Rückkehr des Handwerks: Craft Bier, Schuhe und Webstühle
Selbstständig im Handwerk, das klingt so verstaubt, meinen viele. Dabei ist es ein abwechslungsreicher Branchenzweig mit viel Potenzial. Mit ihren handwerklichen, individualisierten und hochwertigen Produkten haben unsere heutigen Geschäftsideen einen Weg gefunden, sich gegen die industrielle Übermacht zu behaupten. So überlebt Handwerkstradition im 21. Jahrhundert.
Das deutsche Reinheitsgebot ist Fluch und Segen zugleich. Es gilt einerseits als das Markenzeichen heimischer Biere, andererseits sorgt es abseits von Pils und Weizen - trotz der über 1.300 Brauereien in Deutschland - für Langeweile im Bierregal. Vielerorts ist sogar schon von einem Brauereisterben die Rede. Aber die Ergebnisse des Statistischen Bundesamts zur Brauwirtschaft erzählen eine andere Geschichte.
Zwar ist die Zahl der mittleren und großen Betriebe seit 1995 von 639 Betriebe um ein Drittel auf 419 Betriebe im Jahr 2014 gesunken, ausgeglichen wird das aber durch die Neugründung vieler kleiner Haus- und Mikrobrauereien, von denen sich einige auf die Entwicklung innovativer Biere spezialisiert haben. Damit sind keinesfalls süße Biermischgetränke gemeint, sondern Neuinterpretationen historischer Bierstile und –rezepte oder Sonderbarkeiten wie flaschenvergorene Biere in der Champagnerflasche.
Craft Bier: Siegeszug der Mikrobrauerei
Eines dieser markanten Craft Biere stammt vom Bamberger Start-up St. ERHARD. Es befindet sich in guter Nachbarschaft, denn nirgendwo auf der Welt ist die Brauereidichte so groß, wie in dieser Region Frankens. Im Jahr 2011 entwickelten zwei Studenten im Rahmen eines Gründerseminars jenes Bier, das die traditionellen, handwerklichen Werte der fränkischen Brauereikultur in ein modernes Gewand einhüllen sollte. Für den Inhalt zeichnet sich die mehrfach prämierte Hausbrauerei Rittmayer verantwortlich.
Das Äußere des St. Erhard besticht durch ein klares Flaschendesign, das die Bernsteinfarbe des Kellerbieres hervorhebt. Um das Bier trotzdem ausreichend vor Sonneneinstrahlung zu schützen, ist die Flasche mit einem UV-Schutz versehen.
Die moderne Interpretation eines traditionellen fränkischen Bieres wurde nicht nur beim German Design Award 2014 ausgezeichnet. Es wurde auch ausgewählt, um bei der internationalen Wanderausstellung „Handmade in Germany" neben Manufakturprodukten, wie hochwertigen Uhren über kostbare Instrumente bis hin zu typisch deutschen Erzeugnissen, die lange Tradition und Qualität deutscher Handwerksprodukte in 15 verschiedenen Weltmetropolen zu repräsentieren.
Weitere Geschäftsideen rund ums individuelle Bier liefern:
Trend zur Individualisierung = Chance für das Handwerk
Der Zuwachs an Mikrobrauereien zeigt, dass viele mittelständische Betriebe aufgrund des steigenden Preisdrucks schließen müssen. Hier versteckt sich aber das Potenzial des Handwerks, sich durch seine handgemachte Qualität in Kombination mit frischen Ideen abzugrenzen und hervorzuheben. Denn immer mehr Menschen hegen den Wunsch, ihre Individualität durch die Erscheinung und Einrichtung zu betonen. Sei es ein besonderes Bier, das beim Männerabend den Anlass für tiefgründige Fachgespräche liefert oder ein Hemd, welches auf jahrhundertealten Webstühlen gefertigt wurde. Menschen suchen also inmitten der Fließbandwaren identitätsstiftende Produkte, die sie aus der Masse hervorheben. Darauf basieren auch die folgenden beiden Geschäftsideen.
Der Online-Schuhmacher
Seit Anfang 2010 ist Shoepassion auf dem hart umkämpften Markt des Onlineschuhhandels tätig. Der Fokus das Berliner Start-ups liegt auf Volllederschuhen, handgefertigt in der rahmengenähten Machart, der Königsdisziplin der Schuhherstellung. Diese weisen eine deutlich größere Haltbarkeit auf als die geklebte Konkurrenz und erfreuen damit die Männer, die im Schuhkauf bloß ein notwendiges Übel sehen.
Sollten die Schuhe doch einmal Gebrauchsspuren aufweisen, kümmert sich die Online-Werkstatt von Shoepassion darum. Nach Überprüfung der Schuhe durch den hauseigenen Maßschuhmacher erledigen erfahrene Meisterschuhmacher nach alter Handwerkstradition die anfallenden Arbeiten. Im Anschluss kehrt der Schuh kostenlos und bequem zum Kunden nach Hause zurück. So möchte der Online-Schuhmacher ein Zeichen gegen die moderne Wegwerfgesellschaft setzen.
Rückkehr in die Zeit der industriellen Revolution
Stoffe und Maschinen sind die Leidenschaft des Briten Daniel Harris. Er studierte Nähmaschinenschlosser und schneiderte Theaterkostüme. Heute verkauft er Stoffe nach alter Machart an Modelabels wie Ralph Lauren und ASOS. Seinen Tweed webt er auf traditionellen Webstühlen, die er eigenhändig restauriert. Angefangen hat alles 2011, als er einen verrosteten Webstuhl aus dem viktorianischen Zeitalter aus einem alten Schuppen rettete. Anschließend erlernte er das Handwerk, ohne vorherige Weberfahrung.
Kurze Zeit später schaffte er sich weitere Gerätschaften an und gründete The London Cloth & Co, die erste Neugründung in der Branche seit über 100 Jahren. Sein Ziel ist es, das traditionelle Weberhandwerk, wiederzubeleben und alte Handwerkskunst zu konservieren. Daher möchte Daniel Harris neben dem kommerziellen Betrieb seine Hallen auch für Schulklassen öffnen, damit diese in den Kontakt mit den historischen Webstühlen kommen. Für dieses Engagement wurde der Gründer der britischen Geschäftsidee mit dem Development Award of The Textile Society ausgezeichnet.
Weitere Geschäftsideen, die zeigen wie modernes Handwerk funktioniert, bieten:
- die Preisträger des Top-Gründer im Handwerk Awards 2014
- Individuelle Möbel vom Online-Schreiner und Weiteres aus dem Handwerk