Der Coworking-Check: Wann Gründer in ein eigenes Büro wechseln sollten

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Der Trend zum CoWorking Space bleibt ungebrochen, immer beliebter wird diese Form der Arbeitsplatzwahl bei Freischaffenden, Kreativen, digitalen Nomanden und jungen Start-ups. Dabei eignet sich diese Form des "geteilten Miet-Arbeitsplatzes" aber nicht für jeden, vor allem stark wachsende Start-ups stoßen schnell an ihre Grenzen. Unser Gastautor Eric Salbert vom Blog PRENEUR.DE erklärt, welche Vor- und Nachteile CoWorking gegenüber einem eigenen Büro hat und für wen es sich eignet (und für wen nicht).

 

Für viele junge Start-ups ist der CoWorking Space vor allem zu Beginn sehr attraktiv. Im Vergleich zum Home Office bietet CoWorking viel bessere Möglichkeiten, ein Netzwerk aufzubauen und Gleichgesinnte kennenzulernen. Außerdem kann bei Bedarf ein Meetingraum gebucht oder schnell ein weiterer Arbeitsplatz eingerichtet werden. Ein richtiges und komplett eigenes Büro liegt zu diesem Zeitpunkt oft noch außer Reichweite.

So stieg die Anzahl der CoWorking Spaces von 8.700 im Jahr 2015 auf 11.100 im Jahr 2016, immerhin eine Steigerung von gut 27%! Aber neben seinen zahlreichen Vorteilen hat der Arbeitsplatz CoWorking durchaus auch ein paar Nachteile. Wir liefern euch einen Überblick über das Pro und Contra beim CoWorking.

Modernes Arbeiten und Netzwerken. In entspannter, aber fokussierter Atmosphäre. (Quelle: startupexplore.com) Modernes Arbeiten und Netzwerken. In entspannter, aber fokussierter Atmosphäre. (Quelle: startupexplore.com)

Welche Vorteile hat ein CoWorking Space gegenüber einem Büro?

#1 Die Mietkosten im Blick

Ein ganz entscheidendes Argument für junge Start-ups sind die Kosten, um gerade in der Startphase auf CoWorking zu setzen. Beim CoWorking teilen sich Gründer und Freiberufler ein Büro und damit auch die vorhandene Infrastruktur.  Laut einer Studie von Deskwanted.com sind die Durchschnittskosten für einen CoWorking Arbeitsplatz im Vergleich zu einem normalen Büroarbeitsplatz nur etwa halb so hoch . Gezahlt wird außerdem nur, wenn der Arbeitsplatz auch tatsächlich genutzt wird. Arbeitet der Gründer lieber daheim und möchte nur einmal pro Woche den CoWorking Space nutzen, fällt tatsächlich nur für diesen Tag die Büromiete an.  Damit fallen für Gründer die monatlichen Mietkosten vergleichsweise niedrig aus.

#2 Flexible Vertragsgestaltung

Auch wenn der eigene Businessplan meist eine sehr optimistische Zukunft prognostiziert, ist gerade zum Start in die Selbstständigkeit die Unsicherheit über die zukünftige Geschäftsentwicklung groß. Für junge Firmen mit wenig Kapital sind flexible Verträge deshalb ein sehr wichtiges Kriterium. Denn so ist man nicht langfristig an einen festen Mietvertrag für das eigene Büro gebunden, sondern kann schnell auf veränderte Entwicklungen reagieren. Oder einfach mal einen Monat von zu Hause aus arbeiten, um kurzfristig Kosten zu sparen. Viele Gründer arbeiten auch verteilt und benötigen nur hin und wieder den CoWorking Space, um sich z.B. einmal pro Woche im Team zu treffen. All das ermöglicht CoWorking mit seiner flexiblen Vertragsgestaltung.

#3 Schnell auf Änderungen beim Mitarbeiterstamm reagieren

Die Personalentwicklung junger Start-ups lässt sich langfristig oft nur schwer planen. Plötzlich werden 3 weitere Freelancer gebraucht, um ein Projekt abzuschließen, die nach 2 Monaten aber schon nicht mehr benötigt werden. CoWorking bietet hier eine sehr gute Möglichkeit, schnell auf diese veränderten Anforderungen zu reagieren und Mitarbeitern weitere Arbeitsplätze auf Monats- oder Tagesbasis zur Verfügung zu stellen.

