Firmenanteile hin oder her: "Die Löwen sollten sich bei uns bewerben"

|
Best Practice

In vielen größeren Städten gehören E-Roller mittlerweile zum Alltag. Und das, obwohl das bei weitem nicht alle Verkehrsteilnehmer besonders gut finden, unter anderem aufgrund der hohen Verletzungsgefahr. Die bunten Roller sind allerdings nicht die einzigen elektrobetriebenen Fahrzeuge, die auf den Straßen unterwegs sind. Eine wesentlich sicherere Alternative hört auf den Namen "Scuddy" und stammt aus Kiel. Tim Ascheberg, CEO und Co-Founder, spricht im Interview über Vorteile, Herausforderungen und Ziele des jungen Unternehmens.

 

GründerDaily: Hallo Tim, E-Roller sind seit Sommer in aller Munde. Doch mittlerweile ist die Kritik an den Elektrokleinstfahrzeugen lauter als der positive Aspekt eines klimafreundlichen, schnellen Transportmittels für kurze Strecken. Wie geht ihr als Anbieter mit der Kritik um?

Tim von Scuddy: Da muss ich jetzt ein wenig ausholen… Unsere Fahrzeuge waren schon seit Beginn, seit 2013, zugelassen, da wir in die Kategorie „Mofa“ beziehungsweise „Moped“ fallen. Unsere Fahrzeuge erfüllen alle Kriterien eines Mopeds – zum Beispiel die Sitzfunktion - und haben deutlich mehr Leistung, bis 1.500 Watt.

Scuddy Sicher, klimafreundlich und leicht zu transportieren - das ist der Scuddy. (Foto: Scuddy)

Natürlich werden wir spätestens seit diesem Jahr immer wieder auf die neue Elektrokleinstfahrzeug-Verordnung angesprochen und wir finden die neue Art der Mobilität grundsätzlich erstmal gut! Wir sind weiterhin der Meinung, dass diese Fahrzeuge eine Bereicherung sind. Es gibt unserer Meinung nach keine Probleme mit diesen Fahrzeugen – es sollte nur ein wenig mehr Energie in die Aufklärung der Kunden gesteckt werden.

Wir schwimmen mit auf dieser Welle und haben den riesen Vorteil ein deutlich sichereres Fahrzeug anbieten zu können, dass zusätzlich auch noch deutlich bessere Fahreigenschaften und -leistungen mit sich bringt.

Auch ältere Personen oder Menschen mit Handicap fühlen sich auf dem Scuddy auf Grund der Sitzfunktion wohl. Und: Scuddy ist „made in Kiel“!

GründerDaily: Jüngst forderte der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, sogar ein Komplettverbot aufgrund der hohen Verletzungsgefahr. Was hältst du von derartiger Kritik?

Tim von Scuddy: Ein Verbot der Elektrokleinstfahrzeuge halte ich für gänzlich falsch. Wie erwähnt, sollten die Nutzer aufgeklärt werden, unter welchen Voraussetzungen gefahren werden darf und wie die Konsequenzen bei Fehlverhalten sind. Es ist ein motorisiertes Fahrzeug – es gelten somit zum Beispiel dieselben Regeln bezüglich Fahren unter Alkoholeinfluss wie beim PKW – das wissen viele nicht!

Wie bereits erwähnt, ist der Scuddy sehr viel sicherer als ein herkömmliches Elektrokleinstfahrzeug – im Sinne eines „Tretrollers“ mit E-Antrieb. Wir haben zwei große Räder vorne, hydraulische Scheibenbremsen, Energierückgewinnung und eine wesentlich bessere Gewichtsverteilung während der Fahrt.

Die genannte Kritik ist somit gar nicht an uns gerichtet.

GründerDaily: Pendler sind durch die Sharing-Modelle für E-Roller in größeren Städten nicht mehr darauf angewiesen, ein eigenes Gerät mitzubringen, sondern können die ‚letzte Meile‘ mit einem geliehenen Roller zurücklegen. Inwieweit wirkt sich das auf euer Business aus?

Tim von Scuddy: Mit diesem Modell haben wir gar nichts zu tun. Wir merken jedoch, dass die Mobilität mit Elektrorollern immer mehr akzeptiert wird – das liegt sicherlich auch daran, dass die Sharing-Roller nicht mehr aus dem Stadtbild wegzudenken sind.

Auch unsere Tochterfirma – die scuddy.tours GmbH – erlebt seit diesem Jahr einen regelrechten Aufschwung mit geführten Städtetouren, Firmen-Events…

GründerDaily: Was ist der USP des Scuddy gegenüber anderen Anbietern? Und wie setzt ihr euch gegenüber eurer Konkurrenz durch?

Tim von Scuddy: Kein anderer Hersteller hat es geschafft, so viel Fahrleistung auf das Maß zu reduzieren. Unser patentierter Faltmechanismus mit Trolley-Funktion ist hier besonders hervorzuheben. Fahrleistungen wie ein Vespa-Roller – gefaltet ist er jedoch nicht größer als eine Wasserkiste.

Das zweispurige Carvingfahrwerk sorgt zudem für eine stabile Kurvenfahrt – auch wenn es mal bei Nässe über Bahnschienen gehen sollte. Hier bekommt man bei einspurigen Elektrokleinstfahrzeugen häufig Schweiß auf die Stirn.

Es sei außerdem erwähnt, dass wir der einzige Hersteller sind, der komplett in Deutschland baut. Das hat natürlich einen großen Einfluss auf die Qualität und den Service.

GründerDaily: Du hast das Unternehmen gemeinsam mit Jörn Jacobi gegründet. Wer seid ihr und wie kam es zu der Entscheidung, gemeinsam zu gründen?

