Mehr Zeit für die Familie dank Selbstständigkeit

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Sich mit Kindern selbstständig zu machen, ist riskant. Es kann sich aber auch richtig lohnen, wie die Gründer von App Camps beweisen. Das Gründerpaar Philipp und Diana Knodel schaffen den Spagat zwischen unternehmerischem Erfolg und Zeit für die Familie. Mit ihrem Start-up App Camps bieten die Gründer eine Online-Plattformen mit Programmierkursen an, die bei den Schülern großen Anklang finden.

 

Für-Gründer.de: Hallo Philipp, unser letztes Interview ist fast anderthalb Jahre her. Als Mitgründer von App Camps  hast du uns damals berichtet, dass ihr gerade dabei seid, „eine Online-Lernplattform, mit der Schulen ganz einfach Programmierkurse anbieten können" zu entwickeln. Was ist daraus geworden?

Philipp Knodel von App Camps: Genau das ist daraus geworden: eine Online-Lernplattform, mit der Lehrkräfte Programmierkurse anbieten können. Interessierte Lehrkräfte oder andere Personen aus dem Bildungsbereich registrieren sich auf unserer Seite und haben dann Zugriff auf Lernunterlagen, das heißt kurze Erklärvideos und Lernkarten. Auf unserer Plattform gibt es auch eine Online-Schulung, mit der man sich ganz einfach in das Thema einarbeiten kann.

Im ersten Kurs geht es um das Thema App-Entwicklung. Schüler lernen, wie Apps entstehen und bekommen Einblicke in die Berufswelt. Dabei lernen sie ganz praktisch wichtige Konzepte der Informatik kennen, wie zum Beispiel Variablen, if-else Anweisungen oder Listen. Der Kurs „App Entwicklung im Unterricht” ist für 7 x 90 Minuten konzipiert und kann sowohl im Informatik und Medienunterricht als auch im Fachunterricht eingesetzt werden.

App Camps ermöglicht es Programmierkurse in den Schulunterricht zu integrieren. (Quelle: App Camps) App Camps bringt Programmierkurse in die Schulen (Foto: App Camps)

Für-Gründer.de: Anfangs habt ihr vorrangig in Hamburg Workshops angeboten. Wie sieht es jetzt aus? Konntet ihr die Workshops auf ganz Deutschland ausdehnen? Und wenn ja, wie seid ihr die Erweiterung angegangen?

Philipp Knodel von App Camps: Unser Konzept funktioniert so: Lehrkräfte oder andere Personen im Bildungsbereich bekommen Zugang zu den Unterlagen und bieten selbstständig Programmierkurse an. Wir entwickeln die Unterlagen, stellen sie bereit und unterstützen bei Fragen. Das bedeutet auch, dass wir nur noch vereinzelt eigene Events und Workshops machen. Das tolle an diesem Ansatz ist: Unser Angebot ist skalierbar und wir erreichen deutlich mehr Schülerinnen und Schüler.

Seit Anfang des laufenden Schuljahres haben mehr als 2.000 Schüler bundesweit mit unseren Unterlagen Apps entwickelt und Einblicke in den Bereich Programmieren bekommen.

 

Die Online-Plattform wird mittlerweile von Lehrkräften in allen 16 Bundesländern genutzt. Auch in Österreich und der Schweiz gibt es bereits Lehrkräfte, die unsere Unterlagen nutzen.

 

Für-Gründer.de: Ihr habt sicherlich auch schon so einige tolle Schüler-Projekte gesehen. Was hat dir besonders gut gefallen?

Philipp Knodel von App Camps: Jugendliche haben oft tolle Ideen - in unserem Kurs lernen sie das Werkzeug, um die eigenen Ideen umzusetzen. Eine schöne Idee war der Graphenzeichner. Die Gruppe sollte in Mathematik verschiedene mathematische Funktionen lernen. Sie haben dann einfach eine kleine App für Smartphones programmiert, mit der sie die Funktionen auf ihrem Smartphone zeichnen konnten. Andere Schüler haben ein Biologie Quiz entwickelt, um sich auf die Klausur vorzubereiten. Die App haben sie dann in der Klasse verteilt und so konnten alle den Klausurstoff lernen.

