Insurtech: innovative Geschäftsideen aus der Versicherungsbranche

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Es gibt Webseiten von Versicherungskonzernen, die selbst im Jahr 2016 den Kunden beim Versuch, einen Vertrag abzuschließen, lediglich auf einen Vertriebsmitarbeiter verweisen. Wer potenzielle Kunden so vor den Kopf stößt, reißt eine Marktlücke auf, die von immer mehr jungen Start-ups gefüllt wird. Wir stellen vier Geschäftsideen aus dem boomenden Insurtech-Bereich vor.

 

Die Versicherungswirtschaft hat die Digitalisierung verschlafen. Das stellte die Unternehmensberatung Batten & Company in einer Untersuchung von 20 deutschen Versicherungen fest. Keines der untersuchten Unternehmen entspreche den digitalen Erwartungen seiner Kunden und 60 % wiesen generell eine geringe digitale Präsenz auf. So ist es nicht verwunderlich, dass die Studienautoren zu einem düsteren Schluss für die Alteingesessenen kommen: Internet-Start-ups sind eine Bedrohung für das Geschäftsmodell der analysierten Versicherungsunternehmen.

Wie schnell die Insurtech-Szene auch in Deutschland gewachsen ist, zeigt eine weitere Studie. Laut Barkow Consulting wurden 2015 rund 27 Millionen Euro Venture Capital in deutsche Insurtech-Start-ups investiert, 2014 waren es lediglich 7,4 Millionen Euro. Weltweit waren es 2015 sogar 800 Millionen US-Dollar.

Was ist Insurtech?

Der Begriff Insurtech wurde in Anlehnung an Fintech geschaffen und leitet sich vom englischen Begriff insurance technologies ab. Ähnlich wie im Finanzsektor stemmen sich viele Versicherungskonzerne gegen den digitalen Wandel und beharren auf bewährten Geschäftsmodellen. Zwischen den Erwartungen der Nutzer und dem Angebot der Konzerne klafft somit eine große Lücke. Wenn man, wie zum Beispiel beim FinTech-Start-up Number26 ohne Papierkram innerhalb von Minuten ein Bankkonto eröffnen und per Fingerzeig einen Dispokredit beantragen kann, warum kann es dann nicht ähnlich simpel mit Versicherungen sein?

So könnte das in Zukunft bei Versicherungen aussehen: Man ist als alleiniger Fahrer in seiner Kfz-Versicherungspolice eingetragen, möchte aber sein Fahrzeug für ein Wochenende an einen Freund verleihen. Per App bearbeitet man die Police und fügt den zusätzlichen Fahrer unbürokratisch und taggenau hinzu. So viel Flexibilität ist den traditionellen Versicherungskonzernen jedoch fremd. In diese Lücke springen nun Start-ups, die mit einem technologischen Ansatz die Versicherungsbranche umkrempeln möchten. Dabei bleibt es nicht immer nur bei einer simplen App, die lediglich das Nutzererlebnis verbessert.

Insurtech-Geschäftsidee: Friendsurance

Friendsurance war 2010 eines der ersten deutschen Start-ups aus der Versicherungsbranche. Es hat lange gedauert, bis sich das Unternehmen über bürokratische Hürden hinwegsetzen und das Vertrauen der Kunden gewinnen konnte. Mittlerweile sind die Berliner mit 75.000 Kunden und 80 Mitarbeitern das größte Insurtech-Unternehmen Europas. Das Geschäftsprinzip basiert auf dem Peer-to-peer-Modell. Versicherte schließen sich zu kleinen Gruppen von circa zehn Leuten, zum Beispiel Freunden oder Arbeitskollegen, zusammen. Diese zahlen ihre Versicherungsbeiträge in einen gemeinsamen Topf.

Friendsurance bekämpft Versicherungsbetrug und macht Policen günstiger (Bild: friendsurance.de) Friendsurance bekämpft Versicherungsbetrug und macht Policen günstiger (Bild: friendsurance.de)

Bei Schadensfreiheit erhalten die Mitglieder der Gruppe einen Teil aus dem Topf als Bonus zurück. Durch diesen Anreiz und die soziale Kontrolle innerhalb der Gruppe soll Versicherungsbetrug vermindert werden. Schließlich ist die Hemmung einen Bekannten zu beschummeln viel größer, als ein anonymes Versicherungsunternehmen. So rechnet sich das durch die Bonuszahlungen und niedrigeren Kosten sowohl für die Versicherungsnehmer als auch für die Versicherer. Friendsurance profitiert als unabhängiger Makler und arbeitet mit insgesamt 70 Versicherungsunternehmen zusammen.

