| Probleme in der Seed-Phase
Das Problem in der frühen Seed-Phase eines Start-ups ist: Sie haben vielleicht noch kein Produkt auf dem Markt, der Businessplan ist noch nicht ausgereift, vieles ist im Unklaren. Vor allem liegt noch keine eindeutige Bewertung über das Unternehmen vor.
Oder anders gesagt: Die unterschiedlichen Akteure bewerten das Start-up jeweils anders, können sich also kaum auf einen gemeinsamen Nenner einigen. Der von dem Start-up aufgerufene Firmenwert beruht hauptsächlich aus der angenommenen positiven Entwicklung in der Zukunft. Das ist manchen Investoren zu wenig.
Einen klassischen Risikokapitalgeber bzw. Business Angel zu gewinnen, der eine Unternehmensbeteiligung erwirbt, ist in diesem Stadium schwierig, da dies eine Bewertung des Unternehmens voraussetzt. Ein Wandeldarlehen ermöglicht sowohl für Investoren als auch für Start-ups eine Art "Probezeit" und schließt die Lücke zwischen Eigen- und Fremdkapital.
Der Darlehensgeber hat vor der Wandlung zunächst noch kein Mitbestimmungs-, sehr wohl aber ein Informationsrecht. Am Ende der Laufzeit kann das Darlehen entweder mit vergleichsweise hohen Zinsen zurückgezahlt oder – falls das nicht möglich ist – in Unternehmensanteile umgewandelt werden.
| Alternative: Wandeldarlehen
In dieser frühen Phase eines Start-ups können Investoren häufig schon bei einem Mittagessen oder einem Elevator Pitch von einer Geschäftsidee überzeugt werden und entscheiden sich dann spontan und unbürokratisch für ein Investment. In diesem Fall kommen häufig Wandeldarlehen, auch Convertible Loans genannt, zum Einsatz, bei denen Geld investiert wird, das sich bei der nächsten Finanzierungsrunde in Geschäftsanteile umwandeln lässt.
Es ist oft die einzige Möglichkeit für Gründer, überhaupt Kapital zu bekommen, denn wann ein Start-up schwarze Zahlen schreibt, ist häufig nur schwer vorherzusehen. Ein klassisches Convertible, wie es aus den USA bekannt und nach Deutschland herübergeschwappt ist, ist ein festverzinsliches Darlehen, das zu einem späteren Zeitpunkt in eine Unternehmensbeteiligung umgewandelt werden kann. Aus dem Fremdkapital wird nach einem gewissen Zeitraum Eigenkapital.
Das Darlehen wird also nicht, wie bei „normalen“ Krediten üblich, zurückgezahlt. Wegen dieser Misch-Finanzierungsform spricht man beim Wandeldarlehen von Mezzanine-Kapital bzw. einer Mezzanine-Finanzierung (ital. "mezzo" = "halb").
| Vorteile / Nachteile
Vorteile des Wandeldarlehens
Ein Wandeldarlehen ist kostengünstiger als eine Beteiligung, da die Transaktionskosten bedeutend niedriger sind: Durch standardisierte Verträge kann ein Wandeldarlehen unkompliziert und ohne kostspielige Anwälte, Unternehmensberater oder notarielle Beurkundung vergeben werden. Außerdem ist es einfacher und schneller zu bekommen als klassisches Venture-Capital.
Das Wandeldarlehen ist wie die stille Beteiligung eine eigenkapitalnahe Finanzierung. Das heißt, die Kreditlinie des Unternehmens steigt.
Nachteile des Wandeldarlehens
Ein Nachteil des Wandeldarlehens könnte sein, dass der Darlehensgeber bis zur Zeit der Wandlung weniger starke Verpflichtungen eingeht als ein Gesellschafter bzw. Anteilseigner. Er bringt zum Beispiel kein Know-How ins Start-up ein.