#4 Platz für kreativen Austausch, gemeinsame Projekte und dem Aufbau des eigenen Netzwerks

Nicht zuletzt ist der kreative Austausch mit Gleichgesinnten ein weiterer Benefit, der nicht unterschätzt werden darf. Motivation und kreative Ideen entstehen oft durch neue Kontakte, die durch einen CoWorking Space leichter gemacht werden. Das erleichtert in der Gründungsphase auch den wichtigen Aufbau eines guten Netzwerkes.

Außerdem bietet CoWorking frisch gebackenen Gründern die Möglichkeit, gemeinsam an der Umsetzung von Projekten zu arbeiten, was gerade bei zeitlich begrenzten Projekten eine sehr sinnvolle Alternative ist.

Für Jennifer Moseler, CMO und Leiterin Marketing & Vertrieb der TWAIL UG, die mit Hire Me eine Plattform zur kurzfristigen Vermittlung von studentischen Arbeitskräften betreiben, überwiegen ganz klar die Vorteile des CoWorking, gerade in der frühen Gründungsphase des eigenen Unternehmens:

Wir als Start-up können Coworking Spaces nur empfehlen. Für uns ist der Erfahrungsaustausch mit gleichgesinnten Start-ups ein großer Pluspunkt, den wir nicht missen möchten. Neben dem Erfahrungsaustausch profitiert man oftmals auch von einer zentralen Lage der Räumlichkeiten. In vielen Städten gibt es mittlerweile Coworking Spaces. Wir empfehlen, die einzelnen Räumlichkeiten zu besichtigen und im besten Fall zu testen, um herauszufinden, in welchem Coworking Space man sich am wohlsten fühlt.

Ähnlich sieht das auch Thorsten Niedner, Leiter der SAR.FACTORY, die als Gründer Hotspot jungen Unternehmen auch CoWorking Spaces anbieten. Für ihn sind CoWorking Spaces ein ideales Ökosystem für junge Unternehmen:

Hier kommen Start-ups, Experten, Unternehmen und Gleichgesinnte zusammen. Dadurch entstehen Synergien und Ideen!

Und nach Meinung von Milos Mikuska, Geschäftsführer des Frankfurter CoWorking-Anbieters MEET/N/WORK, erfüllt CoWorking alle Anforderungen an das moderne Arbeiten, wie:

flexible zentral gelegene Räume, WorkingSpaces für jeden Bedarf, von ruhigen Brainstorming-Areas bis hin zu offenen Networking-Räumen. Coworker sparen sich Stress mit der Orga und können sich voll auf die eigene Arbeit, das eigene Projekt konzentrieren. Und das Beste daran ist das Netzwerk: Gleich im Nachbarzimmer sitzt ein potenzieller Kunde oder ein Kooperationspartner.

Wann lohnt sich ein eigenes Büro für Start-ups?

Die genannten Vorteile für CoWorking überzeugen viele junge Gründer. Doch mit dem Wachstum des eigenen Unternehmens kann dieses Modell auch schnell an seine Grenzen stoßen. Neben den Vorteilen gibt es ebenfalls einige Nachteile, die von Gründern unbedingt beachtet werden sollten. Diese Gründe sprechen u.a. für ein eigenes Start-up Büro:

coworking_1 Neben dem eigentlichen Arbeitsplatz bieten CoWorking Spaces oft auch noch die gemeinsame Nutzung von Meeting-Räumen oder der Küche mit an (Foto: SAR.FACTORY)

#1 Begrenzte Anzahl an Arbeitsplätzen

Laut deskmag.com bietet ein durchschnittlicher CoWorking Space 33 Arbeitsplätze, die von 43 Mitgliedern geteilt werden. Weil nicht immer alle Nutzer zur gleichen Zeit da sind, liegt die Auslastung bei knapp 55%. Ein Start-up, das zum Beispiel die Grenze von 15-20 Mitarbeitern überschreitet, stößt somit schnell an die Kapazitätsgrenzen beim verfügbaren CoWorking Space. Besonders dann, wenn es sich nicht in einem Ballungszentrum (Berlin, Hamburg, München) befindet, sondern in einer kleineren Stadt mit nur wenigen CoWorking Angeboten.