Insurtech-Geschäftsidee: massUp

massUp möchte den Verkauf von Annex-, Nischen- und Kurzzeitversicherungen einfacher und profitabler gestalten. Gemeint sind einfache Versicherungen für Konsumgüter wie Smartphones, Fahrräder und Unterhaltungselektronik. Diese weisen eine geringe Marge auf und sind nur mit schlanken Prozessen und über die Masse lohnenswert im Vertrieb.

massUp bietet eine White-Label-Lösung an, die alles vom Antrag bis zur Bezahlung regelt und sich nahtlos auf einer eigenen Webseite oder im Onlineshop integrieren lässt. Partner haben Zugriff auf aktuell 150 Versicherungsprodukte und werden mit einer Provision am Verkauf beteiligt. Das 2015 gestartete Unternehmen konnte sich beim Accelerator Startup Bootcamp gegen 1.300 internationale Mitbewerber durchsetzen und als einziges deutsches Start-up am Insurtech-Programm teilnehmen. Ziel sei es, innerhalb von 18 Monaten Marktführer im Bereich der Annex-, Nischen- und Kurzzeitversicherungen zu werden.

Gründer Fabian Fischer und Dominik Groenen bringen zusammen über 40 Jahre Versicherungserfahrung auf die Waage (Bild: massup.de) Die massUp-Gründer Fabian Fischer und Dominik Groenen (Bild: massup.de)

Insurtech-Geschäftsidee: knip

knip macht Schluss mit Papierkram und ersetzt den dicken Versicherungsordner durch eine übersichtliche App. Aus dieser heraus können Kunden ihre Policen verwalten und optimieren. Auf Wunsch sucht knip günstigere Alternativen und übernimmt den Wechsel und die Kündigung des alten Anbieters. Auch Schäden können bequem über das Smartphone gemeldet werden. Sollte der Kunde Hilfestellung wünschen, erreicht er ausgebildete Versicherungskaufleute kostenlos per Telefon oder E-Mail.

Mit knip lassen sich Versicherungen per Smartphone verwalten (Bild: knip.de) Mit knip lassen sich Versicherungen per Smartphone verwalten (Bild: knip.de)

Das Unternehmen knip bezeichnet sich selbst als digitalen Versicherungsmakler. Im Gegensatz zum menschlichen Pendant ist das Start-up nicht abhängig von Provisionen und verspricht seinen Kunden eine neutrale Beratung. Das Geschäftsmodell basiert auf einer Zusammenarbeit mit den Versicherungen. Sie bezahlen knip für die Digitalisierung und das Management von Kundenpolicen. Daher ist der Dienst für die Verbraucher auch kostenfrei. In der Schweiz kooperieren bereits 95 % der Versicherungsunternehmen mit dem 2013 gegründeten Unternehmen. Seit 2015 ist knip auch in Deutschland aktiv.

Insurtech-Geschäftsidee: Community Life

Auch bei Community Life können Kunden ihre Versicherungen online abschließen und verwalten. Als Alleinstellungsmerkmal steht in diesem Fall der Community-Gedanke im Mittelpunkt und stellt für die Versicherungsbranche das Pendant zur Fidor Bank dar. Im Forum können Kunden fragen stellen oder Vorschläge zur Weiterentwicklung der Versicherungen und Dienste machen.

Bei Community Life steht die Kundennähe im Fokus (Bild: communitylife.de) Bei Community Life steht die Kundennähe im Fokus (Bild: communitylife.de)

Ein zentrales Versprechen ist, dass die Versicherung transparent und leicht verständlich sein sollen. Community Life wirbt damit, dass keine Police einen Satz enthalte, der mehr als 15 Wörter enthält. Community Life ist als Versicherungsvermittler registriert. Die angebotenen Produkte wurden zusammen mit dem europäisch tätigen Versicherungsunternehmen iptiQ entwickelt.

Einen Erfolg konnte das junge Insurtech-Start-up bereits verbuchen. Gleich im ersten Jahr der Unternehmensgründung wurde der Tarif Community Life Protect vom Magazin "Öko-Test" im August 2015 zum „absoluten Sieger" im Risikolebensversicherungs-Test ernannt.

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