Manchmal lösen Schüler mithilfe einer App auch ganz praktische Probleme: bei einem Workshop gab es ein Team aus zwei Geschwistern, die zu Hause einen Hund hatten. Es gab in der Familie regelmäßig Diskussionen und Streit darüber, wer mit Gassi gehen an der Reihe ist. Die Lösung war eine App, die per Zufall auswählt wer an der Reihe ist. Damit gab es erstmal keine Diskussionen mehr. Wie lange das funktioniert hat, weiß ich allerdings leider nicht.

Für-Gründer.de: Was ist außerdem in den vergangenen zwei Jahren im Unternehmen passiert?

Philipp Knodel von App Camps: Zum aktuellen Schuljahr 2015/16 haben wir die Kursunterlagen zum Thema App-Entwicklung veröffentlicht. Mittlerweile haben sich mehr als 400 Lehrkräfte auf unserer Plattform registriert und mehr als 2.000 Schüler mit unseren Unterlagen programmiert.

Wir evaluieren die Wirkung unseres Kurses und sehen an den Ergebnissen, dass sich besonders bei Mädchen die Einstellung gegenüber dem Thema Programmieren positiv verändert.

Da unser Angebot in der Schule und nicht außerschulisch ist, erreichen wir auch viele sozial benachteiligte Jugendliche. Das ist für uns ein großer Erfolg, weil wir glauben, dass Jugendliche bereits mit grundlegenden Kenntnissen in diesem Bereich ihre Zukunftsperspektiven verbessern können.

Als Kernteam sind wir bei App Camps immer noch zu zweit, unterstützt werden wir von freien Mitarbeitern und ehrenamtlichen Unterstützern. In den nächsten Monaten werden wir das Team erweitern. Anfang 2016 sind wir bei der Google Impact Challenge aus über 1.000 Bewerbungen unter die zehn Finalisten gekommen. Das ist für uns ein Riesenerfolg. Neben finanzieller Unterstützung werden wir in der nächsten Zeit von Ashoka begleitet, um gemeinsam die nächsten Schritte zu machen.

Für-Gründer.de: Was wollen eure Nutzer am häufigsten bei euch programmieren bzw. lernen?

Philipp Knodel von App Camps: Jugendliche haben sehr großes Interesse an Apps. Sie wollen wissen, wie diese entstehen, und sehr viele haben auch eigene Ideen, die sie umsetzen möchten. Lehrkräfte haben darüber hinaus großes Interesse an HTML und CSS. Daran sind wir auch gerade und produzieren einen neuen Kurs zum Thema „Websites entwickeln”.

Für-Gründer.de: Beim letzten Interview stand auch gerade erst die Gründung eurer gemeinnützigen UG an. Wie ist der Gründungsprozess abgelaufen und worauf musstet ihr da achten?

Philipp Knodel von App Camps:Die gemeinnützige UG haben wir mittlerweile gegründet. Wir hatten bei der Gründung juristische Beratung und haben gemeinsam unseren Gesellschaftsvertrag aufgesetzt. Der Vertrag wird dann vom Finanzamt geprüft und erst damit ist die Gemeinnützigkeit anerkannt. Ansonsten ist der Gründungsprozess gleich wie bei einer normalen UG.

 

Für uns war es sehr wichtig, von Anfang Beratung in juristischen und steuerlichen Fragen zu haben. Das Thema Gemeinnützigkeit ist an manchen Stellen zu komplex, um sich selbst in alles einzuarbeiten.

 

Es dauert dann auch etwas bis man versteht, was man alles beachten muss. Da ist es sehr hilfreich, ein Steuerbüro zu haben, das sich auch gut im Bereich Gemeinnützigkeit auskennt.

Für-Gründer.de: Für die Gründung habt ihr beide nacheinander eure Festanstellungen aufgegeben. Welche Fragen gehen einem bei dieser Entscheidung durch den Kopf und wann weiß man, dass man es einfach wagen muss?

Philipp Knodel von App Camps: Wenn wir jetzt zurückblicken, war es absolut die richtige Entscheidung. Aber wenn man in der Situation steckt, gehen einem viele Dinge durch den Kopf. Wir sind verheiratet und hatten zum Zeitpunkt der Gründung einen Sohn. Jetzt sind es schon zwei. Das spricht erstmal dagegen, die Festanstellungen aufzugeben.