Zudem ist nicht gesagt, dass das Wandeldarlehen tatsächlich in Anteile umgewandelt wird. Fordert der Investor sein Geld zurück, sind die Zinsen aufgrund des größeren Risikos vergleichsweise hoch.
Ein weiteres Problem kann die Bewertung eines Unternehmens darstellen. Diese wird von Investor und Start-up je häufig sehr unterschiedlich betrachtet. Während ein Investor den Wert im eigenen Interesse möglichst niedrig ansetzt, wird ein Start-up sein Potenzial deutlich höher einschätzen. Hier müssen also im Vorfeld also doch möglichst genaue Berechnungen angestellt werden, um nicht zu viele Firmenanteile bereits in der Frühphase abgeben zu müssen.
Das Wandeldarlehen eignet sich also angesichts dieser nicht unerheblichen Risiken vor allem für Unternehmen, die dringend und schnell Liquidität brauchen, um einen begrenzten Zeitraum zu überbrücken und keine Alternativen haben.
| Wie hoch sind Wandeldarlehen?
Wandeldarlehen für Gründer in der sehr frühen Phase belaufen sich in der Regel auf etwa 100.000 bis 400.000 Euro. Ein einzelner Investor wird – wegen des hohen Risikos in der noch sehr ungewissen Phase – vielleicht nicht einmal diesen Betrag investieren. In der Praxis ist es daher sinnvoll und üblich, dass sich Start-ups mehrere Wandeldarlehen von mehreren Investoren geben lassen. So muss jeder Kapitalgeber nur einen relativ geringen Betrag ausgeben. In der Summe hat das Unternehmen dann aber mehr Geld zur Verfügung.
Es ist unter Umständen leichter, von drei Investoren je 100.000 Euro zu erhalten, als von einem Investor 300.000 Euro, da das Risiko für viele Investoren in dieser Phase zu hoch wäre.
| Auch für etablierte Start-ups
Auch Start-ups, die sich schon länger auf dem Markt befinden und bereits eine oder mehrere Finanzierungsrunden hinter sich haben, brauchen manchmal schnell frisches Kapital, um weiter wachsen zu können. Auch in diesem Fall ist ein Wandeldarlehen eine Option. Es überbrückt die Zeit bis zur nächsten Finanzierungsrunde. Man spricht daher von einer Brückenfinanzierung bzw. Bridge. Der große Vorteil des Wandeldarlehens als Zwischenfinanzierung: Es geht vergleichsweise schnell.
| Anbieter von Wandeldarlehen
Wandeldarlehen werden nur von Risikokapitalgebern gewährt. Kreditinstitute geben sie nicht aus, wenngleich der Begriff „Darlehen“ darauf schließen lassen könnte. Start-ups, die eine Brückenfinanzierung brauchen, erhalten das Wandeldarlehen in der Regel von einem Investor, der bereits im Boot sitzt, sprich schon eine Beteiligung am Unternehmen hält und diese erhöhen möchte. Sie sollten bei Bedarf also zunächst mit dem bestehenden Netzwerk Kontakt aufnehmen. Gründer in der Frühphase können sich an einen Business-Angel wenden.
So funktioniert das Wandeldarlehen
Erst Fremdkapital...
Der Investor gewährt dem Start-up mit dem Wandeldarlehen zuerst ein festverzinsliches Darlehen über die Summe x für einen überschaubaren Zeitraum von ca. zwölf bis 18 Monaten zur Brückenfinanzierung. Die Zinshöhe liegt in der Regel zwischen vier und zehn Prozent pro Jahr und wird erst zum Ende der Vertragslaufzeit fällig, um den Cashflow des Unternehmens nicht mit Zinszahlungen zu belasten. Zusätzlich wird vereinbart, dass das Darlehen nach der vereinbarten Laufzeit in Unternehmensanteile umgewandelt wird. In dieser Zeit leistet der Darlehensnehmer, also das Unternehmen, keine Zinszahlungen und keine Tilgung.
