstitel jedoch anderweitig Probleme bereiten: „Wenn der Aufenthaltsstatus in 6 Monaten ausläuft, bekommen Gründungsinteressierte weder einen Laden gemietet noch eine Bankfinanzierung“, so Julia Plotz, Ansprechpartnerin beim Lotsendienst für Migrantinnen und Migranten im Land Brandenburg. Das Projekt wird vom Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie sowie dem Ministerium für Wirtschaft und Energie aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und des Landes Brandenburg gefördert und unterstützt Migranten bei der Unternehmensgründung. Begrenzte Aufenthaltstitel stellen für eine Unternehmensgründung also ein großes Problem dar.

Tipp

Wer sich als Bürger mit einer Staatsangehörigkeit von außerhalb der EU in Deutschland selbstständig machen möchte, sollte klären, welchen Aufenthaltsstatus er hat bzw. erhalten kann und ob ein Antrag zu Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit nötig ist.

Informationen zu verschiedenen Aufenthaltstiteln

#2 Bürokratie das Problem Nummer eins

Ist der Aufenthaltsstatus und damit einhergehend die Erlaubnis zur Existenzgründung geklärt, stellen die bürokratischen Hürden im Zuge der Gründung die größte Herausforderung für Migranten dar. „Die kleinteilig strukturierten Verwaltungsstrukturen in Deutschland sind für Migranten oft verwirrend. Man versteht einfach nicht, an wen man sich in welchen Fällen wenden muss und warum es so viele unterschiedliche Anlaufpunkte gibt“, erklärt Plotz.

Auch Unternehmensgründer Gary Lewis war anfangs schockiert: "Ich habe vorher schon in meinem Heimatland Neuseeland ein Unternehmen gegründet. Das hat etwa zwei Stunden gedauert und ich konnte alle Gründungsschritte online erledigen. Hier in Deutschland kostet einen das viele Wochen, bis man zum Beispiel einen Termin beim Notar vereinbart, die Steuernummern beantragt und alle notwendigen Formulare ausgefüllt hat. Das verschwendet wertvolle Zeit, die man vor allem am Anfang in den Aufbau seines Unternehmens stecken sollte."

Nach Plotz' Erfahrung würden viele Migranten zu wenig Zeit für die Vorbereitung einplanen. Gerade in Deutschland gibt es viele Sondervorschriften wie zum Beispiel Bestimmungen zur Hygiene, der Bereitstellung von Kundenparkplätzen oder Brandschutz, die es so in anderen Ländern nicht gibt. „Viele Gründer – ob deutsch oder aus dem Ausland – machen Fehler in der Zeit- und Kostenplanung. Doch gerade Migranten unterschätzen und wundern sich über die vielen Vorschriften, die es hierzulande gibt.“

Tipp

Planen Sie genügend Zeit für Verwaltungsgänge und Genehmigungen ein. Holt Sie sich vor allem professionelle Hilfe bei Beratungsstellen, Steuer- und Unternehmensberatern und den Industrie- und Handelskammern. Das kann viel Zeit, Mühe und langfristig auch Geld sparen, denn Fehler können mit Bußgeldern geahndet werden.

Nutzen Sie auch unsere digitale Gründerplattform Unternehmerheld. Unser digitaler Helfer stellt kostenfrei alle individuellen Gründungsschritte zusammen.

#3 Sprache und Unternehmenskultur

So banal es klingt, sprachliche Barrieren sind immer noch ein großes Thema. Mit Englisch kommt man in Deutschland insgesamt zwar ganz gut zurecht, wenn man internationale Kunden hat und sich ein Netz von Beratern zulegt, die die bürokratischen Dinge auf Deutsch erledigen. Für alle anderen Gründungen sind gute Sprachkenntnisse allerdings unumgänglich. „Je komplexer das Gründungsvorhaben, umso besser muss der Gründer die Sprache beherrschen, um potenzielle Kunden, Investoren oder Partner anzusprechen, Kontakte aufzubauen und aufrechtzuerhalten.“ Gute Sprachkenntnisse verringern zudem die Angst davor, deutschsprachige Kunden direkt anzusprechen.

