Psychologe: Tipps gegen Corona-Blues

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Corona-Spezial

Die Corona-Krise ist eine mentale Herausforderung für uns. Psychologe Cord Neubersch gibt Tipps, wie wir geistig und emotional gesund bleiben.

 

cord neubersch psychologe 1200 Als Diplom-Psychologe und Psychotherapeut betreut Cord Neubersch seine Klienten derzeit über Video-Sitzungen. (Foto: Cord Neubersch)

GründerDaily: Hallo Cord, Millionen Unternehmer und Angestellte arbeiten plötzlich zu Hause. Auch die Familie ist rund um die Uhr zusammen. Was macht das mental mit uns?

Cord Neubersch: Wir müssen uns klarmachen, dass die Situation ein Ausnahmezustand ist und sich deswegen auch unser Alltag automatisch verändert. Man bekommt den Boden unter den Füßen weggezogen: Die Geschäfte haben zu, die Arbeitszeiten sind anders, die Kinder sind zu Hause usw. Es ist ein ganz anderer Ablauf.

Das Einzige, was uns verbindet, ist, dass die Krise uns alle betrifft.

Durch diesen neuen Alltag brauchen wir einen Rhythmus, der uns das Gefühl gibt, dass das wieder unser eigener Alltag ist, um in dieser außergewöhnlichen Zeit für sich zurück zu einer Normalität zu finden. Das ist das Ziel.

GründerDaily: Ein bis zwei Wochen zu Hause zu bleiben, ist für viele Menschen kein Problem. Die Ausgangsbeschränkungen und das heruntergefahrene öffentliche Leben könnten länger dauern. Wie sollen wir damit umgehen?

Cord Neubersch: Wir können mental und emotional gesund bleiben, wenn wir uns sagen:

Wir gehen nicht zu weit in die Gedanken rein, fragen uns nicht ständig: Was wird irgendwann mal wieder anders werden?

Zu weit in die Zukunft zu denken, würde uns nur das Gefühl geben: Wir wissen es nicht, und uns eher die Hilflosigkeit spiegeln. Das bringt uns nicht weiter. Man könnte sagen:

Die Corona-Krise motiviert uns, mehr in die Achtsamkeit zu gehen, mehr in das Hier und Jetzt.

Was kann ich hier und jetzt verändern? Was ist möglich? Was kann ich gerade aufgrund der neuen Umstände machen?

Die Corona-Krise hat natürlich auch Vorteile: Diejenigen zum Beispiel, die zu viel arbeiten und jetzt nicht mehr arbeiten dürfen, haben vielleicht mehr Zeit zu Hause und wissen gar nichts mit sich anzufangen. Aber es ist dann zumindest die Möglichkeit gegeben, dass man sich nochmal anders auf den Alltag einlässt und die Gelegenheit wahrnimmt, für sich zu sorgen.

Und das ist eine der größten Herausforderungen: Wie würde ich meinen neuen Alltag entsprechend gestalten?

Ich muss von meinem alten Gedanken weg, wenn er durch die Umstände nicht mehr zu leben ist.

Zum anderen muss ich schauen, dass ich mich nicht zu weit in die Zukunft hineinversetze, weil ich noch nicht weiß, wo es hingeht.

Das Gesundbleiben ist im Hier und Jetzt durch Achtsamkeitsübungen am besten umzusetzen.

GründerDaily: Welche Tipps hast du noch für diese besondere Lebenssituation?

Cord Neubersch: Rituale, Tagesrituale. Ich muss schauen:

Was für Rituale und Dinge, die mir Kraft geben, kann ich nutzen?

Und das sind die kleinsten Dinge, sei es schon Zähneputzen. Sei es zum Beispiel, wie ich mein Frühstück einnehme. Wenn ich das sonst in Ruhe auf der Arbeit gemacht habe und ich das jetzt nicht mehr kann, muss ich das zu Hause machen.

Oder: Wann mache ich meine Mittagspause? Wo mache ich die? Habe ich auch noch ein bisschen Zeit für mich oder bin ich jetzt plötzlich voll absorbiert, weil ich Familienvater oder -mutter bin und mehrere Kinder zu Hause habe?

Kurzum: Welche Rituale und Highlights kann ich mir an dem Tag vornehmen, die mir dieses Gefühl von Kraft und Halt geben?

GründerDaily: Viele Mitarbeiter finden nun Gefallen am Homeoffice und der damit verbundenen Freiheit, denken darüber nach, sich nach der Krise selbstständig zu machen. Sind das gute Voraussetzungen, sich in die Selbstständigkeit zu wagen, oder stehst du derartigen Impulsen eher skeptisch gegenüber?

Cord Neubersch: Ich finde das sehr, sehr mutig und das ist das Gute an dieser Corona-Krise: Sie zwingt uns zum Umdenken.

Nicht nur der Virus hat sich angepasst, wir müssen uns auch anpassen – und zwar an die neuen Umstände.

Allein in meinem Bereich: Wir Psychotherapeuten arbeiten in der Regel in der Praxis. Jetzt bieten wir Video-Telefonie an. Das ist aber etwas, das erst bei den Krankenkassen ankommen musste. Kann man das abrechnen, geht das? Die Krise zwingt uns alle zum Umdenken und ich finde, diese Neuen Medien zu nutzen – Video-Telefonie, Internet usw. – ist eine super Chance.

Man nehme das Beispiel Schule: Jetzt müssen die Lehrer schauen: Wie können wir den Schülern Informationen zukommen lassen, damit sie dort weitermachen? Das zwingt uns alle zum Umdenken und das finde ich großartig.

Und wenn wir das nutzen, dass wir daran wachsen, dass wir die Herausforderung annehmen und neue Ressourcen damit auf den Weg bringen und uns damit stärken, ist das phänomenal und das Wunder der Natur – wenn wir uns als Natur bezeichnen.

GründerDaily: Was können die Menschen tun, wenn sie psychologische Hilfe benötigen?

Cord Neubersch: Es gibt vereinzelt Therapeuten, die unter besonderen Bedingungen wie Abstandsregelungen in der Praxis arbeiten. Aber die meisten gehen ins Homeoffice über, heißt also: in eine Video- oder Telefonkonferenz.

Das kann man als Klient nutzen, indem man den Therapeuten anspricht, welchen Anbieter er für die Videotelefonie wählt. Das kann auch mit der Krankenkasse abgerechnet werden, wenn der Therapeut einen Kassensitz hat. Wenn er privattherapeutisch unterwegs ist, geht das je nach Bedingung auch.

Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben je nach Bundesland auch eine Online-Termin-Servicestelle, wo man ein Erstgespräch mit einem Therapeuten ausmachen kann.

Ich mache das derzeit von zu Hause aus per Video- bzw. Handytelefonie bis zum 19.04. Danach werde ich eine Entscheidung treffen, wie ich das weiter fortführe. Ich gehe davon aus, dass es bei mir dann eine Mischung aus Telefon- und Praxisterminen geben wird.

Vielen Dank für das Interview und dir viel Gesundheit, Cord!

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