Tim von Scuddy: Kennengelernt haben wir uns 1999 in der Schule. Eine lange Freundschaft und viel Erfahrungen im Prototypenbau bildet unser Fundament. Während des gemeinsamen Maschinenbau- und BWL-Studiums wurde bereits ein hervorragendes Netzwerk im Feld der Elektromobilität, sowie im Bereich des Prototypenbaus, der Fertigungsplanung und vielem mehr geschaffen. Parallele Projekte wie die Gründung und Leitung von „RACEYARD“ deckten unsere Kernkompetenzen auf und sorgen jetzt für eine effiziente Zusammenarbeit mit regionalen, überregionalen und globalen Partnern.

Scuddy Tim Ascheberg (hier im Bild) gründete Scuddy gemeinsam mit seinem Schulfreund Jörn Jacobi. (Foto: Scuddy)

Die finale Idee „Scuddy“ wurde gemeinsam in der Master-Thesis „Märkte im Umfeld der Elektromobilität – Erfolgspotenziale für Unternehmensgründungen“ erarbeitet.

GründerDaily: Wie lange hat die Entwicklung des Rollers gedauert, bis er schließlich auf die Straße konnte?

Tim von Scuddy: Zweieinhalb Jahre bis zur 0-Serie, dann ein weiteres Jahr bis zur Markteinführung beziehungsweise Serienreife.

GründerDaily: Wie habt ihr diese Entwicklung finanziert?

Tim von Scuddy: Gestartet sind wir mit einem zwölfmonatigen Stipendium der Innovationsstiftung Schleswig Holsteins. Die spätere Finanzierung wurde über das KfW Startgeld realisiert.

GründerDaily: Apropos Finanzierung: Ihr habt einen einmaligen Auftritt in der TV-Show Die Höhle der Löwen hingelegt. Zehn Prozent eurer Firmenanteile wolltet ihr abgeben, für nur einen Euro. Was hatte es damit auf sich?

Tim von Scuddy:

Das war ein ziemlicher Geniestreich! Der Hintergrund war, dass wir die ewigen Diskussionen über den Firmenwert nervig fanden.

Im Gegensatz zu vielen anderen Teilnehmern dieser Show hatten wir bereits eine Bilanz… und das Geld der Bank hätten wir problemlos bekommen. Mit diesem Hintergrund war es uns wichtig, einen geeigneten Partner zu finden, der mehr bieten kann als nur Geld. Wir haben somit den Spieß umgedreht und wollten, dass die Löwen sich bei uns „bewerben“ – uns also zeigen was sie für uns tun können. Und es hat funktioniert!

GründerDaily: Letztlich seid ihr auf einen anderen Deal eingegangen. Wie hat sich das auf euer Unternehmen ausgewirkt?

Tim von Scuddy: Letztendlich kam alles ein wenig anders - oder besser - als gedacht. Mit Jochen Schweizer pflegen wir ein gutes Verhältnis, er ist jedoch nicht mit bei uns eingestiegen und unterstützt uns lieber unbürokratisch bei der Tourvermittlung unserer Tochterfirma scuddy.tours.

Mit Ralf Dümmel sind wir – nach drei Jahren! – enger denn je. Wir haben einfach ein super gutes Verhältnis und vertrauen uns! Die Scuddy Premium Modelle werden weiterhin in Kiel gebaut und abgesehen von dem riesigen Marketing-Effekt der Sendung sind wir in diesem Segment zu 100 Prozent unabhängig. Das Einstiegsmodell „MAXX SPORT by scuddy“ (bald „scuddy slim V3“) ist unser gemeinsames Baby. Mit Ralfs Power haben wir es geschafft, unseren Traum wahr werden zu lassen – ein extrem preisgünstiges Einstiegsmodell! Dieses ist auch eine echte Alternative zu den Elektrokleinstfahrzeugen – nur halt mit Sitz. Ralf unterstützt uns hier bei der Fertigung und beim Vertrieb – und all das mit einer herrlich unbürokratischen hanseatischen Art und Weise.

GründerDaily: Welche größeren Herausforderungen siehst du in den kommenden Jahren auf Scuddy zukommen und welche Ziele habt ihr euch gesetzt?

Tim von Scuddy: Wir sind Anfang des Jahres umgezogen und haben uns von der Fläche circa vervierfacht. Das war schon mal ein wichtiger und riesiger Schritt für uns. Dieser Schritt hat uns auch den Weg für zukünftige Projekte geebnet. Wir haben unser Team seit dem Umzug deutlich vergrößert und es wird in Zukunft eine breitere Produktpalette geben – zum Beispiel auch ein Fahrzeug, das gezielt für den Reha-Markt entwickelt wird…

Wir werden jetzt die Geschwindigkeit erhöhen und die Erfahrungen der letzten Jahre in die Weiterentwicklung stecken. Der Manufaktur-Charakter soll weiterhin bestehen bleiben!

GründerDaily: Tim, vielen Dank für dieses Gespräch.

Keyfacts über Scuddy

  • Gegründet im Jahr: 2012
  • Firmensitz in: Kiel
  • Unser aktuelles Team besteht aus: 20 Personen
  • Die erste Finanzierung erfolgte durch/über: KfW
  • Besonders geholfen haben mir/uns bisher: Ralf Dümmel (Die Höhle der Löwen), Jörn mir & ich Jörn
  • Besonders wichtig im Arbeitsalltag sind für mich/ uns folgende:
    • Menschen: unser Team
    • Internetseiten: electrive.net
zurück
Kiel
Mobilität
Klima
Elektroroller
New Mobility
Scuddy