Auch kulturelle Unterschiede können ein Problem sein. In Deutschland hält man Privates und Geschäftliches zum Beispiel gerne getrennt. Das ist in anderen Ländern nicht immer so. Der Umgang mit Geschäftspartnern kann hier also unterschiedlich sein. Zudem können Branchen und Kunden länderspezifisch andere Eigenschaften aufweisen. Wer sich den Unterschieden nicht bewusst ist, kann unter Umständen in das ein oder andere Fettnäpfchen treten.

Tipp

Eingewanderte Gründer sollten die deutsche Sprache gut beherrschen und sich umfassend über die kulturellen Gepflogenheiten im Geschäftsalltag informieren. Sprachkurse und interkulturelle Trainings können hier Abhilfe schaffen. Am besten ist es, wenn man schon einschlägige Branchenerfahrung in Deutschland besitzt. So kennt man schon die Besonderheiten und das Kundenverhalten.

#4 Anerkennung von Abschlüssen und beruflichen Qualifikationen

Ein weiteres Problem, vor dem Zugewanderte häufig stehen, ist die Anerkennung ihrer im Ausland erworbenen Abschlüsse und beruflichen Qualifikationen. In vielen Bereichen ist das eine Voraussetzung dafür, sich mit dem Abschluss selbstständig zu machen. Vor allem in reglementierten Berufen wie im Handwerk stellen die hohen formalen Anforderungen besondere Hürden für die Gründungsinteressierten dar. Prüfungen und Weiterbildungen sind zudem oft sehr teuer.

Tipp

Prüfen Sie frühzeitig, ob etwaige Abschlüsse anerkannt werden müssen. Die Prüfung kann drei Monate oder sogar länger dauern. Über den Anerkennungs-Finder erfahren Sie, welche Stelle für Sie zuständig ist, wie das Verfahren in dem Beruf abläuft und welche Dokumente man für die Antragstellung braucht.

Nutzen Sie auch die kostenlosen Beratungsstellen und Bildungsangebote des Förderprogramms „Integration durch Qualifizierung“ (IQ). Die Agenturen für Arbeit, das Jobcenter und einige Bundesländer übernehmen unter bestimmten Bedingungen die Kosten für das Anerkennungsverfahren. Informieren Sie sich, ob Sie von der Förderung profitieren können.

Hinweis: Die Anerkennung der Abschlüsse kann man auch beantragen, wenn man seinen Wohnsitz noch im Ausland hat.

Fazit

Unternehmensgründungen von Menschen aus Einwandererfamilien machen mittlerweile mehr als ein Fünftel aller Gründungen aus und leisten somit einen wichtigen Beitrag zum Gründungsgeschehen. Allgemein hat die Gründungsaktivität in den letzten Jahren etwas nachgelassen. Gleichzeitig weisen aber gerade Akademiker mit ausländischen Wurzeln eine überdurchschnittliche Gründungsrate auf. Zuwanderung bietet somit auch Potenzial, die Gründungslandschaft wiederzubeleben.

Gründungsinteressierte Menschen mit internationaler Geschichte sollten bei ihrem Vorhaben einiges beachten. Neben einem für Gründungsvorhaben geeigneten Aufenthaltstitel sind es vor allem bürokratische Hürden, sprachliche und kulturelle Differenzen sowie die Anerkennung ausländischer Abschlüsse, die Probleme bereiten und die oft unterschätzt werden. Hier sollte man sich dringend professionelle Hilfe holen und in der Vorbereitung viel Zeit einplanen. Branchenerfahrungen in Deutschland sind zudem ein großer Vorteil.

Weitere Informationen zur Unternehmensgründung sowie zur Gründung als Nicht-EU-Bürger.