... dann Eigenkapital
Wenn die erste bzw. nächste Finanzierungsrunde ansteht, wird das Darlehen in eine Beteiligung am Unternehmen gewandelt. Zu diesem Zeitpunkt müssen sich alle Akteure, also das Unternehmen und seine Gesellschafter sowie die Kapitalgeber auf eine Unternehmensbewertung einigen. Denn aufgrund dieser Bewertung wird errechnet, in welcher Höhe der Darlehensgeber Anteile erhält. Er erhält dann allerdings mehr Anteile, als die Darlehenssumme es suggeriert. Das ist der Dreh- und Angelpunkt bei Convertibles: Der Investor vereinbart mit dem Start-up bei Darlehensgewährung einen sogenannten Discount, sprich einen Rabatt von zwischen zehn und 30 Prozent. Dieser Rabatt gleicht sein im Voraus eingegangenes Risiko aus.
| Rechenbeispiel
- Ein Start-up erhält ein Wandeldarlehen in Höhe von 300.000 Euro.
- Ein Jahr später erfolgt eine Finanzierungsrunde mit einem oder mehreren Investoren, die Beteiligungen am Unternehmen erwerben wollen.
- Zu diesem Zeitpunkt einigen sich das Start-up und die Investoren auf eine Unternehmensbewertung in Höhe von zehn Millionen Euro.
- Das Stammkapital beträgt 100.000 Euro.
- Somit wird jeder Anteil mit 100 Euro bewertet (10.000.000 / 100.000).
- Ein neuer Investor zahlt folglich 100 Euro pro Anteil.
- Der Wandeldarlehensgeber hingegen hat einen Discount von 20 Prozent vereinbart. Er zahlt für einen Anteil daher nur 80 Euro.
- Der Darlehensgeber erhält aber nicht nur Anteile im Wert der Darlehenssumme. Addiert werden die aufgelaufenen Zinsen.
- Bei angenommenen fünf Prozent p. a. sind das 15.000 Euro pro Jahr. Somit ergibt sich nach einem Jahr die Gesamtsumme von 315.000 Euro.
- Für diese 315.000 Euro erhält er bei 80 Euro pro Anteil 3.938 Anteile am Unternehmen.
| Wichtige Vertrags-Details
Grundsätzlich herrscht Vertragsfreiheit – und genau deshalb ist Vorsicht geboten. Gründer sollten vor allem auf folgende Punkte achten:
- Die Höhe des Discounts: Je niedriger der Discount, desto besser für das Start-up. Denn umso weniger Anteile erhält der Darlehensgeber (und spätere Gesellschafter).
- Die Höhe des Zinssatzes: Je niedriger, desto besser
- Mögliche Zusatz-Vereinbarungen wie etwa ein Cap: Der Cap entspricht einer Maximalbewertung, zu der der Darlehensgeber wandelt. Dieser kann niedriger sein als die eigentliche Bewertung zur Zeit der Wandlung. Je niedriger der Cap ist, desto mehr Anteile erhält der Investor. Ob der Cap wirksam wird, hängt jedoch vom vorher vereinbarten Discount und der Unternehmensbewerbung ab.
- Seltener vereinbart wird auch ein Floor, also ein Mindestpreis für eine Wandlung.
- Wandeldarlehen werden in der Regel mit einem qualifizierten Rangrücktritt ausgestattet. Das heißt konkret: Forderungen von Investoren sind nachrangig gegenüber allen anderen Gläubigern. Rückzahlungen werden dadurch erst dann fällig, wenn das Unternehmen Gewinn macht oder über ausreichend Eigenkapital verfügt.
Beispielrechnung
Obiges Beispiel zu Grunde gelegt:
- Bewertung: 10 Millionen Euro
- Cap: 6 Millionen Euro
- Der Investor erhält nicht 3.938 Anteile (315.000 / 80), sondern
(315.000 / 60) = 5.250 Anteile