Um dann allen Mitarbeitern einen entsprechenden Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen, ist hier meist die Anmietung eigener Büroflächen fast unausweichlich, verbunden mit der dann notwendigen Infrastruktur.

#2 Möglicher Kundenverkehr und Partner

Wenn regelmäßiger Kundenverkehr besteht bzw. häufig Partner (oder Investoren) in die eigenen Büroräume geladen werden müssen, kann es unter Umständen von Anfang an notwendig sein, eigene Büroflächen zu mieten. Ein eigenes (klassisches) Büro stärkt die positive Außenwahrnehmung, besonders bei Partnern oder Investoren aus eher konservativen Branchen.

#3 Geistiges Eigentum

Auch wenn der regelmäßige und kreative Austausch bereits als ein positives Merkmal für CoWorking Arbeitsplätze herausgestellt wurde, bietet dieser auch gleichzeitig einige Nachteile. So ist durch die offene Arbeitsfläche der Schutz des geistigen Eigentums bei Weitem nicht so gut gewährleistet, wie in den eigenen Büroflächen, die nur von Mitarbeitern des eigenen Unternehmens betreten werden.

Bei der Nutzung von CoWorkings Spaces, besonders mit mehreren eigenen Mitarbeitern, sollten Gründer auf den Schutz ihres geistigen Eigentums sowohl auf den PCs wie auch in Gesprächen besonders stark achten, um einem möglichen Ideenklau vorzubeugen. Deshalb bieten sich CoWorking Spaces für Unternehmen, die sich in Hochtechnologiebereichen bewegen, oft nicht an.

#4 Ein Büro ist ruhiger

Der Austausch mit anderen Gründern kann im CoWorking Space sehr befruchtend sein. Hat aber gleichzeitig auch den großen Nachteil, dass gerade in Phasen großer Konzentration die Lärmkulisse aus Gesprächen, Telefonaten oder Ähnlichem äußerst störend sein und negativen Einfluss auf die Arbeitsergebnisse haben kann. Das eigene Büro bietet die Möglichkeit, die Büroräume so zu gestalten und aufzuteilen, dass konzentriertes Arbeiten besser möglich ist, während man beim CoWorking Space komplett auf den Anbieter angewiesen ist.

#5 Corporate Culture

Zu einem erfolgreichen Start-up, das stetig wächst, gehört eine eigene Corporate Culture (Corporate Identity). Welche Arbeitsweise und welches Mindset soll in der eigenen Firma gelebt werden? Um das zu ermöglichen, muss sich die eigene Firma von anderen abheben und eigene Akzente setzen. Die eigene Bürofläche unterstützt dieses Vorhaben natürlich ganz besonders, weil man hier komplett frei bezüglich der Arbeitskultur und der Arbeitsplatzgestaltung ist.

Wann ist der richtige Zeitpunkt zum Wechsel?

Die Eingangsfrage, ab wann ein Start-up vom CoWorking Space in das eigene Büro wechseln sollte, kann also so pauschal nicht beantwortet werden, sondern hängt ganz wesentlich von der Entwicklungsstufe des eigenen Start-ups, dem Wachstum der Mitarbeiterzahl oder den Anforderungen aus dem Kundenverkehr ab. Oftmals wachsen Start-ups ganz einfach über das Platzangebot des CoWorking Space hinaus und die Entscheidung, den CoWorking Space gegen ein eigenes Büro einzutauschen, passiert ganz von selbst.

Gründer sollten zudem Intellectual Property, die Geräuschkulisse und Ablenkung im CoWorking Space sowie die eigene Corporate Culture als weitere Entscheidungskriterien im Hinterkopf behalten.

Über den Autor

Eric Salbert war mehrere Jahre mit dem Sprachreiseportal Lingoschools selbstständig und ist nun als Head of Product beim Kreditportal smava tätig. Zusätzlich betreibt er den Blog PRENEUR.DE rund um die Themen Entrepreneurship, Selbstbestimmung und Selbstoptimierung.

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