Man muss dafür brennen

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Best Practice

Birgit Honvehlmann hat das geschafft, wovon viele träumen: „Als Selbstständige kann ich machen, was ich will.“ Egoismus? Ganz im Gegenteil – im Inklusionsbetrieb „Moderne Floristik Steinbrecher“ steht Teamwork an erster Stelle.

Steinbrecher 1200 „Ich habe den schönsten Beruf der Welt.“ Birgit Honvehlmann, Inhaberin „Moderne Floristik Steinbrecher“. (Bildrechte: WELT/Malte Krudewig)

Dienstagmorgen, sechs Uhr. Bei der Blumenversteigerung in Straelen am Niederrhein tickt die Versteigerungsuhr schon in aller Frühe gnadenlos, für verschlafenes Kaffeetrinken ist keine Zeit. Floristmeisterin Birgit Honvehlmann will für ihr Unternehmen „Moderne Floristik Steinbrecher“ nur die beste Ware ergattern. Das heißt: in kürzester Zeit abwägen und im richtigen Moment zuschlagen. Die Floristmeisterin beschreibt das Auktionsgeschehen so:

Hier sind keine Püppchen unterwegs. Da geht’s zur Sache.

Doch das ist für Birgit Honvehlmann kein Problem. Anderen einen Schritt voraus zu sein ist Teil ihres Alltags:

Ich bewege viel, ich schaue schon auf morgen. Jeder Tag ist mir zu kurz.

Diese Leidenschaft nützt ihr nicht nur regelmäßig bei der Auktion in Straelen. Dank ihres Tatendrangs gelang es ihr, ihr Blumen- und das zugehörige Deko-Geschäft in Waltrop (NRW), das sie 2014 von der Tochter des Gründerehepaares übernommen hat, aus dem – wie sie es nennt – „Dornröschenschlaf“ zu wecken.

Neue Chefin, neues Konzept

Nach rund 20 Jahren im Angestelltenverhältnis bei „Moderne Floristik Steinbrecher“ wagte Birgit Honvehlmann den Sprung ins kalte Wasser: Der Kundenstamm war da, jedoch sollte das Konzept von „Moderne Floristik Steinbrecher“ neu aufgesetzt werden. Also dachte sie weit über das Standard-Geschäft im Ladenlokal hinaus:

Wir wollten das Augenmerk auf Event-Floristik legen sowie mehr Daueraufträge und Firmenkunden gewinnen.

Doch eine Herzensangelegenheit stand für Birgit Honvehlmann an erster Stelle: „Moderne Floristik Steinbrecher“ sollte ein Inklusionsunternehmen werden: „Mitarbeiter mit Handicap sind genauso qualifizierte Mitarbeiter wie die ohne“, betont die Dattelnerin. Jeder Mensch habe eine Chance verdient, sie ist überzeugt:

Es gibt für jeden einen Arbeitsplatz – man muss ihn nur finden.

Zusammenarbeit von Frau zu Frau

Also entwickelte Birgit Honvehlmann im Zuge ihrer Nachfolge gemeinsam mit ihren Mitarbeitern ein neues Leitbild. Unterstützt wurde das Team von der Prospektiv GmbH, einer Gesellschaft für betriebliche Zukunftsgestaltung. Außerdem stand Business-Coach Jutta Beyrow zur Seite. Birgit Honvehlmann sagt dazu:

Unterstützung von Frau zu Frau, die Zusammenarbeit war sehr wertvoll.

Auch in Sachen Finanzierung wusste die Unternehmerin einen zuverlässigen Partner hinter sich: Die KfW hat Birgit Honvehlmann mit einem Gründerdarlehen von 55.000 Euro gefördert. Zustande kam der Kontakt über ihre Hausbank. „Das war eine wichtige Stütze, ich hatte wenig Eigenkapital“, so Honvehlmann:

Dank der KfW konnte ich das tun, was mich an der Selbstständigkeit reizt: was ich will und meine kreative Arbeit ausleben.

Birgit Honvehlmanns Devise lautet:

Mut lohnt sich, auch wenn mal was in die Buchse geht.

Mut musste sie unter anderem auch beweisen, als sie ihre Vision im Jahr 2016 der Jury des „Gründerpreises NRW“ in Düsseldorf vorstellte. Birgit Honvehlmann erzählt:

Da stand ich plötzlich, eine Frau aus der Kleinstadt mit Blumenladen, in der Großstadt und habe Anzugträgern meine Ideen präsentiert.

Doch sie ließ sich nicht einschüchtern und zog, wie schon so oft, ihr Ding durch. Und das hat funktioniert: Sie belegte den zweiten Platz.

Floristik trifft Fußball

Die damals vorgestellte Vision ist inzwischen Wirklichkeit. Neben einem erweiterten Kundenstamm ist das Unternehmen auch physisch auf rund 200 Quadratmeter Fläche gewachsen, der Lieferservice wurde ausgeweitet und digitale Prozesse generalüberholt – vom Bestellsystem bis zum Social-Media-Auftritt. Birgit Honvehlmann beschäftigt mittlerweile rund 23 Mitarbeiter, sechs davon mit Handicap. Dazu sagt die die Floristikmeisterin:

„Wir machen hier keine Unterschiede, arbeiten Hand in Hand und bereichern uns gegenseitig.

Bis auf einen männlichen Kollegen, der die bestellte Ware zu den Kunden fährt, besteht ihr Team ausschließlich aus Frauen. Alle ziehen an einem Strang und setzen auf regionale und Fair-Trade-Ware, Service sowie Nähe zum Kunden. Auch auf die Trendsuche begibt man sich gemeinsam – sei es Eukalyptus auf Hochzeiten oder ein Muttertagstrauß in „Classic Blue“.

Die Chefin erzählt:

Schließlich müssen wir uns am Markt in Zeiten von Preis-Dumping behaupten. Ich bin ständig auf der Suche nach neuen Trends. Unser Handwerk schläft nie. 

Die Qualität von „Moderne Floristik Steinbrecher“ hat sich längst über Waltrop hinaus herumgesprochen. So stattete das Team neben zahlreichen anderen Events die VIP-Lounges von Borussia Dortmund mit Blumen aus. Auch in der Politik blieb Birgit Honvehlmanns Engagement nicht unbemerkt: 2018 wurde sie vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie als „Vorbild-Unternehmerin“ ausgezeichnet.

Mit Authentizität und Leidenschaft

Heute ist Birgit Honvehlmann selbst Patin eines Start-ups und macht Unternehmerinnen Mut:

Ich wünsche mir, dass mehr junge Frauen die Selbstständigkeit wagen.

Sie unterstützt „Utily“, ein Aufbewahrungssystem für sogenannte Hot Tools – etwa Föns oder Glätteisen – beim Friseur, das von der 29-jährigen Friseurmeisterin Anna Reuter entwickelt wurde.

Schließlich weiß Birgit Honvehlmann, wie schwer es sein kann, sich aus einem „Frauenhandwerk“ kommend selbstständig zu machen. Ihr Geheimrezept?

Man muss sich selbst treu bleiben – und für sein Vorhaben brennen.

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