Regionale Stärke gegen Internet-Riesen

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Inspiration

Das Start-up KeepLocal stärkt regionale Einzelhändler und Dienstleister mit einem Gutschein-System. Dafür wurden die Saarländer mit dem diesjährigen Publikumspreis der KfW ausgezeichnet.

Keeplocal sind Publikumsliebling: Beim KfW Award Gründen 2023 haben Sie neben dem Landessieg auch den Publikumspreis erhalten. (Foto: Matthias Baroni)

Die Frage, was man seinen Liebsten schenken soll, wird häufig an der Kasse beim Filialisten beantwortet: Dort findet der Kunde Gutscheinkärtchen von großen Händlern wie Amazon oder Apple. Heidi Houy, Inhaberin von fünf Modehäusern im Saarland, sind diese Geschenkgutscheine schon länger ein Dorn im Auge.

Kurz vor Weihnachten 2018 stand sie im dm-Drogeriemarkt in einer Kassenschlange und beobachtete, wie locker zehn Kunden vor ihr Gutscheine für die großen Onlinehändler vom Ständer nahmen und kauften. Die Mittelständlerin war konsterniert. Sie dachte sich:

Solche Gutscheine sollte es auch für meine Modegeschäfte und die vielen anderen in der Stadt und im Kreis ansässigen kleineren Firmen geben.

Fünf Jahre später gibt es sie. Noch nicht flächendeckend in ganz Deutschland, aber unter anderem im Saarland, im Bergischen Land, in Mainz oder Kaiserslautern.

200.000 Gutscheine wurden 2023 ausgegeben. Eine Million sollen es im nächsten Jahr sein. Bei insgesamt 1.500 Verkaufsstellen stehen die Gutscheine in den Displays, 3.000 sogenannte Akzeptanzpartner sind an Bord. „Das sind Einzelhändler, Gastronomen, Fahrschulen, Tattoostudios und viele weitere Branchen“, sagt Andreas Maurer. 

Maurer ist einer der beiden Gründer von KeepLocal, einer Plattform, über die man regionale Gutscheine online kaufen kann. Ebenfalls versorgt das Start-up die Verkaufspartner mit gedruckten Gutscheinen. Davor steht natürlich das Anwerben der Firmen.

Unser Ziel ist es, die lokale Wirtschaft zu stärken und für kommende Generationen zu erhalten.

Deshalb haben wir ein regionales Gutscheinsystem ins Leben gerufen, das lokalen Händlern hilft, sich gegen die übermächtige internationale Konkurrenz zu behaupten“, sagt Maurer. 

Ein Netzwerktreffen führte zur Gründung 

2019 hat er gemeinsam mit Heidy Houy KeepLocal gegründet, nur kurz nachdem die Modehändlerin ihre Beobachtungen in der Kassenschlange gemacht hatte.

Dass die Unternehmerin und der frühere IT-Unternehmer zusammenfanden, war eine Mischung aus Strategie und Zufall. Beide gingen, „explizit um zu Netzwerken“, auf ein Jungunternehmertreffen. Dort lernten die beiden sich kennen. Houy erzählte von ihrer Idee, Maurer war sofort begeistert.

Auf einem Stück einer Müsli-Packung skizzierten sie das Geschäftsmodell. Nur zwei Wochen später gründete das Duo KeepLocal. „Wir hatten vorher noch eine Umfrage unter Bekannten gemacht“, sagt Maurer. „Dabei kam heraus, dass die Leute gerne Gutscheine von lokalen Anbietern kaufen würden, wenn es sie denn gäbe.“

Bestärkt durch den Zuspruch fingen sie an Klinken zu putzen, zuerst in der Heimatstadt Sankt Wendel, einem Städtchen mit rund 26.000 Einwohnern im Nordosten des Saarlandes. „Zuerst sprachen wir die Akzeptanzpartner an, also die Firmen, die die Gutscheine ausgeben und einlösen“, sagt Maurer. Als eine gewisse Zahl erreicht war, haben sie die Gutscheine gedruckt und an die Verkaufspartner ausgeliefert. Oft deckten sich beide.