Den einen Moment, in dem man weiß, dass man es jetzt riskieren muss, gibt es glaube ich nicht. Wir wussten aber auch, dass wir beide wieder in normale Jobs zurückgehen können, wenn es mit App Camps nicht klappt. Bisher haben wir es auf jeden Fall keine Sekunde bereut.

Die beiden Gründer von App Camps sind nicht nur beruflich in einer Partnerschaft, sondern auch privat ein Paar. Das App Camps-Gründerteam: Dr. Diana Knodel und Dr. Philipp Knodel (Foto: App Camps)

Für-Gründer.de: Wie vereinbart ihr Selbstständigkeit und Privatleben? Was verschmilzt miteinander und wo zieht ihr deutliche Grenzen für euch?

Philipp Knodel von App Camps: Eines der besten Dinge bei der Selbstständigkeit ist, dass man sehr flexibel sein kann. Wir können mit unseren zwei Söhnen, die ein halbes und dreieinhalb Jahre alt sind, als Familie gemeinsam sehr viel Zeit verbringen. App Camps war ja lange Zeit unser Hobby, deshalb verschmilzt Arbeit und Privates bis heute.

Es kommt oft vor, dass wir beim Frühstück über neue Ideen für App Camps sprechen. Aber weil es uns so viel Spaß macht, fühlt es sich auch nicht nach Arbeit an.

Gerade weil wir aber mit Kindern und App Camps immer viel zu tun haben, überlegen wir uns sehr genau, was wir machen und was nicht. Wir bekommen viele Anfragen und Einladungen. Da prüfen wir für uns eben immer sehr genau, was uns etwas bringt und worauf wir Lust haben. Das mussten wir auch erst lernen, mittlerweile sind wir uns darüber aber recht im Klaren.

Für-Gründer.de: Was hättet ihr vor anderthalb Jahren gerne schon über euer heutiges Unternehmen gewusst? Und wie hättet ihr euch darauf vorbereitet?

Philipp Knodel von App Camps: 

Wenn ich ehrlich bin, bin ich froh, dass ich vor anderthalb Jahren nichts wusste. Einige Dinge hätten wir sicher anders erreichen und einige Fehler vermeiden können. Aber unterm Strich waren all diese Umwege und Fehler wichtig, um zu lernen.

Für-Gründer.de: Welche Fehler würdet ihr gerne rückgängig machen und auf welche Entscheidung seid ihr besonders stolz?

Philipp Knodel von App Camps: Besonders stolz sind wir auf die Entscheidung, unser Angebot in die Schulen zu bringen. Als wir mit App Camps starteten, haben wir gemerkt, dass wir mit außerschulischen Angeboten vor allem Jugendliche erreichen, die bereits viel Förderung von den Eltern bekommen. Mädchen und Jugendliche aus bildungsfernen Familien haben wir so nur sehr schlecht erreicht. Deshalb war für uns klar: wir müssen in die Schule, denn dort kann man alle Jugendliche erreichen.

Damals hatten uns sehr viele Leute davon abgeraten, der Schulsektor sei ein schwieriger Markt und Geld verdienen könne man da auch nicht. Wir haben unseren Kurs trotzdem für Lehrkräfte entwickelt und in die Schulen gebracht. Als gemeinnützige Firma arbeiten wir nicht profitorientiert und haben gemerkt, dass es auch andere Möglichkeiten zur Finanzierung gibt.

Für-Gründer.de: Und zum Schluss der Blick in die Glaskugel: Wo wollt ihr in den nächsten 18 Monaten stehen?

Philipp Knodel von App Camps: Unser Ziel ist, dass alle Jugendlichen die Chance bekommen, den Bereich Programmieren einmal auszuprobieren. Um das zu erreichen, brauchen wir sicher noch mehr als 18 Monate. Wir wollen in den nächsten anderthalb Jahren neue Kurse und Inhalte entwickeln und das Thema auch in andere Fächer bringen - zum Beispiel Kunst, Mathematik, Physik oder Sprachunterricht.

Für-Gründer.de: Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg weiterhin mit App Camps.

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