So ist es bis heute: Jede neue Stadt oder Region, die das Start-up mit aktuell 29 Mitarbeitern aufrollt, wird auf diese Weise akquiriert. Das Ziel ist immer einen Partner pro 1.000 Einwohner zu gewinnen. Doch schon bei rund einem Viertel beginnen die Macher. In Wuppertal etwa, erst vor wenigen Wochen an den Start gegangen, hat KeepLocal nach drei Monaten Akquise mit 100 Partnern losgelegt. Die Stadt hat 360.000 Einwohner, die Zielgröße lautet damit 360 Partner. Maurer sagt: „Da kommen wir mit der Zeit hin.“ Nach einigen Jahren am Markt spricht er aus Erfahrung.  

Zu seinen Erfahrungen zählen allerdings auch die Anfänge. Zu Beginn war es nicht leicht, Firmen zum Mitmachen zu animieren. Um Geld mit dem Unternehmen zu verdienen, wollten Houy und Maurer, dass die Partner eine Transaktionsgebühr zahlen. Im Gegenzug sollten sie von der Ausschüttung des cash-backs profitieren, also von dem Geld, dass die Kunden für die Gutscheine bezahlen, die nicht eingelöst werden. Laut Maurer sind das rund 15 Prozent. Dieses Modell fand aber kaum Anhänger.

Also überlegten sich die Gründer etwas Neues: keine Transaktionsgebühr, also eine kostenlose Teilnahme, dafür aber auch keine cash-back-Ausschüttung. „Daraufhin sind alle aufgesprungen“, sagt Maurer. 

Schenken geht auch online 

Und noch etwas half bei der Verbreitung des lokalen Gutscheinsystems: Es war Anfang 2020, als das Start-up zwar den Markenauftritt fertig hatte, aber noch immer in der Testphase mit den Gutscheinen war. Die Gründer wurden zu einer Veranstaltung nach Berlin eingeladen, auf der nahezu alle 52 Bürgermeister des Saarlandes einem Vortrag der Gründer zuhörten. Maurer erzählt:

Damit hatten wir auf einen Schlag erste wichtige Multiplikatoren gewonnen.

Von da an sei es viel leichter gewesen, im Saarland Fuß zu fassen. Offenbar waren die Repräsentanten von der Idee angetan, dass Konsumenten Gutscheine einer Gemeinde, Stadt oder Region oder eines bestimmten Partners in dieser Gegend verschenken können.

Kauft man den Gutschein online, kann man diesen zusätzlich mit einer individuellen Grußbotschaft personalisieren lassen. Auch Anlässe wie etwa Weihnachten, Geburtstag oder Hochzeit kann man auswählen. Je nach Festivität und Geschmack hält KeepLocal ein passendes Motiv bereit. Auch deshalb werden die Online-Gutscheine gut angenommen.

Der Umsatzanteil beträgt dennoch erst rund 20 bis 25 Prozent, sagt Maurer. Die meisten – zu 100 Prozent ökologisch produzierten und plastikfreien – Gutscheinkarten gehen derzeit im Globus in Sankt Wendel über die Ladentheke. 5.000 sind es pro Jahr. Von 200.000 insgesamt. Und es sollen mehr werden.

Das Start-up expandiert.

In zwei Jahren will KeepLocal den gesamten DACH-Raum ans Gutscheinsystem angeschlossen haben.

Bis dahin sollen auch größere Partner wie dm oder Aldi als Partner gewonnen werden. Außerdem wollen die Saarländer Mitarbeiter-Gutscheine, die bis zu 50 Euro im Monat steuerfrei vom Arbeitgeber ausgegeben werden können, auflegen. Bereits im ersten Quartal 2024 werden zudem „meal voucher“, als „smarte Lösung ohne Papier“ ins Programm aufgenommen. 

Um die Pläne zu bewerkstelligen, ist Kapital vonnöten. Bislang haben Venture-Capital-Geber 3,5 Millionen Euro eingebracht. „In zweieinhalb Finanzierungsrunden“, wie Maurer sagt. „Die dritte läuft gerade an.“ Man befinde sich in der Phase des Fundraising.

Auch neue Mitarbeitende will man beschäftigen. „Wir stellen ein wie verrückt“, sagt Maurer. Im nächsten Jahr will das junge Unternehmen auf 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anwachsen. 

KfW Award Gründen

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